21.10.2015, 12:30 Uhr

Temenos sieht Schweizer Banken in der Cloud

Der Software-Hersteller Temenos bietet seit Jahren eine Cloud-Lösung für Banken. Schweizer Institute sind zurückhaltend. Das wird sich ändern, meint Chefstratege Ben Robinson.
Die Bank für die Millennials heisst Moven. Mit der Smartphone-App erledigen die Anwender alle ihre Bankgeschäfte. Ob sie mehr oder weniger als im Durchschnitt ausgegeben haben, signalisiert eine Ampel. Dieses Gamification-Element nutzt Moven, um die langweiligen Banking-Prozesse aufzulockern. Das Start-up Moven könnte ein Vorbild sein für Schweizer Banken, meint Ben Robinson, Chief Strategy Officer beim Software-Anbieter Temenos. Anstatt den Kunden die internen Prozessabläufe aufzunötigen, könnten sie mit Banking-Apps «spielerisch» ihre Geschäfte erledigen. Robinson erklärt im Gespräch mit Computerworld, welche Herausforderungen die hiesigen Kreditinstitute dafür zu bewältigen haben und welche Chancen entstehen können. Computerworld: Wie bannen Schweizer Banken die Gefahr, den Anschluss zu verlieren gegenüber Start-ups wie Moven? Ben Robinson: Das ist die wichtigste Frage, die sich Banken stellen können. Wenn sie hohe Profitabilität behalten wollen, müssen Banken in die Kundenschnittstelle investieren. Nur dort existiert die Möglichkeit für Cross-Selling und Up-Selling.
Bei Temenos glauben wir, die Antwort ist das «erlebnisorientierte Banking». Banken sollten Kontext-, Standort- und Transaktionsinformationen nutzen, um den Kunden zu helfen, bessere Finanzentscheidungen zu treffen. Dafür müssen Banken in Analyse-Instrumente, Echtzeit-Transaktionssysteme und Omni-Kanal-Funktionen investieren. Darüber hinaus wird es auch einen kulturellen Wandel brauchen: Erlebnisorientiertes Banking bedeutet einerseits, die besten Bankdienstleistungen (auch von Dritten) anzubieten, und andererseits die Transformation von einem reinen Datendepot zu einem Daten-Analytiker. Als Anbieter von Kernbankensystemen verdient Temenos Geld mit «traditionellem» Banking. Wie helfen Sie den Schweizer Banken bei der Prozessoptimierung für die digitale Transformation? Die Core-Systeme sind das Herz einer digitalen Bank. Die Institute werden nur dann digitale Banken werden, wenn sie über ein Kernbanksystem verfügen, das echtzeitfähig, integriert und kundenorientiert ist. Andernfalls werden die Banken dagegen kämpfen, dass andere Player interaktive Produkte lancieren und die Kundenanforderungen erfüllen, die in der digitalen Welt sofort befriedigt sein müssen. Temenos bietet beispielsweise Pakete, die Kunden quasi von der Stange kaufen können. Zugrunde liegt aber ein und dieselbe Software, die bei allen Kunden zum Einsatz kommt. Die Banking-Apps von Temenos gibt es für verschiedene Betriebssysteme und Gerätetypen, etwa den Desktop, das Tablet und das Smartphone. Sowohl die Bankangestellten als auch die Kunden müssen sich dann nur einmal umgewöhnen. Denn das Bedienkonzept ist auf allen Geräten und in allen Sprachen identisch. Das tönt nach einem Web-Interface für das Banking auf dem Smartphone. Da entstehen viele Medienbrüche – etwa beim Erfassen von Einzahlungsscheinen. Medienbrüche gibt es eher nicht. Die App-Technologie heisst «Smart Hybrid». Sie hat die Leistung und tiefen Wartungskosten von Web-basierten Anwendungen, erlaubt es jedoch, auch Smartphone-Funktionen wie GPS und Kamera zu verwenden. Nächste Seite: lernen von FinTech-Start-ups Verwenden Kunden von Privatbanken wirklich das iPad für einen Blick in ihr Portfolio? Wie viele sind an Mobility interessiert? Die Entwicklung zu mehr Mobilität im Vermögensverwaltungsgeschäft ist zu beobachten. Ältere Kunden – diese Zielgruppe wächst aktuell – wollen ihre Portfolios