NSA-Skandal 26.08.2013, 13:54 Uhr

Das muss die Schweiz jetzt tun

Fast täglich gibts neue Enthüllungen zu NSA, Prism und Tempora. Inzwischen konkretisiert die Digitale Gesellschaft Ihre Forderungen an den Bund im Zusammenhang mit der Strafanzeige gegen Unbekannt.
Der NSA-Skandal hat die Digitale Gesellschaft auf den Plan gerufen: Sie hat Forderungen an die Schweiz und ans Ausland formuliert
Am 10. Juli hat die Digitale Gesellschaft Strafanzeige gegen Unbekannt beim Bund (insbesondere wegen verbotenem Nachrichtendienst) eingereicht. Im Anwaltsschreiben der Strafanzeige hat die netzpolitisch aktive Gruppe exemplarisch Beispiele aus der «Washington Post» und dem britischen «Guardian» dargetan mit den jüngst veröffentlichen Enthüllungen rund um die CIA, NSA und das GCHQ, welche global umfassend und kooperierend überwachen. Die Berichterstattung veranlasst die Partei, zu glauben, dass beschriebene Programme private und öffentliche Stellen in vielen anderen europäischen Ländern betreffen könnten. Diesmal macht die Digitale Gesellschaft mit der Veröffentlichung eines angekündigten Strategiepapiers auf sich aufmerksam. «Die zentrale Intention ist, deutlich zu machen, dass auch ein kleines Land wie die Schweiz in internationaler Hinsicht etwas tun kann. Man muss weder resignieren noch den Kopf in den Sand stecken. Ganz im Gegenteil», meinte Norbert Bollow, Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft, gegenüber Computerworld. Nächste Seite: Forderungen an den Bund

Der Bund ist gefordert

Der Ton seitens der Piratenpartei & Co., welche auch der Digitalen Gesellschaft angehört, ist schärfer geworden. Die Dokumentierungen der Strafanzeige, welche mit exemplarischen auf Aussagen und Gegenaussagen basierenden Zeitungsberichten angereichert ist, seien als Beispiele für Menschenrechtsverletzungen anzusehen. Der Bund sei nun gefordert, entsprechende «Gegenmassnahmen» einzureichen, um wieder für die Einhaltung der verfassungsmässig garantierten «Grundrechte» zu sorgen. Damit gemeint seien Recht auf Privatsphäre wie auch die Achtung des Brief-, Post-, Anwalts- und Redaktionsgeheimnisses.

Strategievorschläge an den Bund

Es sei nun Aufgabe des Bundes, eine konkrete Strategie zu entwerfen. Im Wesentlichen sollen bei einer solchen Strategie Auskünfte bei betroffenen Ländern verlangt werden, um das Problem für die Schweiz abzuschätzen. Während des Vorgehens solle die Bevölkerung laufend detailliert über den Prozess informiert werden. In diesem Zusammenhang will die Digitale Gesellschaft ebenso Gewissheit darüber, ob die nach Büpf (dem Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) vorgenommenen Vorratsdatenspeicherungen «nur im Inland» mit «professionellen Sicherheitsvorkehrungen auf hohem Niveau» getätigt werden. Auf jeden Fall dürfe Speicherung sensibler Daten nur unter genügenden Sicherheitsvorkehrungen geschehen. Vor allem schlägt die politisch aktive Vereinigung internationale Kooperation mit Regierungen anderer Länder vor, die Schutz der Privatsphäre ebenfalls als Menschenrecht definieren. Nächsten Seit: Fragen an die USA und Grossbritannien

Fragen an die USA und Co.

Die Schweiz soll von den USA, Grossbritannien und Nordirland Antworten auf Fragen bezüglich Randdaten und Kommunikationsinhalte erlangen. Fragen sollten klären, ob sich beispielsweise Nachrichtendienste der USA, Grossbritannien & Co. Zugang zu elektronischen Kommunikationsinhalten von Personen in der Schweiz verschafft hätten, sei es nun hierzulande, die USA selber oder durch Drittstaaten. Spezifischere Fragen könnten Quantität betroffener Personen und Informationsdaten betreffen.

Fortlaufende Information an die Öffentlichkeit

Ein Punkt im Strategiepapier der Digitalen Gesellschaft fordert fortlaufende Auskünfte über den diplomatischen Prozess. Insbesondere die Öffentlichkeit soll fortlaufend über die diplomatischen Bemühungen orientiert werden: Eingehende Antworten seien zu veröffentlichen, selbst dann, wenn es sich nur um vorläufige Antworten handle.

Provider sollen der Informationspflicht unterstehen

Ein wesentlicher Punkt dreht sich um die anstehende Büpf-Revision und der damit umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Es sei abzuklären, wo denn die Vorratsdaten abgespeichert werden. Information darüber könne durch den Dienst «Üpf» bei den vom Büpf betroffenen Providern erhoben werden. Provider, bei denen sensitive Daten im Ausland gespeichert werden, seien angehalten, betroffene Personen über diese Situation informieren. Damit verweist die Digitale Gesellschaft auf mögliche schriftliche Verträge zwischen einzelnen Providern. Nächste Seite: Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung

Tendenz: eher Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung

Unverändert am Ton des Strategiekonzepts ist ein Nachruf zur Aufforderung, die Vorratsdatenspeicherung in Zukunft gänzlich abzuschaffen. Wenn sie nicht abgeschafft werde, seien zumindest Provider gefordert, solche Vorratsdaten nur noch in der Schweiz zu speichern. Um eine Kontrolle zu gewährleisten, müssten regelmässig stichprobenartig Überprüfungen durch eine unabhängige Amtsstelle vorgenommen werden.

Neue technische Standards müssen her

Das Bundesamt für Kommunikation sei gefordert, an der Entwicklung und Umsetzung von neuen technischen Standards zu arbeiten, welche auch Verschlüsselung fördern und durchsetzen würden, heisst es in einem Stratgiepunkt. Im letzten Punkt des Papiers fordert die Digitale Gesellschaft die Schweiz auf, als Mitglied der «Enhanced Cooperation Working Group», einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, zusammenzuspannend und verstärkt an wichtigen Themen der internationalen Kooperation im Internet Governance zu arbeiten.

Intensionen

Norbert Bollow war, wie er uns selber zu verstehen gibt, schon selber öfters am Internet Governance Forum der UN und ist als Koordinator der Civil Society Internet Governance Caucus tätig. Unter anderem war er schon als Observer der Enhanced Cooperation Working Group dabei. Auf die Frage, wer von der Digitalen Gesellschaft vor allem hinter der Konzeption dieses Strategiepapiers stecke, meinte der Mediensprecher, dass er selber als Autor daran gearbeitet habe, zumal Bollow in der Gruppe am stärksten international ausgerichtet sei. Die detailliertere Ausarbeitung eines öffentlichen Communiqués ist mit Sicherheit auch ein Nachhall an den sich breit machenden Presse-Informationsbedarf seit der ersten allgemeinen Verkündigung zur «Strafanzeige gegen Unbekannt».



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