07.08.2013, 18:06 Uhr

Schweizer Cloud-Anbieter profitieren vom NSA-Skandal

Durch Prism haben die grossen US-Cloud-Anbieter wie Google, Amazon oder Microsoft das Vertrauen ihrer ausländischen Kunden verloren. Das wird die Betreiber Milliarden kosten, sagt ein Thinktank. Und er sagt auch, wer profitiert: die Schweizer.
Weil die NSA Cloud-Inhalte von US-Unternehmen genau überprüft, verlieren ausländische Kunden das Vertrauen in Google + Co. - die Schweiz profitiert
Die NSA-Affäre kostet die US-Cloud-Anbieter in den nächsten drei Jahren zwischen 21,5 und 35 Milliarden Dollar. Dies hat Daniel Castro vom Thinktank «Information Technology & Innovation Foundation» berechnet.  Als Grund nennt er den durch den Prism-Skandal entstanden Vertrauensverlust der ausländischen Kunden. Diese würden nun Alternativen zu Amazon, Google oder Microsoft suchen. Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die digitale Welt, hat das von Castro beschriebene Problem kürzlich schn zusammengefasst: «Wenn europäische Cloud-Kunden der US-Regierung nicht vertrauen können, werden sie vielleicht den US-Anbietern auch nicht vertrauen. Falls ich recht habe, wird das Konsequenzen in Milliardenhöhe für die US-Anbieter haben. Wenn ich ein amerikanischer Cloud-Anbieter wäre, wäre ich momentan jedenfalls ziemlich frustriert über meine Regierung.»

Schweizer Profiteure

Die Voraussage von Kroes könnte durchaus eintreffen. In den vergangenen zwei Monaten befragte nämlich die «Cloud Security Alliance» ihre Mitglieder, zu denen Cloud-Computing-Anwender und Aktionäre gehören, zu ihren Reaktionen den NSA-Leak betreffend. Den Antworten zufolge haben sich seither 10 Prozent der Befragten von einem Projekt mit einem US-Cloud-Anbieter zurückgezogen. 56 Prozent sagten, dass es unwahrscheinlicher sei als zuvor, dass sie einen Vertrag mit einem US-Cloud-Anbieter eingehen werden. Und 36 Prozent der US-Betreiber erklärten, dass es für sie schwieriger geworden sei, Verträge im Ausland zu schliessen. «Daraus können wir schliessen, dass US-Cloud-Anbieter in den nächsten Jahren im Ausland realistisch 10-20 Prozent an Umsatz einbüssen», folgert Castro. Beim von ihm erwarteten Verlauf des Cloud-Computing-Markts sind das in Zahlen ausgedrückt die erwähnten 21,5 bis 35 Milliarden Dollar.  Profitieren werden davon die ausländischen Anbieter, schreibt Castro. Diese hätten bereits heute teilweise grosse Zuläufe zu verzeichnen. Und nennt als Beispiel Artmotion, den seiner Meinung nach grössten Hosting-Anbieter der Schweiz. 45 Prozent mehr Umsatz konnte Artmotion im Monat nach Edward Snowdens Enthüllungen machen, hat der Journalist David Gilbert geschrieben, der als Quelle für die Aussage von Castro herhält. Für Computerworld war Artmotion-CEO Mateo Meier den ganzen Tag nicht erreichbar). Auch wenn Artmotion natürlich nicht der grösste Hosting-Anbieter der Schweiz ist ? das Unternehmen besitzt zwei Datacenter mit einer Gesamtfläche von 1500 Quadratmetern -  ist der Verweis auf die Schweiz durchaus richtig. Vom Banken- zum Cloud-Land?

Weitere Anbieter mit Kundenzuwachs

Denn so erfreut sich beispielsweise auch Wuala zunehmender Beliebtheit, wie Gianluca Pirrera Mediensprecher des Schweizer Cloud-Anbieters, sagt. «Die Anfragen von Business-Kunden haben sich seit Prism verdoppelt, fast verdreifacht. Wir sind darum auf der Suche nach neuen Sales-Leuten.» Aber auch schon ohne das neue Personal läuft der Absatz hervorragend. «Im Mai hatten wir noch 15 000 Neukunden» sagt Pirrera. «Ende Juni waren es bereits 32 000 mehr, im Juli ebenso. Für uns ist die NSA-Affäre darum kein Skandal, sondern ziemlich gut.» Gleich geht es dem Internet-Datensafe-Anbieter DSwiss. Besonders im B2C-Bereich sei die Nachfrage extrem gestiegen, sagt CEO Tobias Christen: «von wenigen 100 auf über 1000 Anfragen pro Tag». Und das soll so weitergehen: «Bei Ausschreibungen merkt man, dass nur noch wenige SaaS-Lösungen für Kunden infrage kommen.» Er kann darum den NSA-Schnüfflern nicht wirklich böse sein. 

Vom Banken- zum Cloud-Land?

Artmotion-CEO Mateo Meier nannte im Artikel von Gilbert mögliche Gründe dafür:«Weil wir kein EU-Land sind, ist die einzige Möglichkeit für Behörden und Unternehmen, Zugriff auf Daten in Schweizer Rechenzentren zu erhalten, ein Gerichtsbeschluss. Dieses Prozedere gilt für alle Länder und jede Information und anders als in der EU wird auch für US-Behörden keine Ausnahme gemacht.»  Die Schweiz, mit einer grossen Reputation, Geld sicher und anonym zu verwalten, wird von Unternehmen darum nun als Ort gesehen, der auch Daten sicher und anonym speichert. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Journalist David Gilbert in seinem Artikel. Zusammen mit den Berechnungen von Daniel Castro und den zitierten Anbieter-Beispielen ergibt sich dadurch ein Bild, das eine erfreuliche Zukunft für die Schweizer Cloud-Landschaft zeigt.



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