19.08.2016, 14:51 Uhr

Youtubes Kampf gegen Musikpiraten

Auf Youtube hat Google ein ganz eigenes Verfahren entwickelt, um gegen Musikpiraterie vorzugehen. Der Musikindustrie gefällts dennoch nicht.
Während das Geschäft mit Musik-Streaming schnell wächst, schiesst sich die Branche auf Googles Videoplattform Youtube ein, bei der man viele Songs kostenlos hören kann. Der Konzern verweist auf sein System, mit dem Inhalte erkannt und zum Geldverdienen genutzt werden können. Wer schon einmal ein Video auf Youtube hochgeladen hat, kennt das vielleicht. Im Clip ist ein bekannter Song enthalten, etwa als musikalische Untermalung oder Karaoke-Darbietung - und wenig später landet eine E-Mail von Youtube im Postfach. «Ein Rechteinhaber, der Content ID verwendet, beansprucht Inhalte in Deinem Video», heisst es darin. Und: «Keine Sorge, Du bekommst keinen Ärger.» Der Clip müsse nicht gelöscht werden, allerdings verdiene der Rechteinhaber an den Werbeeinnahmen, die rund um das Video generiert würden. Laut Youtube haben sich im Musikbereich inzwischen 95 Prozent der Songrechteinhaber dafür entschieden, via Content ID Geld zu verdienen. Und: Mehr als 50 Prozent der Umsatzes der Musikbranche auf Youtube würden auf diesem Weg erzielt.  Lange Zeit litt die Branche arg unter der Piraterie im Internet. Ist ein solcher «digitaler Fingerabdruck» nun der Weg, um auch auf Gratis-Plattformen gutes Geld zu verdienen?

Content ID reicht nicht

«Nein», sagt Florian Drücke vom deutschen Bundesverband Musikindustrie (BVMI). Massnahmen wie Content ID reichten nicht aus. «Es muss endlich klargestellt werden, dass auch Online-Plattformen wie Youtube Lizenzen für ihre Inhalte zahlen müssen - so, wie es Spotify, Apple Music oder Deezer tun», fordert er.
Wie funktioniert Content ID genau? Die Rechteinhaber können Songs, aber auch Kinofilme oder Sport-Livestreams zu Youtube als sogenannte Referenzdatei übertragen. Daraus wird dann eine Art digitaler Fingerabdruck erstellt, mit dem das Material wiedergefunden werden kann. Der Datenpool der Google-Tochter umfasst derzeit etwa 50 Millionen Referenzdateien mit einer Gesamtdauer von rund 600 Jahren.  Dem gegenüber stehen die 400 Stunden Material, die minütlich weltweit auf die Videoplattform hochgeladen werden. Die Daten werden miteinander abgeglichen. Kommt es zu einem Treffer, werden beide Seiten darüber informiert. Der Rechteinhaber hat die Möglichkeit, seinen Inhalt zu blockieren - oder damit Geld zu verdienen. Nächste Seite in Zürich optimiert

In Zürich optimiert

Im Google-Entwicklungszentrum in Zürich, dem grössten ausserhalb der USA, wird das System optimiert. 1800 Mitarbeiter aus 75 Nationen sind auf dem Gelände der ehemaligen Hürlimann-Brauerei beschäftigt. Dort wird an der Weiterentwicklung von Google Maps oder des Panoramadienstes Street View, am Google-Assistent gearbeitet, oder eben an Content ID von Youtube. Die immer intelligentere Technik führe zu einer immer schnelleren und präziseren Bild- und Sounderkennung, sagt Projektmanager Fabio Magagna. Auch abgewandelte Bilder, etwa in Schwarz-Weiss oder mit gespiegelten Motiven, würden erkannt. Das betreffe auch die Musik. Der Experte verweist auf das Video «Smells like Nerd Spirit» in dem der Nirvana-Hit «Smells like Teen Spirit» ausschliesslich von einem «Orchester» aus Computer-Hardware gespielt wird - auch daran verdienten die Rechteinhaber Geld. «Der Computer lernt dadurch, wie er gefüttert wird», erklärt Magagna. Über Content ID wurden laut YouTube bisher zwei Milliarden Dollar an die Rechteinhaber ausgeschüttet. Natürlich verdient auch das Unternehmen selbst kräftig mit. Genaue Zahlen werden nicht genannt - nur dass mehr als die Hälfte der Erlöse an die Rechteinhaber gehe. Nächste Seite: Kritik an Google

Kritik an Google

Aus der Musikindustrie wird allerdings immer wieder Kritik laut, dass Youtube gemessen an seiner Grösse zu wenig Geld abgebe. Ende Juni spitzte sich der Streit zu, als sich über 1000 Musiker - darunter Stars wie Coldplay, Lady Gaga oder Ed Sheeran - bei der EU-Kommission beschwerten, dass Dienste wie Youtube mit ihren breiten Gratis-Angeboten die Musik entwerteten. Zum Vergleich: Youtube hat über eine Milliarde Nutzer. Beim Streaming-Marktführer Spotify sind es nach jüngsten verfügbaren Zahlen rund 100 Millionen - von denen sich mehr als zwei Drittel mit der werbefinanzierten Gratis-Version begnügen. Die Nummer zwei im Streaming-Geschäft, Apple Music, kommt gut ein Jahr nach dem Start auf rund 15 Millionen zahlende Abo-Kunden.
In dieser Situation schiesst sich die Musikbranche schon seit einiger Zeit auf Youtube ein, wo viele Songs gratis zu finden sind. Zugleich stellen die Musikkonzerne selbst frische Videoclips bei Youtube rein, um die Songs populärer zu machen. Aktuell laufen neue Lizenzverhandlungen zwischen den Musikfirmen und Youtube. «Spotify zahlt jährlich geschätzte 18 US-Dollar für jeden Nutzer, Youtube weniger als einen Dollar. Das erzeugt einen unfairen Geschäftsvorteil, durch den gleichzeitig der Wert von Musik unterminiert wird», sagt BVMI-Chef Drücke.  Youtube will diesen Vergleich nicht gelten lassen: Man könne nicht Dienste, die 10 Dollar im Monat kosten, mit einem werbefinanzierten Angebot vergleichen. «Das ist wie wenn ich die Einnahmen eines Taxifahrers durch seine Kunden mit den Einnahmen durch die Werbung im Taxi vergleiche», sagt Youtube-Manager Christophe Muller.



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