27.02.2014, 15:59 Uhr

Dank ETH-Technik zum Musik-Virtuosen

Endlich besser musizieren? ETH-Forscher zeigen mit Hilfe von Sensoren an echten Musikinstrumenten, wie man besser übt und sich zum Superstar entwickelt.
Profimusiker, allen voran Solistinnen und Solisten, sind Hochleistungssportler. Mit scheinbarer Leichtigkeit entlocken sie ihrem Instrument wunderschöne Klänge, aber diese Leichtigkeit ist hart erkämpft – mit stundenlangem Üben, bis auch die virtuosesten Stücke mit atemberaubender Geschwindigkeit fehlerfrei klingen. Musiker klagen dabei oft über Schmerzen in Fingern, Schultern, Gelenken und im Rücken, und versuchen mit Akupunktur, Medikamenten, Massagen oder Physiotherapie, den typischen Musikerleiden beizukommen. Die Ursachen zu finden und zu beheben, erweist sich oft als schwierig, da sie von aussen kaum sichtbar und für den Spielenden selbst oft schwer zu bestimmen sind. Beispielsweise könnte der Druck eines Fingers auf die Saite einer Violine unnötig stark angesetzt, oder die Geige ungünstig und daher verkrampft unter das Kinn eingeklemmt sein.

«Über die Interaktion eines Musikers mit seinem Instrument gibt es bislang kaum Messdaten», erklärt Tobias Grosshauser, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Gerhard Tröster, Professor am Institut für Elektronik der ETH Zürich. Insbesondere für die Musikermedizin wären diese Daten jedoch sehr hilfreich, um die Ursache von Schmerzen zu identifizieren.

Effizienteres Üben dank Software-Feedback

Deshalb entwickeln Grosshauser und seine Kollegen Sensorsysteme, die in Instrumente integriert Druck und Position der Berührungspunkte messen. Auch die Haltung des Musikers, der Winkel des Arms, die Position der Hand und wie synchron die rechte und die linke Hand ihre jeweilige Aufgabe ausüben, können die jeweiligen Druck-, Positions- und Beschleunigungs-Sensoren messen. Über einen Sender werden die Daten an einen Computer übermittelt. Die Software verarbeite die Messdaten und generiere ein Feedback für den Musiker, das dabei helfe, eine optimale Technik zu entwickeln und effizienter zu üben, erklärt Grosshauser. Eine App für Tabletcomputer oder Smartphones existiert bereits. Sie bildet die Messdaten als Kurven ab und warnt mit rotem Signal, beispielsweise wenn ein Musiker die Finger zu stark auf die Saiten der Violine drückt.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Musikhochschulen, unter anderen der Zürcher Hochschule der Künste und der Hochschulen für Musik in Nürnberg und München, testeten Grosshauser und sein Team, wie empfindlich die Technologie beispielsweise die Position eines Fingers misst. Bereits feinste Bewegungen, wie Musikerinnen sie bei einem sanften Vibrato auf der Geige ansetzen, bildet die Software hochgenau ab. Nächste Seite: Optimierung des Zusammenspiels

Interessant sind diese Daten auch für die Frage, wie synchron die Mitglieder eines Ensembles spielen. Zu diesem Zweck rüsteten die Forschenden mehrere Musiker mit sensorbestückten Instrumenten aus und erfassten ihr Zusammenspiel in der Gruppe.

Müdigkeitswarner für Musiker

Auch Ermüdung beim Üben erkennen Sensoren und Software, zum Beispiel daran, dass die Geige nicht mehr korrekt gehalten oder eine Bewegung weniger fliessend ausgeführt wird. Dabei verglichen die Forscher die Aussagen der Musiker über ihren Müdigkeitszustand mit der an den Messdaten ablesbaren Erschöpfung. «Oft merkt man mitten im Üben nicht, wie müde man eigentlich schon ist», erklärt Grosshauser, der selbst seit Jahren professionell Geige spielt. Man könne einen Müdigkeitswarner, wie es ihn in manchen Autos gibt, in die App einbauen, damit er die Übenden rechtzeitig auffordere, eine Pause zu machen.
Bis Sensortechnologie und App marktreif sind, braucht es weitere Studien und Entwicklung, doch beschäftigen sich Grosshauser und seine Kollegen schon jetzt damit, wie gut diese Technologie von Musikern angenommen wird. «Insbesondere junge Musiker sind fasziniert davon, ihr eigenes Spiel so zu erfassen», sagt Grosshauser. Profimusiker hätten gegenüber der Technologie bislang gemischte Gefühle, da sich einige an der Verkabelung ihres geliebten Instruments stören. Deshalb bemühen sich die Forscher, die Verkabelung weiter zu minimieren, so dass sie praktisch unsichtbar wird.

Auf der anderen Seite bietet diese Technologie auch die Möglichkeit völlig neuer Ausdrucksformen in der Musik, was für Konzertsolisten wie Laien gleichermassen interessant sei. So kann beispielsweise eine mit Sensoren bestückte Geige mit einem Synthesizer verbunden und so für elektronische Musik verwendet werden. Nächste Seite: Auf der Bühne und zuhause

Auf der Bühne und zuhause

Auch bei Musiklehrern stösst der elektronische Vorstoss nicht immer auf Gegenliebe. Aber das Ziel sei nicht, den Musiklehrer durcheine Software zu ersetzen, betont Grosshauser. Vielmehr soll die Sensortechnologien beim Unterrichten und Üben unterstützen.

Ausserdem erlauben sie erstmals, Daten über unterschiedliche Spielweisen in verschiedenen Situationen – im Unterricht, beim Üben zuhause und auf der Bühne – zu vergleichen. Als dünne Folie auf das Geigengriffbrett geklebt und über Kabel mit dem Sender verbunden, der an den Korpus geklemmt wird, braucht die Technologie schon jetzt wenig Platz und kann so überall eingesetzt werden. «Man merkt instinktiv, dass man anders spielt, wenn man zuhause allein für sich spielt oder auf der Bühne vor mehreren hundert Leuten.» Nun könne man die Unterschiede tatsächlich quantifizieren und diese Daten beispielsweise einsetzen, um die Ursache von Schmerzen beim Musizieren zu ergründen.



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