iOS 6 19.09.2012, 10:22 Uhr

Ist Passbook das bessere NFC?

Mit iOS 6 gehört die App «Passbook» zum Lieferumfang des Systems. Sie soll uns von einer modernen Plage befreien: Rabatt- und andere Kundenkarten.
«Händ Sie scho üseri Kundecharte?» Diesen Spruch hört man heute in jeder Mini-Drogerie mit drei Angestellten. Mit Kundenkarten wird kumuliert, rabattiert und protokolliert, was das Zeug hält. Dass das Portemonnaie ob so viel Plastik die Gestalt eines Ziegelsteins annimmt, interessiert dabei niemanden. Und dass für das einwandfreie Funktionieren ein simpler Barcode reichen würde, schon gar nicht. Das könnte sich mit der App Passbook sehr schnell ändern. Dabei handelt es sich im Prinzip um die Kundenkarte schlechthin, die jedoch genausogut ein Kino- respektive Flugticket oder etwas Ähnliches sein kann. Zum Auslesen einer solchen Karte reicht ein simpler 2D-Barcode-Scanner. Dabei werden die Formate PDF417, der Aztec- oder QR-Code unterstützt. Apple bevorzugt aus kosmetischen Gründen den PDF417-Barcode, da dieser aufgrund der geringeren Höhe besser aussieht.

Möglichkeiten

Dabei leistet Passbook viel mehr als eine schnöde Kundenkarte. So weiss das iPhone durch GPS, dass man gerade auf den Supermarkt XY zusteuert – und zückt vorsorglich die passende Karte. Auf Wunsch wird diese auf dem Sperrbildschirm angezeigt, sodass an der Kasse ein Druck auf die Home-Taste genügt, um sie aufzurufen. Selbiges gilt erst recht für Flugtickets, sodass Passbook beim Betreten des Flughafens automatisch die Bordkarte bereithält.
Auf der nächsten Seite gehts weiter Passbook kann sich auch mit Push-Hinweisen zu Wort melden. So könnte sich das iPhone beim Gang durch die Einkaufsmeile bemerkbar machen, wenn die Lieblingsboutique mit Neuheiten und Aktionen lockt. Die GPS-Angaben und der Aktionsradius werden vom Aussteller der Karte definiert, wobei auch mehrere Koordinaten erlaubt sind. Je enger das Revier abgesteckt ist, umso näher muss sich der Benutzer an einem bestimmten Punkt befinden, damit eine Push-Meldung verschickt oder eine Karte hervorgekramt wird. Und schliesslich kann bei Bedarf auch noch der Zeitraum definiert werden, während dem das Ticket oder die Karte die Wirkung entfaltet.

Verschiedene Kartentypen

Zurzeit werden fünf verschiedene Kartentypen angeboten, die sich optisch unterscheiden:
  • Coupons
  • Kundenkarten
  • Boarding-Pässe
  • Event-Tickets (wie zum Beispiel Konzertkarten)
  • ein generischer Pass für alle anderen Anliegen
Die optischen Varianten erleichtern die Auswahl, wenn eine Karte nicht automatisch gezückt wird, weil zum Beispiel keine GPS-Daten hinterlegt wurden. Ausserdem lassen sich je nach Karte zusätzliche Informationen einblenden: Wenn ein Flug verschoben wird, ändern sich die Daten auf der Bordkarte. Den Rapport an den Benutzer gibt’s automatisch dazu.

Wer macht mit?

Jeder neuen Technologie droht das Schicksal, dass sie nicht richtig aus den Startlöchern kommt. Ein typisches Beispiel ist NFC (Near Field Communication), die kleine Datenmengen berührungslos über kurze Distanzen überträgt. NFC ist noch meilenweit vom Durchbruch entfernt – und dass diese Technologie selbst vom neuen iPhone 5 verschmäht wird, dürfte der Verbreitung nicht gerade dienlich sein. Stattdessen müssen unzählige Bezahl-Terminals an die neue Technik angepasst werden, und dafür braucht es eine kritische Masse an potenziellen Kunden. Die Passbook-Integration ist hingegen fast schon lächerlich einfach. Selbst der Tante-Emma-Laden um die Ecke kann seine Kundenkarten innerhalb kürzester Zeit realisieren. So können zum Beispiel auf der Website www.passsource.com eigene Pässe erstellt werden, wobei die Kosten für einen persönlichen Account gerade einmal bei 8 US-Dollar pro Monat beginnen. Standardisierte Pässe lassen sich sogar kostenlos erstellen, ohne dass dazu ein Konto als Apple-Entwickler oder eine andere Legitimation nötig wären. Je nach gewünschter Dienstleistung oder Individualisierung steigen die Preise, etwa wenn die Passbook-Informationen in die Website eines Kunden integriert werden sollen.
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Die Verteilung der Karten

Das bringt uns zum nächsten Thema. Virtuelle Karten und Tickets für Passbook werden auf drei Arten in Umlauf gebracht:
  • Per E-Mail, indem eine Datei mit der Endung «.pkpass» angehängt wird. Solche Dateien erkennt die Mail-App von iOS 6 automatisch.
  • Die Verteilung der Datei über einen URL, also über die Website des Unternehmens.
  • Verteilung über eine eigene App des Anbieters

Ein Flächenbrand in seiner Entstehung

Lehnen wir uns ein wenig aus dem Fenster: Es ist absehbar, dass Passbook sehr erfolgreich wird, und das auch noch in Windeseile: Die Vorteile erschliessen sich dem Kunden sofort. Die Implementierung ist für den Anbieter ein Kinderspiel. Und schliesslich sind die nötigen Barcode-Leser allgegenwärtig. Gerade die einfache Implementierung wird massgeblich zum Erfolg beitragen. Zwar kann Passbook (noch) keine Zahlungen im eigentlichen Sinn abwickeln, so wie es mit NFC möglich wäre. Doch die App zeigt, wohin die Reise geht. Und wenn man sich nur einigen Minuten lang mit den Möglichkeiten auseinandersetzt, wird klar: Diese unscheinbare App ist ein Wolfsrudel im Schafspelz.



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