01.03.2017, 14:39 Uhr

Neuer US-Telekomaufseher hält strikte Netzneutralität für falsch

Gefahr für die Netzneutralität in den USA. Die Ernennung des neuen FCC-Chefs durch US-Präsident Donald Trump lässt nichts Gutes ahnen.
Die USA stehen vor der Abschaffung ihrer strikten Regeln zur Netzneutralität, nach denen alle Daten gleich behandelt werden müssen. Der neue Chef der US-Telekomaufsicht FCC, Ajit Pai, lässt keinen Zweifel daran, dass er die Gleichsetzung von Internet-Anbietern mit Versorgern kippen will.
«Zwei Jahre später ist offensichtlich, dass die FCC einen Fehler gemacht hat», sagte Pai am Dienstag auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Der Hintergrund: Vor zwei Jahren setzte die US-Telekomaufsicht FCC Internet-Anbieter mit Versorgern gleich und schrieb damit die Netzneutralität fest. Dies will Pai nun rückgängig machen. Diese Entscheidung im Heimatmarkt der grossen Internet-Unternehmen könnte weltweit tonangebend sein. In einer weiteren Wende will Pai auch nicht gegen das sogenannte «Zero Rating» vorgehen - die Möglichkeit für Netz-Anbieter, Online-Dienste aus der Berechnung des Datenkontingents herauszunehmen. Damit würde zum Beispiel die Nutzung eines bestimmten Musik-Angebots wie Spotify nicht das Inklusiv-Volumen eines Mobilfunk-Vertrags verbrauchen.

Verzerrter Wettbewerb

Kritiker argumentieren, das könne den Wettbewerb zwischen den Online-Diensten verzerren. «Die Wahrheit ist, Verbraucher lieben es, etwas gratis zu bekommen», sagte Pai dazu in Barcelona. Er werde nicht kostenlose Datendienste verweigern oder zu alten Regulierungsinstrumenten greifen. Die US-Telekomaufsicht hatte unter dem vorherigen FCC-Chef Tom Wheeler noch Anfang Januar den Telekom-Riesen AT&T wegen eines «Zero-Rating»-Angebots ins Visier genommen, weil Inhalte aus dem eigenen Haus gegenüber Konkurrenz-Angeboten bevorzugt worden seien. Der von Präsident Donald Trump ernannte Behördenleiter Pai beendete die Untersuchung. Zugleich versicherte Pai, er stehe für ein «offenes und freies Internet». Er sei aber auch für eine «Regulierung mit leichter Hand» - wie sie bis vor zwei Jahren auch üblich gewesen sei. Die strikte Umsetzung der Netzneutralität in den USA war von der Online-Industrie begrüsst worden, während einige Netzbetreiber dagegen vor Gericht zogen.

Gefahr benachteiligter Anbieter

Internet-Firmen befürchten, dass eine Lockerung der Netzneutralität einige Anbieter benachteiligen könnte. Die Netzbetreiber beschweren sich unter anderem, dass Online-Dienste wie Videoplattformen für gewaltigen Datendurchsatz sorgen, wodurch sie noch mehr Geld in Netze stecken müssten. Nachdem Pai von der Bühne kam, reihten sich Vertreter von US-Telekomanbietern auf, um ihm zum Auftritt zu gratulieren. Pai war als Mitglied der FCC (Federal Communications Commission) schon 2015 gegen die Gleichsetzung mit Versorgern und hat seine Meinung auch nicht geändert. Die Entscheidung der FCC habe Unsicherheit in die Märkte gebracht, «und Unsicherheit ist ein Feind von Investitionen», sagte er. Dadurch habe es den ersten Rückgang der Breitband-Investitionen ausserhalb einer Depression gegeben. Er wolle Anreize schaffen, damit das Geld wieder lockerer fliesse, insbesondere da jetzt massive Investitionen in den neuen 5G-Datenfunk dringend nötig seien. Denn niemand könne gezwungen werden, Netze zu bauen oder Risiken einzugehen. Der Auftritt in Barcelona brachte auf einer Bühne Vertreter der beiden wichtigsten Telekom-Regulierer der Welt zusammen: Neben Pai sprach auch der Vize-Chef der EU-Kommission Andrus Ansip. Er betonte, dass Europa beim Aufbau der 5G-Ökonomie eine starke Rolle spielen wolle. «Als 4G aufkam, kamen wir nur langsam voran. Wir wollen diesen Fehler nicht bei 5G wiederholen.» Zugleich verwies Ansip darauf, dass es immer noch keine fertigen 5G-Standards gebe. Niemand dürfe bei der Entwicklung aussen vor gelassen werden, mahnte er.



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