Michael Dell 21.10.2016, 22:54 Uhr

«digitale Angst» in der Schweiz

Global und besonders in der Schweiz geht die «digitale Angst» um. Die Digitalisierung stellt die traditionellen Firmen vor grosse Herausforderungen, sagte Dell-CEO Michael Dell.
Beim Technologielieferanten Dell dreht sich alles um die Standardisierung. Der Konzern setzt konsequent auf industrialisierte Komponenten, die beliebig austauschbar und beliebig skalierbar sind. Dieses Modell sieht Dell auch als zukunftsweisend für seine Kunden an: In den Anwenderunternehmen wird der Informatik eine vollkommen neue Rolle zukommen. Sie wird vom reinen Backoffice-Lieferanten zum Broker von IT-Ressourcen – und zum Motor für neue Geschäftsmodelle. Dafür braucht es nach den Worten von Firmengründer Michael Dell eine Infrastruktur, die standardisiert und eng mit externen Ressourcen in der Cloud verzahnt ist. Nur so werden die Firmen die Herausforderungen der digitalen Transformation meistern können, sagte Dell an der «Dell EMC World» in Austin (US-Bundesstaat Texas).

Grosse «digitale Angst» in der Schweiz

Die Herausforderungen sind akut, so der Firmengründer. Es gehe die «digitale Angst» («digital fear») um in den Anwenderunternehmen. Glaubt man einer von Dell finanzierten Studie des Marktforschungsunternehmens Vanson Bourne, ist die Zeit zum Handeln gekommen: Von 4000 weltweit befragten Führungskräften glaubt fast die Hälfte (45 Prozent), dass ihr Geschäftsmodell in drei bis fünf Jahren obsolet ist. Die Manager in der Schweiz sehen die Situation als noch viel prekärer an: 60 Prozent erkennen eine reale Gefahr für ihr aktuelles Business. 
Auch wenn die «digitale Angst» in der Schweiz besonders gross erscheint, stehen Schweizer Konzerne doch im weltweiten Vergleich einigermassen gut da. Der von Vanson Bourne errechnete «Digital Transformation Index» liefert einen Wert von 40 (maximal 100). Der europäische Durchschnitt liegt bei 41, Weltmeister Indien verzeichnet auch lediglich 53 Indexpunkte. Auf den Index setzt sich zusammen aus der Anzahl umgesetzter digitaler Initiativen, passender IT-Strategien, Performance-Benchmarks und Zukunftsinvestitionen.  Jedoch: Auch der weltweite Spitzenreiter Indien kann sich auf seinen 53 Punkten ausruhen, die Schweiz natürlich ebenfalls nicht, sagt Vanson Bourne. Das wissen 63 Prozent der Inder und die erwähnten 60 Prozent der Schweizer Führungskräfte.  Nächste Seite: Server für Smartphones  Der erste Schritt in die digitale Zukunft ist für viele Unternehmen die Implementierung einer Hybrid Cloud, glaubt Dell. Der Technologielieferant anerkennt (und verdient gut daran), dass es sensible Workloads gibt, die das unternehmenseigene Rechenzentrum nicht verlassen dürfen. Bei anderen könne durchaus die Cloud als IT-Liefermodell gewählt werden. Auch an diesen Infrastrukturen verdient Dell mit, setzen doch einige grosse Provider auf die Hardware des US-Lieferanten. 
Die Kombination von IT-Infrastruktur On-Premises und der Cloud genügt laut Dell aber längst noch nicht, um von einer Hybrid Cloud zu sprechen. «Hybrid Cloud wird inflationär benutzt. Wirklich hybrid sind nur Infrastrukturen mit gemeinsamen Software-Komponenten und einheitlicher Management-Konsole», sagte Rodney Rogers, CEO und Mitgründer von Virtustream. Die heutige Dell-Tochter bietet (natürlich) genau diese Technologie an, VMware und Microsoft künftig mit Azure Stack (unter anderem auf Dell-Hardware) ebenfalls. Den Anwenderunternehmen will Dell mit einem Drei-Phasen-Plan bei der Digitalisierung von IT und Geschäft helfen: Modernisieren ist die erste Phase, Automatisieren die zweite und Transformieren schliesslich die dritte. Für alle Anforderungen will der Konzern, insbesondere nach der Übernahme vom EMC neu marktführende Lösungen im Portfolio haben. David Goulden, President der Infrastructure Solutions Group, nannte etwa VxRail und VxRack mit PowerEdge-Servern (Modernisierung), VMware (Automatisierung) sowie Virtustream (Transformation) als passende Lösungen.

