Rekord-Kartellstrafe gegen Google 27.06.2017, 16:48 Uhr

das sind die Hintergründe

Wegen Wettbewerbsverzerrung brummt die EU Google eine Rekordbusse in der Höhe von knapp 2,5 Milliarden Euro auf. Ändert der Internetriese sein Verhalten nicht, wird es noch teurer.
Die EU-Kommission hat Google eine Rekordbusse aufgebrummt. Der US-Internetkonzern muss 2,42 Milliarden Euro Strafe zahlen, weil er seine marktbeherrschende Stellung mit seinem Preisvergleichsdienst zum Schaden von Konkurrenten und Konsumenten missbraucht hat. Sollte Google sein Verhalten innerhalb von 90 Tagen nicht ändern, drohen weitere Strafen von bis zu fünf Prozent vom Tagesumsatz des Mutterkonzerns Alphabet, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Dienstag in Brüssel vor den Medien. Wie es sein Verhalten genau ändere, sei aber der Entscheid von Google. Gemäss Vestager kann jetzt jede Firma, die sich durch die Marktmacht des US-Konzerns im vorliegenden Fall benachteiligt fühlt, vor einem nationalen Gericht auf Schadensersatz klagen. Google habe anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen, im Wettbewerb durch Leistung zu überzeugen. «Vor allem aber hat es verhindert, dass die europäischen Konsumenten wirklich zwischen verschiedenen Diensten wählen und die Vorteile der Innovation voll nutzen können», sagte die EU-Wettbewerbskommissarin weiter.

Meist zuoberst

Konkret wird Google vorgeworfen, die Ergebnisse für seinen eigenen Preisvergleichsdienst bei entsprechender Google-Suche ganz oder sehr weit oben in der Suchergebnis-Liste anzuzeigen. Der am besten platzierte Wettbewerber tauche im Schnitt laut Vestager erst auf Seite vier der Suchergebnisse auf. Auf Seite eins der Ergebnisse entfielen aber etwa 95 Prozent aller Klicks der Nutzer. Dieser Effekt sei auf Mobilgeräten wie Smartphones sogar noch ausgeprägter, da das Display kleiner sei. Gemäss den Untersuchungen der EU-Kommission wendet Google dieses Verfahren beim Preisvergleichsdienst in 13 Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) an, darunter Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Norwegen. In allen 31 Ländern des EWR – dieser setzt sich aus den 28 EU-Staaten und den drei reinen EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein zusammen – habe das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung von meist mehr als 90 Prozent.

Google erwägt rechtliche Schritte

Die Geldbusse wurde nach einem siebenjährigen Verfahren verhängt, in dem sich Yelp, TripAdvisor oder NewsCorp über den Rivalen beschwert hatten. Nach Angaben Vestagers werteten ihre Mitarbeiter 5,2 Terabyte an Suchergebnissen aus. «Ich hoffe, Sie haben vorher gegessen, denn es würde 17'000 Jahre dauern, sie vorzulesen», sagte sie scherzhaft vor Journalisten. Google seinerseits wies die Anschuldigungen zurück. Der US-Konzerne erklärte, er erwäge rechtliche Schritte gegen den Beschluss der Brüsseler Behörde. Hingegen nannte der Verband der europäischen Konsumentenschützer (BEUC) Vestagers Google-Entscheid einen Wendepunkt. Damit sei ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen, wie die EU-Kommission die Auswirkungen auf Konsumenten bei wettbewerbswidrigem Verhalten in der Digitalwirtschaft bewerte.

Weitere Verfahren drohen

Für Google macht die Strafe jedoch nur einen Bruchteil seiner Einnahmen aus: Allein im ersten Quartal des Jahres verzeichnete der US-Konzern einen Umsatz von rund 22 Milliarden Euro und fuhr einen Reingewinn von 4,8 Milliarden Euro ein. Dem Unternehmen drohen aber weitere, milliardenschwere Geldbussen aus Brüssel: In einem der zwei Verfahren geht es um die Marktmacht des Google-Betriebssystems Android auf Smartphones und Tablets, im anderen um Praktiken bei der Suchmaschinenwerbung auf Internetseiten. Die EU-Wettbewerbskommissarin deutete zudem die Eröffnung weiterer Untersuchungen an, etwa beim Google-Bilderdienst oder dem Kartenservice Google Maps. Der Beschluss zum Preisvergleichsdienst sei lediglich der Startpunkt. Man bewerte Google jetzt offiziell als dominierendes Unternehmen am Markt, das sei der Unterschied zur Lage zuvor. Den Vorwurf, dass ihre Behörde mit Google, Amazon oder Apple vorzugsweise US-Konzerne ins Visier nehme, wies Vestager zurück: «Ich kann keine Fakten finden, die belegen, dass wir voreingenommen seien.» Bis anhin die höchsten Strafen aus Brüssel erhielten 2009 der US-Chipkonzern Intel mit 1,06 Milliarden Euro sowie 2016 der Stuttgarter Autohersteller Daimler mit rund einer Milliarde Euro wegen der Beteiligung an einem Lastwagen-Kartell.



Das könnte Sie auch interessieren