23.03.2016, 15:03 Uhr

Mit Schweizer Technik gegen Plagiate

Mit Sicherheitsmarkierungen auf einem Spezialmaterial, das die Tägerwiler Swiss Authentication Research and Development AG (Sard) entwickelt hat, soll die Echtheit von Produkten eindeutig nachweisbar sein, respektive Plagiate entlarven.
Laut Internationaler Handelskammer (ICC) belief sich der Warenwert, der 2014 weltweit mit gefälschten Produkten umgesetzt wurde, auf 650 Milliarden US-Dollar. Die Plagiate verursachen aber nicht nur einen enormen wirtschaftlichen Schaden, sondern können auch gefährlich sein – beispielsweise wenn es sich um Medikamente oder Autoteile handelt. Sicherheitsmarkierungen sollen hier Abhilfe schaffen und die Originale eindeutig identifizierbar machen, werden jedoch mittlerweile selbst oft gefälscht. Die Swiss Authentication Research and Development AG (Sard) hat daher nun eine spezielle, Lanthanoid-basierte Substanz für Sicherheitsmarkierungen entwickelt, die dank eines speziellen Kristallgitters Herstellerangaben zufolge vollkommen fälschungssicher ist. Sie verfügt damit über eine Zusammensetzung, die nur mit einem eigens für diese Anwendung entwickelten Laser-Messgerät detektiert und dechiffriert werden kann. Die Substanz, die sogar in Glas eingebracht werden kann, lasse sich auch durch Reverse Engineering nicht nachbauen und verfüge zudem über einen Datenspeicher, mit dem etwa Produkte oder Regionen durch individuelle Codes unterschieden werden können, heisst es in einer Mitteilung des Thurgauer Unternehmens. «Die Sard-Substanz wird ausschliesslich im firmeneigenen Labor in einem speziell von uns entwickelten und für uns gebauten Reaktor unter höchster Geheimhaltung hergestellt. Sie enthält eine kundenspezifische Mischung aus Lanthanoiden, also Oxisulfiden und Oxifluoriden, die ein sehr komplexes, hochkovalentes und dotiertes Kristallgitter bilden», erläutert Dieter Ebert, CTO bei Sard. Bei der Produktion würden in einem patentierten Dotationsverfahren zu einem definierten Zeitpunkt Fremdstoffe in kleinsten Mengen hinzugefügt. Dabei handelt es sich laut Hersteller um 3d- und 4d-Übergangsmetalle, Halbleiter oder andere komplexe Verbindungen, die das Emissionsspektrum massgeblich verändern. Durch Anregung im UV- (Ein-Photon-Prozess) oder IR-Bereich (Zwei-Photonen-Prozess) sendet die Substanz die kundenspezifischen optischen Spektren aus. Diese sind in einem zugehörigen Detektor, der von SARD eigens für diese Anwendung entwickelt wurde, hinterlegt und werden nur von diesem erkannt.

«Unkaputtbare» Substanz

Alle Mischungen der Substanz sind laut Sard stabil bei Temperaturen bis weit über 1700 °C, unempfindlich gegen Säuren, Basen und Strahlung, chemisch hochresistent bei korrosiven Stoffen sowie toxikologisch unbedenklich. Die Partikel, die in der Regel eine Grösse von etwa 1 bis 10 µm aufweisen, gehen zudem keine Wechselwirkungen mit anderen Stoffen ein. Darüber hinaus ist ein entscheidender Vorteil des Materials, dass sich das Herstellungsverfahren aufgrund der künstlich geschaffenen Emissionsspektren nicht nachahmen lässt: «Durch die Dotation werden Spektren generiert, bei denen nicht mehr bestimmt werden kann, welche Elemente beteiligt sind. Daher ist ein Nachbau der Substanz durch Reverse Engineering nicht möglich», so Ebert. Auch über eine chemische Analyse der Substanz, beispielsweise eine Röntgenstrukturanalyse, seien keine vollständigen Rückschlüsse auf die Funktionalität möglich. Beim Entwurf des Laser-Messgeräts für die Detektion der Sicherheitsmarkierung wurde ebenfalls auf Präzision und Sicherheit geachtet. «Es besteht unter anderem aus einem Sensor-Messkopf mit optischem Lichtwellenleiter, je nach Ausführung aus einer oder mehreren peltier-temperaturstabilisierten Laserquellen inklusive elektronischer, prozessgesteuerter Regelung, einem digitalen Präzisionsspektrometer mit gesupertem CCD-Chip und Antireflexions- sowie Order-Sorting-Filtern und einem hochauflösenden Grafik-Display mit Controller», erklärt Ebert. Zudem verfügt es über eine eigene Software mit Mess-Algorithmen sowie über ein eigenes, somit virenfreies Betriebssystem mit variablen Schnittstellen und nutzt für Algorithmus und Kryptographie die FPGA-Technologie. Nächste Seite: Schlüssel-Schloss-Prinzip

