Analyse 19.09.2011, 11:17 Uhr

BYOD mit Windows 8

Auf dem Desktop ist Windows das Mass aller Dinge – noch. Auf PCs von morgen könnten andere Systeme dominieren, allen voran Apple und Google. Womöglich aber auch Windows.
iPad
Der Zeitpunkt war perfekt gewählt: Als Microsoft im kalifornischen Anaheim betonte, Windows 8 komme auch auf die ARM-Plattform, lancierte Intel seine Partnerschaftmit Google. Der Chip-Gigant und der Suchmaschinenbetreiber würden künftige Android-Versionen für Atom-Prozessoren optimieren, liess Intels CEO Paul Otellini verlautbaren. Das Halbleiterunternehmen will offenbar ein gutes Stück des boomenden Markts für Tablet-Computer für sich beanspruchen und kann dabei nicht auf Microsoft warten. Denn Windows 8 ist noch in einem frühen Entwicklungsstadium. An der Konferenz «Build» in Anaheim zeigte «nur» Windows-Chefentwickler Steve Sinofsky das neue Betriebssystem – Microsoft-Chef Steve Ballmer glänzte zunächst durch Abwesenheit. Aus dem kalifornischen Cupertino vermeldete Applezu allem Überfluss am gleichen Tag, sein marktführendes Tablet-Betriebssystem iOS habe Versionsnummer fünf erreicht. Microsofts Windows 8 sollte gehörig die Show gestohlen werden, liess sich der Eindruck gewinnen.

Windows fürs Tablet

Dabei hat Microsoft seine Hausaufgaben offenbar gemacht und plant mit Windows 8 einen radikalen Schnitt: Das Betriebssystem wird auf Tablets optimiert, mehr noch sollen die Slades der primäre Einsatzort werden. Julie Larson-Green, bei Microsoft für das «Windows Erlebnis» verantwortliche Managerin, sagt: «Mobilität ist, ein Gerät während des Tragens zu nutzen, und nicht, ein Gerät zu tragen und dann zu nutzen.»
So wird Windows 8 dann auch schnell starten und den Benutzer mit einer Oberfläche empfangen, die er ohne technische Hilfsmittel bedienen kann. Die Finger genügen. Das Interface kennen Benutzer von Windows Phone 7 schon: Microsoft nennt es «Metro». Es setzt sich aus interaktiven sowie individuell konfigurierbaren «Kacheln» zusammen und ist für den Vollbildbetrieb ausgelegt –also ideal für mit den Fingern zu bedienende Touchscreens.

Mehr als ein Tablet-System

Allerdings Microsoft vergisst bei dem Schnitt selbstredend seine Stammkundschaft nicht: Windows 8 ist nur auf den ersten Blick ein Tablet-System. Herkömmliche Fenster-Programme laufen weiter unter Windows. Chefentwickler Sinofsky verspricht: «Alle Software, die unter Windows 7 läuft, arbeitet genauso auf Windows 8.» Das ist ein Pfund, mit dem weder Apple noch Google wuchern können, besitzen sie doch separate Betriebssysteme für Tablets und stationäre Computer. Nächste Seite: Virtualisierung eingebaut Den altgedienten Desktop passt Microsoft als App in seine «Metro»-Oberfläche ein. Das Interface startet per Fingerzeig auf die «Kachel» oder indem via Suche ein Programm für den Desktop-Modus aufgerufen wird. Die Programme laufen dann wie gewohnt in Fenstern. Dabei will Microsoft die Leistung im Vergleich mit Windows 7 nochmals optimiert haben. Konkret soll das Betriebssystem sparsamer beim Speicherverbrauch sein. Auch am Benutzerkomfort wurde gearbeitet. Etwa wählt Windows 8 aus den verfügbaren Netzwerken – LAN, WLAN oder Mobilfunk – automatisch die beste Option und übergibt eine bestehende Verbindung Zutun des Anwenders.