Kein Smartphone von Dell

Laut Michael Dell klafft im Portfolio des neu grössten privaten IT-Anbieters bewusst eine Lücke bei den Mobilgeräten. «Die Welt braucht keinen weiteren Anbieter von Smartphones», sagte er auf Nachfrage von Analysten. Dell sei jedoch mit Management-Lösungen wie VMware AirWatch in vielen Unternehmen durchaus ein fester Bestandteil der Mobil-Infrastrukturen. Ausserdem nutzt Dell der Smartphone-Boom auf der Seite der Mobilfunk-Provider und Medienkonzerne. «Die Smartphones spielen ihr Potenzial erst aus, wenn sie mit Apps beladen werden», sagte Dell. Die Apps stammten aus Rechenzentren, Inhalte stammten ebenfalls aus Rechenzentren und werden dahin auch wieder hochgeladen. Da sowohl der App- als auch der Medienkonsum exponentiell steige, benötigten Rechenzentrumsbetreiber immer neue Hardware. Diese liefere sein Unternehmen, sagte Dell. Nächste Seite: Teleportieren mit Dell Auch im zukunftsträchtigen Markt der Wearables fehlen bis anhin Produkte von Dell. Dem Konzern gehört zwar auch die Gamer-Marke «Alienware». Dort setzt man aber auf Schnittstellen für die marktführenden Systeme von Oculus VR und HTC. Wie Alienware-Mitgründer Frank Azor an der Dell-Hausmesse sagte, wünscht er sich nichts mehr als das Teleportieren. Augmented und Virtual Reality sei für ihn nichts anderes, denn die Gamer würden von der Technologie direkt in die künstliche Spielewelt hineinversetzt. «Virtual Reality hat heute ein ähnlich disruptives Potenzial wie in den 90-er Jahren das Internet», sagte Azor, heute General Manager Alienware and XPS bei Dell. 
In der neuen Rolle setzt sich Azor gemeinsam mit seinem Chef Jeff Clarke, Vice Chairman und President Client Solutions, mit den Geschäftsanwendungen für Augmented und Virtual Reality auseinander. Die Technologie finde bereits heute Anwendung im Gesundheitswesen, der Immobilienbranche, der industriellen Fertigung und dem Support. Clarke äusserte sich überzeugt, dass Virtual Reality schnell grossflächig Einzug ins Business halten wird. Auch für Dells globale Support- und Trainingsorganisationen sei die Technologie eine Option.

Übertakten mit Dell

Unterdessen auch im Business von Dell angekommen ist eine weitere Technologie, die ursprünglich für den Endverbraucher-Markt entwickelt wurde: die Flüssigkeitskühlung. Nach Aussage von David Moss, CTO Systems Engineering, forscht der Konzern zwar schon seit drei Jahren an der Flüssigkeitskühlung für Computersysteme. Bis anhin habe es aber erst eine Lösung durch den industriellen Prozess bei Dell geschafft. 
Das «Triton»-System hatte der US-Computerkonzern bereits im Juni dieses Jahres lanciert. Es besteht aus einem geschlossenen Rohrsystem mit Pumpen und Schleusen an kritischen Stellen, etwa bei der Flüssigkeitszuführung auf der Rack-Rückseite. Sensoren an sensiblen Bauteilen alarmieren den Administrator, wenn doch ein Leck entstanden ist und sorgen für das automatische Herunterfahren des Servers. Nach Aussage von Julie Metting, Senior Product Consultant Extreme Scale Infrastructure, kann Triton mit Abwasser betrieben werden. Das Online-Auktionshaus eBay ist einer der Kooperationspartner: Die Ingenieure müssen für die Suchmaschine für global über 900 Millionen eingestellten Artikel viel CPU-Leistung bereitstellen. Indem sie die Triton-Systeme übertakten, können sie viel Kosten für zusätzliche Hardware einsparen. Dabei setzen sie noch ein Pilotsystem ein, dass bald aber den Standardisierungsprozess von Dell geschafft haben dürfte, sagte sie.



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