ETH Zürich 07.02.2017, 14:30 Uhr

Mit «Big Data» bewaffnete Konflikte vorhersagen

Mit modernen Methoden der Datenwissenschaften kann die Konfliktforschung das Risiko für Kriege berechnen. Die Macht der Algorithmen, bewaffnete Konflikte vorherzusagen, werde allerdings oft überschätzt, schreiben ein ETH-Forscher und sein Kollege von der Uni Konstanz im Fachblatt «Science».
Mit «Big Data» lassen sich bewaffnete Konflikte immer genauer vorhersagen, glauben einige Experten. Lars-Erik Cedermann von der ETH Zürich und Nils Weidmann von der Uni Konstanz warnenin einem Fachartikel in der neuesten Ausgabe des Fachmagazins «Science» jedoch vor überzogenen Erwartungen.
Risiken für Krisen liessen sich tatsächlich früh erkennen, sagte Cedermann in einem Interview der ETH News. «Ein grosses Risiko besteht beispielsweise in Regionen, wo ethnische Gruppen unterdrückt werden. Von Syrien etwa wusste man schon lange vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges, dass die Situation dort sehr prekär war.»

Ähnlich wie Erdbeben-Vorhersage

Man könne zwar mithilfe der Datenwissenschaften fundierte Risikokarten erstellen, Konflikte seien aber enorm komplex und der Zeitpunkt und Ort ihres Ausbruchs liesse sich kaum vorhersagen. In dieser Hinsicht sei die Konfliktforschung der Erdbebenforschung ähnlich, so Cedermann. Wertvoll seien datenwissenschaftliche Methoden aber dennoch, um die Analyse nationalistischer Entwicklungen und konfliktträchtiger Situationen zu erleichtern. Derzeit werde dies mehrheitlich manuell durch Analyse von Schlüsselwörtern in Medienberichten gemacht. «Computerprogramme, welche die Bedeutung von Texten erfassen können, können beispielsweise eine Vorauswahl von Presseartikeln treffen und so die Analyse beschleunigen. Somit wären schnellere Aussagen zu politischen Entwicklungen möglich», erklärte Cedermann. Nächste Seite: Es braucht weiterhin den Mensch Die Hoffnung mancher Experten, dass sich die Analyse von komplexen Konfliktverläufen gar vollständig automatisieren liesse, hält der ETH-Forscher allerdings für verfrüht. Eine Hürde sei beispielsweise, dass es für viele in der Konfliktforschung wichtige Sprachen bisher keine Sprach-erkennenden Computerprogramme gebe.

Es braucht weiterhin den Menschen

«Ausserdem braucht es den Menschen, der die Medienquellen auswählt, so der Konfliktforscher. Man müsse auch berücksichtigen, dass die Medien in vielen Regionen nicht unabhängig seien und eine unreflektierte Auswertung ein verzerrtes Bild ergeben würde. Ebenso sei bei der Auswertung sozialer Medien Vorsicht: In vielen Regionen, wo Konflikte besonders wahrscheinlich sind, sei das Internet zensiert und nur einer Minderheit zugänglich. «Als Konfliktforscher werden wir so schnell nicht arbeitslos», ist Cedermann gemäss des Interviews überzeugt. Eine wertvolle Unterstützung seien datenwissenschaftliche Methoden aber auf jeden Fall. So befasse er sich beispielsweise in seiner Forschung mit der Situation in Burma, wo ein Grossteil der Menschen nicht mit dem Internet verbunden ist. Die Ansichten der Bevölkerung müssten daher zwar weiterhin durch Umfragen erfasst werden. Aber die Auswertung von Satellitendaten erlaube, Rückschlüsse auf wirtschaftlichen Wohlstand und Ungleichheit zu ziehen. Damit liessen sich auch kurzfristige Entwicklungen sehr viel schneller erfassen als mit offiziellen Statistiken.



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