01.11.2016, 17:14 Uhr

Zürcher Steueramt passt Start-up-Steuer an

Die Zürcher Finanzdirektion gibt zu, mit der neuen Start-up-Steuer gehörig danebengegriffen zu haben und rudert zurück. Eine neue Weisung sorgt zwar immer noch für Unsicherheiten, wirkt für Jungunternehmer aber deutlich weniger existenzgefährdend.
Im Mrz führte der Kanton Zürich eine Start-up-Steuer ein, nun rudert die Finanzdirektion zurück. Zu gross war der Aufschrei, den die Jungunternehmen von sich gaben, als sie erfuhren, neu nicht mehr nach der gängigen Praxismethode besteuert zu werden, sondern dass Kapitalerhöhungen als Bewertungsgrundlage genommen werden. Sie drohten, den Kanton zu verlassen ? vereinzelt wurde die Drohung bereits in die Tat umgesetzt.  Heute präsentierte die Finanzdirektion deshalb ein per sofort gültiges neues Modell und versuchte gar nicht, Fehler zu kaschieren. «Wir haben uns beim ersten Vorschlag zu wenig mit der Thematik befasst», sagte Finanzdirektor Ernst Stocker. «Den Fehler nehme ich auf meine Kappe.» Überraschend ehrliche Worte eines Politikers, aber viel Manövrierspielraum blieb ihm ohnehin nicht. Als im März die neue Regelung in Kraft trat, war der Gegenwind riesig. Politiker sprachen von einem Alleingang der Zürcher Steuerbehörde, Jungunternehmen drohten, den Kanton zu verlassen. Zürich drohte, eine Diaspora für Start-ups zu werden. Ausgerechnet der Kanton, der gerne das europäische Gegenstück zum Silicon Valley werden möchte, der die ETH und internationale Vorzeigekonzerne beheimatet und innerhalb dessen Grenzen mit Abstand die meisten Informatiker eine Anstellung finden.

«Repräsentative Ergebnisse» als Massstab

Mit der heutigen Weisung verabschiedet sich die Finanzdirektion deshalb wieder vom Gedanken, wonach bei Start-ups spätestens ab dem sechsten Jahr Kapitalerhöhungen als Besteuerungsgrundlage herhalten müssen. Stattdessen legt die neue Weisung fest, «dass bei Finanzierungsrunden von Start-ups künftig nicht mehr nur befristet auf den Substanzwert abgestellt wird, sondern so lange, bis repräsentative Geschäftserkenntnisse vorliegen.» Ausgearbeitet haben die Regelung unter der Leitung von Ernst Stocker das kantonale Steueramt gemeinsam mit der ETH Zürich, EMPA, der Zürcher Kantonalbank sowie dem Amt für Wirtschaft und Arbeit. Gleichzeitig definierte man auch Start-ups als «Kapitalgesellschaften (AG oder GmbH) mit einem innovativen, üblicherweise technologiegetriebenen Geschäftsmodell, das sich im Aufbau befindet und skalierbar ist.» Die Regelung ist vom Prinzip her gut. Nun brauchen die Firmengründer keine Angst mehr zu haben, irrsinnige Vermögenssteuern zu zahlen, weil ihnen ein Investor eine Million Franken gesprochen hat. Bloss erhofften sich die Start-ups eigentlich Sicherheit. Und die ist nicht gegeben. «Repräsentative Geschäftserkenntnisse » ist dafür viel zu schwammig formuliert. Auch, was Start-ups sind, ist unklar. Auf Nachfrage blieben die Exponenten vage, flüchteten sich in Floskeln wie «auch Innovation sei nicht zu definieren» Marina Züger, Chefin des Kantonalen Steueramts, versuchte immerhin zu definieren, was für sie zu «repräsentativen Geschäftserkenntnissen» gehört: «Gewinn, ein positiver Cash Flow oder beträchtlicher Umsatz.» Damit müssen sich die Unternehmen zufrieden geben ? und das ist auch verständlich. Die Behörden können keine Regelung verabschieden, die jedes Unternehmen genau kategorisiert. Da bliebe viel zu wenig Spielraum für Ausnahmen ? und gerade die Start-ups sind auf solche Ausnahmen angewiesen.

Eine bessere Regelung

Marina Züger sagte, man prüfe die Unternehmen jährlich. Sollte eine Firma sich als wettbewerbsfähig bewiesen haben, beispielsweise indem Produkte am Markt auf Interesse gestossen sind, würde bei der Bewertung vom Substanzwert auf den Investorenpreis gewechselt. Das könne bereits nach einem Jahr am Markt der Fall sein, aber auch erst nach mehreren. Jede Situation sei individuell anzuschauen. Falls eine Firma nicht wisse, wie sie eingeschätzt wird, könne sie sich jederzeit bei der Steuerbehörde melden. «Aber eigentlich», so Züger, «sollten die Start-ups lange vor uns wissen, wie gut die Geschäfte laufen.» Start-up-Vereinigungen liessen auf unsere Nachfragen verlauten, mit der neuen Regelung im Prinzip zufrieden zu sein. Und Gründer, die ohne Änderung umgezogen wären, bleiben nun da. Zwar stört die Unsicherheit nach wie vor. Aber, das müssen auch die Start-ups verstehen: In anderen Kantonen ist die Situation nicht anders. Die im März zusammengeschusterte Steuerpraxis Zürichs war ein Witz, entsprechend überlebte sie nur wenige Monate. Mit der jetzigen Lösung sollten sich aber alle Beteiligten anfreunden können.



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