Sunrise-Digitalisierungschef 27.07.2016, 10:49 Uhr

«Können nicht einfach dem CIO sagen, er soll die IT entsprechend anpassen»

Sunrise will digitaler werden. Ein wichtiger Schritt dafür ist die neue Webseite, die vergangenen Sonntag gelauncht wurde.
Wer seit dieser Woche die Sunrise-Webseite aufruft, erkennt einige Änderungen gegenüber der Vorgängerversion: An die Stelle von statischen Elementen sind dynamische Kacheln getreten, die Informationen sind wesentlich personalisierter. Und wer ein Handy kaufen will, muss nicht wie bisher rund zehn Schritte durchführen, sondern nur noch drei. «Unser Ziel war, einen der effizientesten Prozesse für Onlineshops im Telko-Bereich aufzubauen», erklärt Janos Heé, Director Digital Business bei Sunrise. «Bisher habe ich keinen schnelleren Prozess gesehen.» Von Effizienz war man weit entfernt, als im März 2015 der Webseiten-Relaunch in Angriff genommen wurde: Wollten neue Produkte platziert werden, musste ein Entwickler an Bord geholt werden. Plattformübergreifende Updates waren nicht möglich, für ein Multibrand-Unternehmen wie Sunrise – nebst B2C zählt Heé B2B und MTV Mobile auf – eine kleine Katastrophe. Dass die alte Seite nicht responsive war, war der Nagel auf ihrem Sarg. Nun will Sunrise mit einer Plattform punkten, die dem Kunden die einfachst mögliche Orientierung bietet. «Der Kunde denkt nicht in Roaming, Mobile oder Festnetz, sondern in Kategorien wie «daheim» oder «unterwegs», darauf haben wir reagiert, erklärt Heé. Mit wenigen Schritten soll der Kunde die für ihn passenden Angebote finden, der überladenen, produktzentrierten Navigation sind Widgets und eine wesentlich freiräumigere Übersicht gewichen.

Adobe und Hybris

Das Front-End auf Vordermann zu bringen war nur eine Aufgabe, das Back End genauso wichtig. Als Lösung entschied man sich für Hybris, eine E-Commerce-Software und Multichannel-Lösung. Diese hat unter anderem den Vorteil, dass die Webseite auf allen Plattformen abgebildet werden kann. Ob der Kunde mit dem Handy oder dem Browser Sunrise ansurft, spielt im Gegensatz zu früher keine Rolle mehr. Eine hybride App, die derzeit allerdings noch mit Kinderkrankheiten kämpft, bietet dafür die Garantie. Fürs Front End setzt Sunrise vollständig auf Adobe: Target, Analytics, sogar Adobe Campaign hat man sich beschafft und ist mit dem Resultat zufrieden. Nun habe man alles aus einer Hand und alles sei verknüpft, vom Marketing bis zu den Rechnungen, sagt Heé. Speziell sei, dass die klare Trennung Adobe/Frontend bzw. Hybris/Backend nicht vorhanden sei. Beide Produkte würden mit react.js ihre Daten parallel an den Client liefern. Um sicherzustellen, dass sowohl beim Web Design als auch bei der Umsetzung das maximal Mögliche herausgeholt wurde, liess Sunrise eine Konkurrenzsituation entstehen: Zwei Agenturen wurden mit dem Launch beauftragt, eine Lösung aus einer Hand wollte Sunrise nicht. Ob so vieler Involvierter überrascht, dass die Webseite nach nur einem Jahr fertig entwickelt war. Seit März diesen Jahres beschäftige man sich mit Integrationsthemen, die laut Heé zu «unerwarteten Verzögerungen führten». Die bestehende Middleware wurde, damit Daten schneller beim Kunden sind, mit einem entsprechenden Modul erweitert «Wir wollten agil entwickeln, die Geschwindigkeit war für uns entscheidend», sagt Heé. «Manchmal kamen wir deshalb zwar an den Anschlag, doch mit der Wasserfallmethode wären wir niemals so schnell gewesen.»

Customer-Journey-Factory

Doch was nützt eine topmoderne Webseite, wenn der Rest des Unternehmens nicht mitzieht? Um diese rhetorische Frage beantworten zu können, beschäftigt sich Sunrise spätestens seit letztem Jahr intensiv mit der Digitalisierung. Ihr Ansatz wirkt dabei ausgereifter als derjenige anderer Unternehmen: Janos Heé und sein Team sind davon überzeugt, dass Digitalisierung nicht eine Ansammlung von Einsen und Nullen ist, sondern bedeutet, den Umgang mit dem Kunden ins Zentrum zu stellen. Im Zentrum der Digitalisierungsstrategie von Sunrise stehen sogenannte «Customer-Journey-Factorys». Anhand des Net Promoter Scores eruiert Sunrise, wo die Probleme der Kunden liegen. Dies wird mit den Gründen für Call-Center-Anrufe abgeglichen und in einem Koordinatensystem dargestellt. Der höchstgelegene Punkt ist demnach derjenige mit dem meisten Potenzial. Das war bei Sunrise zu Beginn das Mahnwesen. Deshalb setzte man Leute an einen Tisch, die mit dem Mahnwesen zu tun haben, untereinander bisher aber kaum Kontakt hatten. Etwa Finanzleute, Call-Center-Agenten und Shop-Mitarbeiter. Anhand von drei Kundenprofilen eruierten die Beteiligten, wie der Mahnprozess vereinfacht werden könnte. Nach dreieinhalb Monaten hatte man nicht nur den neuen Prozess geschaffen, sondern auch über alle Unternehmensbereiche hinweg implementiert. Mussten Sunrise-Kunden nach einer Mahnung bis anhin in einen Shop, dann auf die Post, sich dort einen Stempel geben lassen und danach wieder in den Shop, können sie Mahnungen heute direkt im Shop und demnächst online. Solche Customer Journeys will Sunrise nun für diverse Themen angehen. Für Neukunden, Mobilekunden, Fixnetkunden, wo auch immer es nötig sei. «Wir wählen bewusst keinen Big-Bang-Approach, sondern gehen Schritt für Schritt. Wir können nicht einfach dem CIO sagen, er soll die IT entsprechend anpassen, das würde wenig Sinn machen.» Mit dem Customer-Journey-Ansatz soll eben auch sichergestellt sein, dass die Mitarbeiter der Digitalisierung folgen können.

Top-Down-Digitalisierung

Für Janos Heé ist klar, dass eine erfolgreiche Digitalisierung nur Top-Down erfolgen kann. Sunrise hat deshalb ein Digitalisierungs-Board ins Leben gerufen, in dem nebst ihm einige Top-Kader sitzen. Das Board verwaltet das Digitalisierungsbudget, trifft sich einmal im Monat und entscheidet zentral, welche Customer Journeys wie viel Geld erhalten sollen. In Zukunft soll bei Sunrise deshalb noch einiges passieren. Man möchte Kunden informieren, wenn ihre TV-Box kaputt geht – und dies nicht von ihnen erfahren müssen. Multi-Channel-Möglichkeiten sind in der Evaluationsphase: Ein Kunde soll sich im Shop beraten lassen und das Produkt zuhause kaufen können oder umgekehrt. Zudem habe man ja eine App, die viele Prozesse vereinfachen könnte, sagt Heé. Doch im Gegensatz zu anderen Unternehmen würden Telko-Kunden nach wie vor lieber in den Shop gehen oder zum Telefonhörer greifen. Insgesamt geht es Heé, das wird im Gespräch klar, also nicht nur darum, Sunrise zu digitalisieren. Auch der Kunde soll in ein neues Zeitalter geführt werden.



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