Schlüssel-Schloss-Prinzip

Ein wesentlicher Faktor für die Gewährleistung der Fälschungssicherheit sei zudem, dass das Auslesen beziehungsweise Auswerten der Markierung durch das Messgerät nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip erfolgt: «Die beiden unabhängigen Emissionsspektren der kundenspezifischen Substanz dienen als Schlüssel. Sie werden von den beiden unabhängigen Lasersystemen des Detektors mit 405 und 980 nm angeregt und von 390 bis 950 nm mit einer Auflösung von 0,2 nm gemessen», so der CTO. «Die Dekodierung erfolgt mit im Gerät gespeicherten, kryptographisch verschlüsselten Informationen. Diese fungieren somit als Schloss.» Nur wenn die richtige Substanz erkannt wird, zeige ein geschützter Algorithmus (Interpretor) die kundenspezifische Information auf dem Display des Detektors an. Diese Funktion gewährleistet laut Hersteller eine hochsichere Authentifizierung. Zur eindeutigen Identifikation der Originalsubstanz trägt bei, dass die Emissionsspektren dabei nicht nur nach den Kategorien Pattern, Peak und Single Peak ausgewertet werden. Der Detektor verfügt zusätzlich über die Funktion Fading: «Nach dem Ausschalten der Laserquelle fällt das Signal, dass die Substanz aussendet, innerhalb einer gewissen Zeit in sich zusammen. Mit Fading kann überprüft werden, wie schnell ein Impuls beim Abschalten der Quelle gegen Null geht oder wie zwei Peaks im Verhältnis zueinander abfallen», erläutert der Experte. So kann eindeutig bestimmt werden, ob es sich um eine Originalsubstanz von Sard handelt oder um eine Fälschung, die lediglich ähnliche Peaks produziert. Das Messgerät kann ausserdem alle Messmethoden miteinander vergleichen: Nur wenn Muster, Peaks, Digitalisierung des Signals und Fading eindeutig mit der Originalsubstanz übereinstimmen, erfolgt die Freigabe des Produkts.

Keine Fälschung durch Abkratzen

Die Substanz kann in verschiedenen Druckverfahren oder Herstellungsprozessen angewendet werden, lässt sich mit Hilfe eines Trägerstoffes in der richtigen Konzentration untrennbar auf das Zielprodukt auf- oder sogar in das Material einbringen und eignet sich für unterschiedlichste Werkstoffe: «Bei Kunststoffen arbeiten wir mit Masterbadges, bei Glas wird die Substanz direkt zur Glasschmelze gegeben», erklärt Ebert. Farben wird die Substanz einfach in einer zuvor berechneten Konzentration und mit der erforderlichen Partikelgrösse beigemischt. Bei Metall gibt es dagegen sowohl die Möglichkeit, die Substanz auf Aluminiumoxidbasis aufzubringen, als auch mit einer Farbmarkierung oder durch die Anbringung von speziellen Etiketten. «In vielen Fällen ist die Einbringung in ein bereits bestehendes Firmenlabel beziehungsweise Etikett die einfachste und unkomplizierteste Lösung», so Ebert. Ausserdem überprüft Sard die Konzentration der Substanz. Daher ist es nicht möglich, sie einfach abzukratzen und auf ein neues Produkt aufzutragen: «Die Substanz ist auf dem Trägermaterial stets in einer Konzentration von 1000 bis 3000 ppm vorhanden. Wird beim Test die richtige Konzentration nicht erreicht, ist von einem gefälschten Produkt auszugehen, selbst wenn das richtige Emissionsspektrum vorliegt», erläutert der CTO.

Moleküle mit Datenspeicher

Darüber hinaus können Daten mit einer Grösse von bis zu mehreren MB auf einem Molekül der Substanz gespeichert werden, das mit 0,2 nm digital gesampelt worden ist. Mit Hilfe dieses Speichers können Kunden, Produkte oder Regionen durch individuelle Codes unterschieden werden. «Der aufwändigste Code, den wir so entwickelt haben, war für eine militärische Anwendung, bei der verschiedene biometrische Daten in einer Zahnfüllung gespeichert wurden», erklärt Ebert. Die Informationen können nicht mehr verändert, sondern nur noch durch enorme Hitze zerstört werden. Somit könnten sich Nutzer der Sicherheitsmarkierung sicher sein, dass Fälschungen bei der Prüfung mit dem Sard-Detektor zuverlässig aufgedeckt würden.



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