PC-Management vereinfacht

Für den Administrator bringt Windows 8 unter anderem die Virtualisierungstechnik Hyper-V mit. Damit können Programme künftig auf dem Desktop laufen, die nicht hundertprozentig kompatibel zu dem Betriebssystem sind. Aber auch Szenarien wie «Bring Your Own Device» (BYOD) werden realistischer: Der Mitarbeiter arbeitet an seinem privaten Computer und bekommt Business-Applikationen in einer virtuellen Umgebung bereitgestellt. Microsoft verspricht von Hyper-V eine mit der lokalen Installation vergleichbare Performance.
Ebenfalls für BYOD-Einsätze oder für Aussendienstmitarbeiter ist «Windows to Go» konzipiert. Damit bekommen Unternehmenskunden die Möglichkeit, Windows 8 auf einem mit der Speicherverschlüsselung BitLocker gesicherten USB-Stick bereitzustellen. Das komplette System inklusive der Fachanwendungen lässt sich dann an einem beliebigen Rechner betreiben. Zieht der Anwender den Stick ab, verschwindet das portable Windows 8 spurlos vom Host-System. Heute sind Administratoren häufig damit beschäftigt, Mitarbeiter-PCs zurückzusetzen. Diese Aufgabe will Microsoft mit zwei Funktionen vereinfachen. Die «Refresh»-Option erlaubt es, auf der «Metro»-Oberfläche nur das Betriebssystem in einen früheren (einwandfreien) Zustand zurück zu setzen. Alle vom Benutzer geänderten Einstellungen und natürlich seine Daten werden gesichert und bleiben erhalten. Für Fälle, in denen zum Beispiel ein Kollege die Firma verlässt, ist dagegen die «Reset»-Funktion gedacht. Dafür muss der Computer nicht neu aufgespielt werden – der Aufruf des Bootmenüs und die Auswahl der «Reset»-Option genügt laut Microsoft. Nächste Seite: warten auf Windows 8

Windows auf ARM-Tablets

Während Funktionen für das System-Management gemäss Chefentwickler Sinofsky weitestgehend feststehen, sind die Pläne für die ARM-Version von Windows 8 noch nicht so weit gediehen. Massgabe ist, das Betriebssystem fit zu machen für benutzerfreundliche und sparsame Tablets. Für die «Metro»-Oberfläche konnte Sinofsky an der «Build» vermelden: «Alles läuft auf ARM.» Für die herkömmlichen Windows-Applikationen sickerte jedoch durch, dass ein Betrieb nur für x86-Systemen möglich sein wird. Für Intels Atom-betriebene Tablet-Systeme bleibt damit Microsoft ein wichtiger Partner – neben Google. An der Entwicklerkonferenz IDF (Intel Developer Forum) parallel zur «Build» präsentierte dann auch Microsofts Brad Carpenter ein Tablet auf Basis des 32-Nanometer-Chips «Medfield». Auf dieser Plattform werden in Zukunft sowohl Windows 8 als auch Android laufen, so Intel.

Zukunftsmusik Windows 8

Ebenso wenig wie die Hardware ist auch Microsoft noch nicht bereit für Windows 8. Eine Aussage zum Verkaufsstart des Betriebssystems blieb das Unternehmen vorerst schuldig. Zurzeit sei Windows noch in der Entwicklung, hiess es von allen Seiten. Entwickler und experimentierfreudige Anwender können aber eine Testversion unter http://dev.windows.com bereits herunterladen. Das Ziel ist klar: zum Verkaufsstart soll schon möglichst viel Software für Windows 8 auf dem Markt sein. Die Perspektive ist das nächsten Jahr, zumindest wenn es nach Microsoft-Chef Ballmer geht. An der «Build»-Konferenz liess sich Ballmer erst am zweiten Tag für einige Minuten blicken. Er brachte für sein Unternehmen die gute Nachricht mit, dass die «Developer Preview» von Windows 8 eine halbe Million Downloads innert 24 Stunden verzeichnete. Dies sei ein Signal für das grosse Interesse an dem neuen Betriebssystem, sagte Ballmer. Indes war er nicht nur für diese Botschaft eingeflogen, denn Microsoft hatte parallel zur «Build» ein Treffen mit Finanzanalystenanberaumt. Nicht bekannt ist, ob der weltgrösste Software-Konzern die Experten von Windows 8 überzeugen konnte.



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