05.09.2006, 09:56 Uhr

Quo vadis Qualitätsmanagement?

Standards, Vorgehensmodelle und Beurteilungsmodelle für das Qualitätsmanagement können ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn dem Mensch im System Unternehmung die gebührende Achtung in Form von Respekt, Wertschätzung, Sicherstellung der persönlichen Integrität und Vertrauen durch die anderen Teilnehmer entgegengebracht wird.
Hans-Peter Pfister ist Process- & Quality Executive im bereich System- und Prozessmanagement bei Helsana Versicherungen.
ISO-Normen und Vorgehensweisen wie TQM, Business-Engineering und Re-Engineering sowie Prozess-zentriertes Arbeiten, Maturitäts-Modelle wie SPICE, CMM, CMMI, wie auch das Modell EFQM für Business Excellence sind alles nur Hilfsmittel zur Definition und Implementation eines Qualitäts-Management-Systemes und für dessen kontinuierliche Verbesserung. Der Mensch, mit seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen als der zentrale Teil in einem qualitätsorientierten System, geht dabei vollständig unter.
Die erwähnten Standards, Vorgehensmodelle und Beurteilungsmodelle können ihre vorgesehene Wirkung nur dann erreichen und entfalten, wenn dem Mensch im System Unternehmung die gebührende Achtung in Form von Respekt, Wertschätzung, Sicherstellung der persönlichen Integrität und Vertrauen durch die anderen Teilnehmer im System entgegengebracht wird. Dies setzt auch eine radikale Veränderung, gegenüber der aktuell immer noch weit verbreiteten Betrachtung des Menschen als Ressource wie Werkzeuge und Material, voraus. Alle Partner im System sollen mit mehr Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Unvoreingenommenheit den täglichen Umgang pflegen. Die verantwortlichen Führungskräfte müssen auch anerkennen, dass nicht nur Menschen mit einer akademischen Ausbildung gute Ideen und ein Potenzial zur Förderung haben. Eine Unternehmung muss sich darauf konzentrieren, das gesamte geistige Kapital innerhalb des Systems kontinuierlich aktiv zu halten und zu fördern. Bezüglich einem akademischen Diplom sei hier die Bewertung von Walter Deming (1900 - 1993) zitiert: «Ein Diplom bestätigt, dass der Inhaber desselben seine Fähigkeit zum lernen bewiesen hat.»
Alle normal gesunden Menschen sind fähig zu lernen und sind auch bereit, über ihre Ideen zu reden, sofern ihnen die Chance dazu eröffnet wird. Die besten und günstigsten Berater einer Unternehmung sind deren Mitarbeiter, sofern die Unternehmensführung dies durch das Schaffen des Klimas der Qualität aktiv fördert. Es darf von der erwiesenen Grundlage ausgegangen werden, dass ein Mitarbeiter, unabhängig von Rang und Ausbildung, grundsätzlich auf seine Arbeit stolz sein und damit auch klar auf das Erbringen qualitativ hochwertiger Leistungen zugunsten seiner Unternehmung ausgerichtet sein möchte.
Das Schaffen des Nährbodens, der das Entstehen und Wachsen eines qualitäts-orien-tierten Systems zulässt, braucht Voraussetzungen, die im sehr einseitigen und auf Kurzfristigkeit ausgelegten System der Zufriedenstellung des Aktionariates, mehrheitlich nicht vorhanden sind. Es sind Elemente, die auf den langfristigen Erfolg der Unternehmung zielen und nur mit sehr viel Engagement, Hartnäckigkeit, Glaubwürdigkeit und Weitsicht der Unternehmensführung erreicht werden können. Diese Grundbedingungen sind folgende:
o Kein Dulden einer Kastengesellschaft, gute Ideen können auch von nicht akademisch ausgebildeten Mitarbeitern kommen.
o Schaffen eines Klimas des Vertrauens, was mit bescheidenem und ehrlichem Auftreten des Kaders, dem Übertragen von Verantwortung und Kompetenzen, sowie Respekt und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern erreicht werden kann.
o Abschaffen individueller Bonussysteme die der systemisch orientierten Zielerreichung entgegenwirken. Konkurrenzdenken zur Förderung der individuellen Zielerreichung ist für eine Unternehmung tödlich.
o Sicherstellen einer gesunden Durchmischung erfahrener mit weniger erfahrenen Berufsleuten.
o Verhindern hierarchisch zementierter Organisationsstrukturen, die nur ein archaisches Führen ermöglichen.
o Das Management versteht sich als Förderer für das erfolgreiche Wirken selbstgesteuerter Teams.
Wird in einem Unternehmen dieser Nährboden geschaffen oder dessen Notwendigkeit erkannt und mit der Umsetzung begonnen, dann erst lohnt sich das Investieren in beispielsweise eine CMMI Initiative oder ähnliches.
Denn aus diesen über einige Jahre laufenden Arbeiten und Investitionen lässt sich nur durch das kontinuierliche und ehrliche Einbinden der Mitarbeiter, das für das Gelingen notwendige qualitativ hochwertige, überzeugende und unermüdliche Engagement erreichen.



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