19.07.2010, 08:58 Uhr

Banken mit Technologie auf Kundenfang

Den Banken laufen die Kunden davon. Um ihr ramponiertes Image aufzupolieren, müssen die Institute bestehenden und neuen Kunden echte Innovationen bieten, meinen Experten.
Next Generation Bank: IT bringt Bank näher zum Kunden
Nahezu jeder dritte Bankkunde hat im vergangenen Jahr den Finanzdienstleister gewechselt. Durch die Abgänge verlor eine Mehrheit der Institute an Profitabilität im Bereich zwischen 5 und 15 Prozent. Dies sind Charakteristika des aktuellen europäischen Bankenmarktes, den 46 Führungskräfte von Kreditinstituten in Interviews mit dem IT-Beratungshaus Accenture skizzierten. «Beschleunigt durch die Finanzkrise bahnt sich ein Machtwechsel an. Konnten bislang die Banken den Markt dominieren, wird sich künftig der Kunde die Finanzdienstleister aussuchen», prophezeite Accenture-Finanzmarktexpertin Dorothy Armstrong an einem Medienanlass in Nizza. Das sei ungewöhnlich, denn bislang haben Banken niemals an ihren Kundenbeziehungen arbeiten müssen. Dies ändere sich radikal innerhalb der nächsten drei Jahre, weiss Armstrong.
Befördert wurde der Machtwechsel einerseits durch die sinkende Reputation der Banken, andererseits durch den Verlust des Informationsmonopols. Moderne Technik erlaubt es heute jedem Kunden, zum Beispiel Aktienkurse, Finanzanalysen und Kapitalanlagen zu vergleichen. Dafür muss niemand mehr eine Bankfiliale besuchen oder einen Anlageberater befragen, so Accentures Global Managing Director Piercarlo Gera. «Mit dem Zugang auf Bankservices über alle Kanäle lockt ein Anbieter keine Kunden mehr», konstatierte Gera. «Das ist längst Standard. Differenzieren können sich Institute zum Beispiel noch über Handy-Dienstleistungen.» Alleine hierzulande arbeiteten nicht weniger als acht Banken an Mobile-Payment-Angeboten, ergänzt der Schweizer Accenture-Partner George H. Schmidt.
Kundendienst mit dem iPad
Den Handlungsbedarf erkennt die Mehrheit der von Accenture befragten Führungskräfte. So wissen 82 Prozent der Manager, dass für künftigen Erfolg verlässliche Kundendaten und eine exakte Auswertung kritisch ist. In diesem Punkt sehen sich jedoch nur 39 Prozent gut aufgestellt. Auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene Produkte erachten 68 Prozent als wichtig, aber nur 26 Prozent haben solche Offerten bereits im Portefolio.

Auf der zweiten Seite lesen Sie, wie Banken mit Technologie auf Kundenfang gehen.
Wie IT den Banken in den Filialen mehr über Kundenwünsche erfahren, zeigte Accenture im «Technology Solutions Lab» in Sophia Antipolis bei Nizza. In der Ausstellung der «Next Generation Bank» verfolgt der Kundenberater die Wege von Besuchern zum Beispiel am iPad, sobald sie die Filiale betreten.
Der Bankcomputer werten dafür zum Beispiel das Bild der Überwachungskameras aus, speichern die Eingaben an interaktiven Werbebildschirmen oder die Tastendrücke am Selbstbedienungsterminals. Die aufgezeichneten Daten gleicht der Bankcomputer mit der Kundenhistorie ab, so dass der Berater aus dem aktuellen Verhalten und früheren Einkäufen ein massgeschneidertes Angebot unterbreiten kann. Auf dem iPad zeigt der Bankcomputer dann den Weg des Kunden durch die Filiale, markante Ereignisse aus der Historie und Vorschläge für konkrete Offerten an.
Kontostand via Twitter-Nachricht
Ebenso wenig wie die Technologie aus den Accenture-Labors heute in europäischen Banken etabliert ist, stecken auch die Social-Media-Aktivitäten der meisten Institute noch in den Kinderschuhen. «Die meisten Häuser experimentieren noch», sagte Kelly Dempski von Accenture. Dabei liege der Fokus auf der Kundenbeobachtung und Marktforschung.
Ein Beispiel für den Einsatz von Social Media in der Marktforschung ist nach Aussage von Dempski die HSBC. Das Londoner Bankhaus betreibt auf seiner Webseite ein eigenes Business-Netzwerk, in dem Kunden mit Kollegen aus anderen Firmen und HSBC-Experten über Probleme diskutieren können. Das Kreditinstitut verspricht sich von dem Forum, bessere Einsichten in aktuelle Herausforderungen zu erhalten.
Die Bank of America nutzt den Microbloggingdienst Twitter, um mit Kunden direkt in Kontakt zu treten. Die Bank versendet über das «@BofA_Help» auf Wunsch auch den Kontostand als Direktnachricht, wenn der Kontoinhaber danach fragt. Bei anderen Serviceanfragen kümmern sich die sechs Mitarbeiter persönlich um die Kunden. Das Kürzel hinter dem Tweet signalisiert dabei, von welchem Angestellten die Nachricht stammt.







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