Abstimmung in Bern 26.05.2014, 10:40 Uhr

Kritik an Scanner und Software

Sind die Kreuzchen auf den Stimmzettel im Kanton Bern undeutlich, erkennt der Computer die Wahlzettel nicht an, kritisiert ein Informatiker. Der Lieferant verteidigt sich.
Das unterste Kreuz wurde zu undeutlich gesetzt. Die Folge: es wurde als «leer» gezählt
Margot Frei (eine erfundene Person) ist eine vehemente Armee-Gegnerin. Dies ist auch ihrem Wahlzettel zu entnehmen, der bei der Gripen-Vorlage ein «Nein» stehen hat. Bei der Auszählung wurde Margot Freis Stimme allerdings als leer gewertet. Grund: Der Computer konnte das Kreuz auf dem Zettel nicht lesen, da es zu undeutlich gesetzt wurde. Dies stellte Informatikingenieur Markus Kühni fest, der von der Stadt Bern eingeladen wurde, am vorvergangenen Sonntag das Wahlprozedere zu verfolgen. Kühni gilt in Bern schon länger als Kritiker von E-Voting, die Stadtverantwortlichen wollten ihn mit der Einladung eigentlich von der Zuverlässigkeit der modernen Stimmabgabe überzeugen, berichtete der Bund. «Dass dieses deutliche Kreuzchen vom Scanner nicht erkannt wird, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar», sagte Kühni. Es sei ihm dabei nicht um das konkrete Kreuzchen, sondern ums Prinzip gegangen. Würde bei 50 zufällig getesteten Wahlzetteln eine Stimme falsch erkannt, sei auf alle am Sonntag abgegebenen Zettel mit 1000 falsch erfassten Stimmen zu rechnen: «Die Stichprobe war derart lächerlich klein, da müsste es schon ein wahnsinniger Zufall sein, wenn es sich um einen Einzelfall handelte», sagte Kühni im «Bund» und nennt den Nachteil gegenüber dem herkömmlichem Auszählen, das auch nicht fehlerlos sei: unabsichtliche Fehler gleichen sich dort aufgrund der Streuung wieder aus. Habe aber der Scanner oder die Software ein Problem, seien immer gleich alle Stimmen potenziell betroffen.

«Bisher nirgends Beschwerden»

Nebst Kühni war auch ein Informatiker von Kaiser Data AG in Bern vor Ort. Die Wollerauer-Firma liefert Scanner und Software. Der Informatiker konnte den Lesefehler vor Ort beheben, Kühni war damit aber nicht zufrieden. «Die Begründung lässt die Qualität der Software in einem wenig schmeichelhaften Licht erscheinen», wird er zitiert. Gerold Giger, Eigentümer und Geschäftsführer von Kaiser Data, kontert auf Anfrage der Computerworld die Kritik. «Ich streite nicht ab, dass dieses Kreuzchen nicht erkannt wurde. Allerdings gibt es an der Software generell eigentlich nichts zu beanstanden.» Die Software sei von der schwedischen Firma Reedsoft und hochprofessionell. «Wir setzen sie bei 50 Kunden, dazu gehören Banken und Spitäler, bei ähnlichen Applikationen ein, nirgends gab es bislang Beschwerden», sagt Kaiser. Er kann sich darum vorstellen, dass die Kritik aus «persönlichen oder politischen Motiven» vorgetragen wurde. Auch, weil in Fribourg, Genf und Lausanne bereits seit Jahren auf maschinelle Zählweisen gesetzt werde, dafür gemäss Giger aber «Steinzeittechnologie» benutzt würde. «Dort werden noch Markierleser benutzt, die den Scannern deutlich unterlegen sind. Und auch dort gab es nie Zweifel am System.» Trotzdem werde die Kritik von Kühni natürlich ernst genommen und man bespreche in einer dafür angesetzten Sitzung, wie man den Fehler künftig vermeiden könne. Giger denkt daran, bei der nächsten Abstimmung in der Software festzulegen, dass alle Leerabstimmungen noch einmal manuell bestätigt werden sollen.  Jürg Wichtermann, Stadtschreiber der Stadt Bern, hat die Einschätzung Kühnis ebenfalls zur Kenntnis genommen. Eine Lehre aus dem Fall sei, dass die Vertreter des Stimmausschusses künftig mehr als kritisch eingestufte Stimmzettel aussortierten und durch scannbare Duplikate ersetzten. Wichtermann sagt, dass die Stadt Bern an der computergesteuerten Auszählung festhalten wird.



Das könnte Sie auch interessieren