16.07.2012, 10:28 Uhr

Office 365 - Die Tücken stecken im Detail

Wer seine Office-Infrastruktur mit Microsofts Office 365 in die Cloud verlagern möchte, sollte auf das Kleingedruckte achten. Denn die via Internet gelieferten Services unterscheiden sich im Funktionsumfang von ihren lokalen Pendants und erfordern Vorbereitungen.
Die Services von Office 365 aus dem Internet unterscheiden sich von ihren lokalen Pendants.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in unserer Schwesterpublikation Computerwoche.de publiziert. Weg mit der teuren IT-Infrastruktur, Schluss mit ständigen Investitionen in immer neue Hardware, adieu kostenintensive Wartungsarbeiten: Diese und andere Versprechen vieler Cloudanbieter klingen verheissungsvoll. Dass die Realität ein wenig anders ausschaut, dürfte kühl rechnenden Entscheidern klar sein. Nicht offenkundig ist jedoch, was beim Transfer wesentlicher Teile der IT-Infrastruktur in die Wolke möglicherweise an Funktionalität wegfällt - zumal selbst seriöse Cloudangebote von Branchenriesen wie Microsofts Office 365 derlei Restriktionen betroffen sind.

Microsoft-Wolkendienst für das Büro

Wie so oft war Microsoft auch beim Thema «Office aus der Wolke» nicht als Erster am Markt, sondern kam später erst dazu. Während Google Office schon länger angeboten wurde, brachten die Mannen aus Redmond zunächst von der Öffentlichkeit kaum beachtete Angebote wie Business Productivity Online Suite (BPOS) und Office WebApps an den Start. Erst der seit Sommer 2011 verfügbare, auf den Namen getaufte BPOS-Nachfolger «Office 365» findet stärkeren Anklang: Dieses Software-as-a-Service (SaaS) -Angebot verknüpft die Office 2010 Client-Suite mit komplementären Serverdiensten, die im Aboverfahren gemietet und via Internet über die Wolke bezogen werden. Auf diese Weise können Firmenbenutzer an ihrem Arbeitsplatz in gewohnter Weise Exchange, Lync und Sharepoint nutzen. Die dafür erforderlichen Server laufen dann jedoch im Backend in den Microsoft-eigenen Cloud-Rechenzentren, die rund um den Globus verstreut sind (siehe www.globalfoundationservices.com). In Europa sind diese unter anderem in Amsterdam und Dublin beheimatet. Microsoft bietet Office 365 in verschiedenen Varianten an, die auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten sind. Für Selbstständige und kleine Unternehmen ist die Kategorie P (für «Professional») vorgesehen. Vorerst kennt diese mit «P1» nur einen einzigen Plan, der pro Benutzer für monatlich 6,50 Franken zu haben ist. Die Pakete der Kategorie E (für «Enterprise») sind für mittelständische und grosse Unternehmen gedacht. Preislich bewegen sich die Pläne «E1» bis «E4» pro Benutzer zwischen 8,50 Franken und 25,25 Franken monatlich. Generell enthalten die angegebenen Preise für keine  Mehrwertsteuer. Nicht-gewerbliche Kunden müssen diese noch hinzurechnen - allerdings nicht die schweizerische, sondern die irische Mehrwertsteuer (Office 365-Vertragspartner ist Microsoft Ireland Operations Ltd.), deren Satz 23 Prozent beträgt. An Bildungseinrichtungen («A» für «Academic») richten sich die Paketpläne A1 bis A4, die ab Sommer 2012 hinzukommen sollen. Funktional orientieren sich diese an den jeweiligen Paketen E1 bis E4 der Enterprise-Kategorie, werden aber deutlich günstiger angeboten. Schüler und Studenten zahlen teilweise gar nichts, Lehrkräfte müssen nur einen kleinen monatlichen Beitrag berappen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Verteilte Informationen

Verteilte Informationen

Das Problem bei Office 365 ist die Unüberschaubarkeit. Zum einen liegt dies in der enormen Funktionsvielfalt begründet, die Exchange Server, Lync Server und SharePoint Server in ihren aktuellen Versionen bereits von Hause aus mitbringen. Zum anderen trägt Microsoft höchst selbst dazu bei, weil es keine klar verständlichen, einfach zu findenden Übersichten gibt, welches technische Merkmal in welchen Paketplänen überhaupt oder mit welchen Einschränkungen unterstützt wird. Entsprechende Informationen hat Microsoft beispielsweise in den Anhängen seiner Service Description-Dokumente versteckt, die im Download-Center zum Herunterladen angeboten werden. Manche Hinweise zu den Details bestimmter Begrenzungen wie die Nachrichten- und Empfängerbegrenzungen bei Exchange finden sich zudem nur in der Online-Webhilfe. Sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob Unterschiede - und wenn ja, welche konkret - zwischen den lokal im eigenen Rechenzentrum installierten sowie den von Microsoft aus der Cloud bezogenen Serverdiensten bestehen, erweist sich somit als unnötig kompliziertes Unterfangen. Ausserdem muss das, was heute gilt, nicht auch morgen noch zutreffen, sondern kann dann bereits obsolet sein. Denn regelmässig (meist im Monats-Turnus) schaltet Microsoft für Office 365 kleinere Verbesserungen in Form von Service-Updates frei. Details dazu sind unter community.office365.com/en-us/w/office_365_service_updates/default.aspx beschrieben.