auf dem Tablet managen. Dabei ist die Mobil-App allerdings nur ein zusätzlicher Kanal, denn grosse Transaktionen werden selten via App getätigt. Das Tablet löst keinen der traditionellen Channels ab, sondern verbessert die Bedienerfreundlichkeit und fördert das Engagement der Anleger. Temenos holt sich wie andere Player im Finanzmarkt auch Ideen von Start-ups. Sie sind Hauptsponsor eines FinTech-Incubators in Genf. Der Incubator gibt Temenos Zugang zu neuen Ideen und grossem Talent. Er ist auch eine gute Möglichkeit, unseren Kunden Innovationen zu liefern, da der Temenos Marketplace (unsere App-Store) den Start-Ups erlaubt, ihre eigenen Produkte zu vermarkten. Schweizer Banken haben meistens nicht das Glück, in einem Incubator noch einmal komplett neu starten zu können. Welchen Rat geben Sie? Temenos rät zu einer Dreiteilung der Banking-Infrastruktur. Die Prozesse müssen aufgeteilt werden in die Verarbeitung (Back Office), die Herstellung von Bankprodukten (Middle Office) und den Vertrieb (Front Office). Die Verbindung zwischen den drei Modulen kann via APIs (Application Programming Interface) hergestellt werden. Mithilfe der Schnittstellen lassen sich dann die Ressourcen für unterschiedliche Anwendungen bereitstellen. Modularisierte Systeme können einfacher gepflegt und natürlich auch in die Cloud ausgelagert werden. Nächste Seite: BPO oder Cloud? Mit Business Process Outsourcing (BPO) sind einige Finanzdienstleister schon dabei, ihre Systeme sozusagen zu modularisieren. Bei BPO laufen die Banken Gefahr, zu viel von ihrem Kerngeschäft abzugeben. Diese Entwicklung beobachte ich an einigen Orten. Der aktuelle Trend zu BPO wird sich meiner Meinung nach abschwächen, da die Banken Gefahr laufen, so ihre Alleinstellungsmerkmale zu verlieren. Wenn nicht BPO, was schlagen Sie alternativ vor?
Das gezielte Auslagern von Systemen in die Cloud. Es ermöglicht den Banken, die Infrastrukturkosten zu teilen, während sie die Kontrolle über ihre Betriebsmodelle behalten. Kunden aus dem Bereich Microfinance nutzen bereits das Kernbanken-System T24 aus lokalen Rechenzentren. In der Schweiz wird aktuell mehr Platz geschaffen, denn der Temenos-Partner Safe Host baut in Glond ein neues Rechenzentrum. Nach meiner Meinung hat die Schweiz beste Voraussetzungen bei Datenschutz und Hosting: eine stabile Regierung, Zugang zu erneuerbare Energien und eine gute Infrastruktur. Hinzu kommt: Die hohen Zertifizierungen der Rechenzentren können die firmeninternen Server und das Personal kaum erreichen – oder nur zu horrenden Kosten. Dieses Geld wollen und können je länger, je weniger Kunden ausgeben. Residiert die Bank der Zukunft in der Cloud? Wie steht es dann um den Datenschutz? Die grösste Gefahr von Datenmissbrauch geht nicht von der Infrastruktur (oder der Cloud), sondern von den internen Mitarbeitern aus. Da die Transaktionen (die Eingaben des Beraters) selbst vom System unterstützt und Straight Through verarbeitet werden, verringern sich die Chancen für internen Betrug. Trotz überzeugender Argumente für die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Cloud bleiben die meisten IT-Verantwortlichen in Banken beim kategorischen Nein. Meine Prognose ist: Das wird sich mittelfristig ändern. In den letzten Jahren wurde viel Führungspersonal in Banken ausgetauscht. Die neuen Manager haben ein anderes Verständnis für Informatik, wissen um Gefahren, aber auch die Möglichkeiten. Ausserdem wachsen Nachwuchskräfte heran, die eine höhere Affinität für Technologie wie Cloud haben. Genau wie die Regulierungsbehörde ist das Bank-Personal immer häufiger bereit, in die Private oder Public Cloud zu wechseln. 



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