27.01.2016, 11:34 Uhr

Wie Microsoft Google und Facebook kopiert, um innovativ zu bleiben

Microsofts digitale Assistentin Cortana kann bald an Versprechen und Termin-Vorlieben erinnern. Das Update zeigt: Die Forschungsabteilung in Redmond erhält immer mehr Einfluss aufs Produktportfolio, ganz nach dem Vorbild von Facebook und Google.
Microsofts digitale Assistentin Cortana ist die Antwort der Redmonder auf Siri und Google Now. Wie die Wettbewerber soll der fest in Windows 10 integrierte Dienst den Nutzern bei alltäglichen Aufgaben zur Seite stehen und an wichtige Termine erinnern. Per Update baut Microsoft nun die Funktionalität von Cortana aus und verzahnt den Dienst enger mit den Mail- und Kalender-Tools in Windows 10. Dadurch ist die digitale Assistentin in der Lage, Termine und Aufgaben selbstständig in E-Mails zu erkennen und eine entsprechende Erinnerung vorzuschlagen. Verspricht ein Nutzer beispielsweise einem Kollegen per Mail, sich um eine bestimmte Aufgabe zu kümmern, erkennt dies Cortana automatisch und schlägt eine Erinnerung vor. Das Update verbessert auch die Terminverwaltung von Cortana in Windows 10. So soll das Assistenz-System jetzt selbstständig erkennen, zu welchen Tagen und Uhrzeiten ein Nutzer bevorzugt seine Termine anlegt. Wird dann ein Termin ausserhalb dieser Zeiträume im Kalender eingetragen, macht Cortana darauf aufmerksam und bietet das Verschieben des Termins an. Ebenso erinnert die Assistentin nochmals an kurzfristige Termine, damit diese nicht in Vergessenheit geraten.

Nadella machts wie Google

Die Idee zu diesen Update  entstammt der Redmonder Forschungsabteilung Microsoft Research (MSR). Und das ist so signifikant wie das Update selbst. Denn es zeigt, wie sich Microsoft transformiert, um mit der jüngeren Konkurrenz mitzuhalten. Historisch bedingt dauerte es Ewigkeiten, bis Projekte von Microsoft Research zu Produkten wurde, wenn überhaupt. Der Grundgedanke: Die Forscher sollen sich in Ruhe der Zukunft widmen können, ohne sich Sorgen zu müssen, wie ihre Erfindungen Geld generieren oder ins Produktportfolio passen. Das hat sich geändert, als Satya Nadella das Ruder bei Microsoft übernahm. Kaum im Amt, wurde ihm bei einem Treffen der Führungskräfte von MSR ein Projekt vorgestellt, das Spracherkennung und künstliche Intelligenz nutzt, um Gespräche direkt in andere Sprachen zu übersetzen. Wie Bloomberg berichtet, sagte Nadella dem Projektteam, er wolle dies als neues Skype-Feature vorstellen können bei seinem ersten öffentlichen Auftritt. Der war drei Monate später. Das Projekt, bis dahin eher konzeptionell und als Basis für Diskussionen dienend, musste Gestalt annehmen. Sämtliche firmeninternen Hürden wurden übersprungen, Abläufe geändert und als Nadella seinen Auftritt hatte, konnte er Skype Translator präsentieren. Die Verschmelzung von Forschung und Entwicklung gibt es bei Google seit Beginn. Produktmanager und Forscher arbeiten eng zusammen, fast alles woran geforscht wird, ist für alle Mitarbeiter einsehbar. Es werden viele Tools gemeinsam genutzt, beispielsweise das firmeninterne Open-Source-Framework TensorFlow. Auch Facebook hat eine ähnliche Zusammenarbeit. Im Oktober 2014 publizierte die Forschungsabteilung in Paolo Alto eine Abhandlung über einen auf künstlicher Intelligenz (AI) basierenden Sprachassistenten namens «M». Im Sommer 2015 konnte «M» im Facebook-Messenger getestet werden. Jede Woche treffen sich gemäss Bloomberg der Chefentwickler von M und die AI-Forscher um zu eruieren, welche Labor-Projekte kommerziell verwertbar sind. Und jeder Facebook-Mitarbeiter kann verfolgen, woran die Forschungsabteilung arbeitet, auf den Quellcode zugreifen, ihn anpassen und eigene Versionen der Software entwickeln. Lesen Sie auf der nächsten Seite: MSR NExT

MSR NExT

Microsoft kann bei dieser Konkurrenz nicht alleine auf die Ideen ihres CEOs vertrauen. Deswegen hat man im September 2014 etwa die Hälfte der rund 1000 Mitarbeiter der Forschungsabteilung in die neue Abteilung «MSR NExT» umgesiedelt. Ihr Fokus liegt auf Projekten, die nicht nur zu Forschungszwecken da sind, sondern direkten Einfluss auf die Firma haben sollen. Die andere Hälfte der Forschungsabteilung wird seither darauf getrimmt, Wege zu finden, un mit ihrer Arbeit mehr zu den Produkten beitragen zu können. Das ist ein diametral anderer Ansatz als ihn Bill Gates verfolgte, der 1991 mit dem damaligen CTO Nathan Myhrvold Microsoft Research gründete. Damals ging es darum, Vordenkern die Gelegenheit zu bieten, sich austoben. Was dazu führte, dass Microsoft diverse Innovationen verpasste, obwohl man über das nötige Wissen verfügte. Eine Anekdote dazu erzählt «Bloomberg»: Ein Mitarbeiter von Microsoft Research designte in den spätern 90er-Jahren eines der ersten Programme für digitale Landschaftskarten. Bill Gates zeigte das Programm auf einer Konferenz, erntete viel Applaus dafür und liess den Forscher dann wieder alleine mit seiner Arbeit. Als aber Google Maps 2005 lanciert wurde, befahl Gates seinen Angestellten, eine eigene Version innerhalb von 100 Tagen zu bauen. Von diesem reaktiven Ansatz ist Microsoft sptestens seit Nadella weggekommen. Nebst Skype und Cortana sind weitere Projekte aus der Forschungsabteilung bereits ins Produktportfolio integriert, wie Cloud-Produktivitätstools für Office oder das Augmented-Reality-Headset HoloLens. Nebst innovativen Produkten dürfte Microsoft die neue Strategie auch bei der Fachkräftesuche helfen. Es ist für einen Forscher vermutlich viel interessanter, wenn er weiss, direkten Einfluss auf das Portfolio haben zu können. Und nicht still in seinem Kämmerchen Tagträumen nachhängen zu müssen.



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