Die Tücken liegen im Detail

Allen voran unterliegt der «normale Small Business-Tarif» (P1) empfindlichen Einschränkungen. So ist es zwar möglich, für einen einzigen bezahlten Account mehrere Alias-E-Mail-Adressen (Projekt A, Projekt B etc.) kostenlos zu hinterlegen. Das An-Feld der auf diesem Account eingehenden Nachrichten enthält jedoch immer nur die primäre Postfachadresse des zugehörigen Office 365-Kontos. Das macht es ohne Umweg über die Nachrichtendetails leider unmöglich zu erfahren, an welche der im Office 365-Konto hinterlegten E-Mail-Adressen ein Absender seine E-Mail gesandt hat. Zudem muss ein P1-Kunde damit leben, bei Sharepoint keine Slide-Libraries erstellen zu können. Dieses nützliche Merkmal von SharePoint Server 2010 Enterprise, das eine leichte Wiederverwendung einzelner Powerpoint-Folien zur flexiblen Zusammenstellung neuer Vorträge gestattet, hat Microsoft den Enterprise-Tarifen von Office 365 vorbehalten. Doch selbst der Griff zu einem Enterprise-Plan ist kein Garant für die Cloud-Abbildung der gewohnten lokalen Funktionalität. Beispielsweise kann ausschliesslich der teuerste E4-Plan die Brücke vom Lync Instant-Messaging ins öffentliche Telefonnetz schlagen. Unternehmen, die zu einem kleineren E-Plan greifen, bleibt demzufolge die Möglichkeit zum Anruf auf Festnetz- und Mobiltelefonen aus der IM-Software heraus verwehrt. Unverständlich ist, warum Microsoft als neuer Eigentümer von Skype bislang keinen Lync-Übergang vorsieht. Daher können sich die Nutzer beider Cloud-Dienste nur auf dem Umweg per Festnetztelefon miteinander unterhalten. Hier sollte Microsoft rasch für Abhilfe sorgen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Hybride IT-Umgebung: Active Directory-Integration mit Office 365

Hybride IT-Umgebung: Active Directory-Integration mit Office 365

Weitergehende Planungen über die blosse Feature-Ermittlung hinaus werden für Unternehmen erforderlich, die einen Hybrid-Betrieb ihrer Corporate-IT mit Office 365 beabsichtigen. In diesem Fall müssen der Microsoft Cloud-Service in das firmeninterne Active Directory integriert und beide miteinander synchronisiert werden, um Benutzern ein Single-Sign-On zu ermöglichen. Diese Konfiguration ist alles andere als trivial. Beispielsweise muss die IT-Umgebung des Unternehmens mit der in Windows Server enthaltenen Komponente ADFS (Active Directory Federation Services) zum Claims-basierten Zugriff erweitert werden. Ausserdem haben die Domänen- und Benutzernamen bestimmten Konventionen zu folgen. Unternehmen, die eine komplette Exchange-Auslagerung in die Cloud beabsichtigen, empfiehlt Microsoft, den Wechsel in mehreren Etappen durchzuführen. Weitere Details sind im «Office 365 Deployment Guide for Enterprises» beschrieben, den Microsoft zum Download offeriert. Bei Windows Small Business Server 2011 Essentials können derlei Aktionen übrigens entfallen. Denn dafür - aber ausschliesslich für diese spezielle Edition seines Serverpakets für kleine Unternehmen, das maximal 25 Benutzer unterstützt - offeriert Microsoft in seinem Download Center das kostenlose «Office 365-Integrationsmodul». Diese Zusatzsoftware integriert sich in die SBS-Verwaltungskonsole, um von dort aus die lokalen Active Directory- sowie die Office 365-Benutzerkonten einheitlich zu verwalten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Fazit: Drum prüfe, wer…

Fazit: Drum prüfe, wer…

Die Idee, sich kostenintensiver Server zu entledigen und diese Dienste stattdessen im Abo-Verfahren aus der Cloud zu beziehen, klingt zweifelsohne verlockend. Unternehmen, die angesichts dessen mit Microsofts Wolkenbüro liebäugeln, sollten sich aber vorab genauer informieren, um nicht im Nachhinein Überraschungen zu erleben, mit denen in dieser Form niemand gerechnet hat. Der Gedanke, zunächst klein zu starten und später umzusteigen, ist mit Office 365 leider nur zum Teil umsetzbar. Denn den Wechsel von einem Professional-Paket in einen Plan der Enterprise-Kategorie (zum Beispiel von P1 nach E1) schliesst Microsoft ausdrücklich aus. Der Notwendigkeit, das Abo zu kündigen und einen anderen Paketplan zu beziehen, entkommt ein Unternehmen nur beim Umstieg innerhalb derselben Kategorie - etwa von E2 nach E3. Somit heisst es bei Office 365 umso mehr: Drum prüfe, wer sich bindet.



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