08.12.2011, 11:12 Uhr

Auch Cyberkriminelle profitieren von HTML 5

Ist der Anwender künftig bereits hinter feindlichen Linien, wenn er lediglich den Browser startet? Der HTML-5-Standard bringt nicht nur Vorteile für User sondern auch ganz neue Angriffsmöglichkeiten für Cyberkriminelle.
HTML5-Begeisterte warten bereits sehnsüchtig auf den finalen Schliff der Auszeichnungssprache. Viele der neuen Möglichkeiten werden schliesslich aus gutem Grund bereits in der täglichen Praxis eingesetzt: Noch nie war es einfacher, interaktive, multimediale und sehr dynamische Internetangebote ohne Drittlösungen umzusetzen. Doch leider hat auch HTML5 eine Kehrseite, wie die Security-Experten von Trend Micro mitteilen. Nicht nur Webentwickler, sondern auch Cyberkriminelle profitieren von den zahlreichen Features, die es vorher so im Browser nicht gab. Das betrifft in erster Linie neuartige Botnetze, deren Client-seitige Malware direkt aus dem Browser heraus in den Hauptspeicher geschrieben wird und die somit keine lokalen Dateien mehr in den Rechner einschleusen muss.

Dieser Angriffsvektor funktioniert auf jedem Betriebssystem und jedem Endgerät und umschifft ganz nebenbei auch die meisten Anti-Malware-Lösungen, die oft nur die lokalen Verzeichnisse nach Schädlingen absuchen. Da der bösartige Code als JavaScript implementiert ist, das sich technisch gesehen mit wenig Mühe verschleiern lässt, tun sich auch ID/IP-Systeme (Intrusion Detection/Prevention Systems) schwer, die auf das Erkennen von Einbruchsversuchen in Netzwerken spezialisiert sind. Eine gängige Firewall hilft ebenfalls nicht weiter, weil die Malware direkt im Browser ausgeführt wird, der wiederum die entsprechenden Zugriffsrechte auf das Internet bereits besitzt.
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Was die Cybergangster im Waffenschrank haben

Die Gefahren, die von den Browser-basierten Botnetzen ausgehen können, sind vielfältig:
  • DDoS-Attacken: Tausende von Anfragen können ohne Wissen des Nutzers an eine Ziel-Website geschickt und diese dadurch lahm gelegt werden.
  • Spamming: Unzureichend gesicherte Kontaktseiten von Websites lassen sich zur Erzeugung von Spam-Nachrichten missbrauchen.
  • Bitcoin-Generierung: Die infizierten Rechner lassen sich als Generatoren zur Berechnung von Bitcoins; der beliebtesten Währung des cyberkriminellen Untergrunds, zweckentfremden.
  • Phishing: Mittels «Tabnabbing» kann das Botnetz Registerkarten («Tabs») im Browser des Anwenders kapern und ihr Aussehen beliebig gestalten. Dadurch ist es möglich, dem ahnungslosen User jedes Mal, wenn er auf die infizierte Registerkarte klickt, eine Eingabeaufforderung zu einem von ihm genutzten Webdienst vorzutäuschen. Gibt er seine Zugangsdaten ein, fallen seine Webdienst-Konten (respektive Online-Banking-Accounts) in die Hände der Kriminellen.
  • Netzspionage: Das Botnetz ist in der Lage, im Netzwerk des Opfers nach Sicherheitslücken zu forschen und die Ports zu scannen.
  • Netzwerke als Proxy: Mit dem Botnetz können die Kriminellen im Cyber-Untergrund Angriffswege verschleiern und Attacken über die infizierten Netzwerke leiten. Der Ursprung der Angriffe ist dadurch kaum noch auszumachen.
  • Verbreitung: Die Cyberkriminellen können in das Botnetz zusätzlich eine Wurmkomponente einfügen, die sich dann auf angreifbaren Websites verbreitet.
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Mittelfristig sind umso mehr ähnlich intelligent gelagerte, zielgerichtete Attacken zu erwarten, je stärker der Browser selbst zum Betriebssystem wird. Auch dank HTML5-Features wie FileRead und FileWrite, die sich noch in der Entwicklung befinden, vergrössert sich der Einfluss des Browsers innerhalb der lokalen Clients immer weiter. Stephanus Schulte, Technical Evangelist für Windows und den Internet Explorer bei Microsoft, ist sich sicher, dass die Browser-Hersteller mithelfen müssen, ganzheitliche Sicherheitskonzepte für lokale Clients zu entwickeln. Es dürfe keine Browser-Lösungen mehr geben, die nicht bereits während des Codings die möglichst vollständige Vermeidung potenzieller Schwachstellen für sich als absolutes Hauptziel in Anspruch nähmen.

«Wir appellieren aber auch jetzt schon an unsere Unternehmenskunden, sich eine grundlegende Browser-Strategie zu überlegen» , berichtete Schulte jüngst im gegenüber unserer deutschen Schwesterpublikation Computerwoche. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen wie Microsoft (IE), Apple (Safari), Google (Chrome) und der Mozilla Foundation (Firefox) gestalte sich seit vielen Jahren produktiv, was die gegenseitige Unterstützung in der Entwicklung sicherer Browser betreffe. Steigerungspotenzial ist nichtsdestotrotz immer da. Um sich vor Browser-basierten Botnetzen einigermassen sicher zu fühlen, sollten zumindest alle Firefox-Anwender das Browser-Plug-in NoScript installieren. Dieses schränkt die Funktionsweise von JavaScript auf nicht vertrauenswürdigen Websites ein und versucht so, bereits das Server-seitige Laden des Schadcodes zu verhindern.



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