Nach dem SNB-Entscheid 28.01.2015, 14:40 Uhr

die Probleme und Lösungen der ICT-Exportindustrie

Die Frankenstärke stellt die Schweizer ICT-Exportindustrie vor Probleme. Obwohl der Dachverband genau diese ankurbeln wollte. Wie reagieren die betroffenen Firmen und Verbände auf die Situation?
Der 15. Januar 2015 dürfte für die Schweiz ähnliche Auswirkungen haben wie der 9. Februar 2014. Während vor elf Monaten die Masseneinwanderungsinitiative angenommen wurde, ist das aktuelle Ereignis ein wirtschaftliches. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Euro-Mindestgrenze von Fr. 1.20 aufgehoben und sorgte damit für ein Erdbeben. Anleger sind verunsichert, Experten uneinig, die Kurse fahren Achterbahn. Niemand kann sagen, wann sich die Märkte beruhigen. Wer Güter im EU- oder Dollar-Raum herstellt und in die Schweiz liefert, profitiert von Kursgewinnen. Diese werden aber bisher nur von wenigen Firmen an die Kunden weitergegeben, wie Computerworld-Recherchen gezeigt haben. SAP, Microsoft oder T-Systems beispielweise warten lieber ab und streichen die Gewinne ein. ###BILD_49221_fullwidth###

Exportfirmen in Schwierigkeiten

Während ausbleibende Rabatte für Endkunden mühsam sind, kann die Stärkung des Frankens für  Exportfirmen existenzgefährdend sein. Welche ICT-Firmen davon am heftigsten betroffen sind, ist schwierig zu prognostizieren. Es gibt keine genauen Zahlen – nur eine Statistik von ICTswitzerland, die besagt, dass 2011 ICT-Waren im Wert von ##{"type":"InterRed::Userlink","linktype":"b","linkoffset":0,"ziel_ba_name":"cwx_artikel","bid":0,"cid":0,"extern":"","fragment":"","t3uid":"65402","page":0,"text":"knapp 9 Milliarden Franken","target":"_top","alias":"","_match":"","_custom_params":[]}#! über die Grenze verkauft wurden. Das ist ein verbesserungswürdiger Wert, findet der Dachverband, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Exportwirtschaft voranzutreiben. War dieses Ziel am 14. Januar aber noch ein 1000-Meter-Lauf, ist es heute ein Marathon. ICTswitzerland weiss derzeit nicht, wie man reagieren soll, beziehungsweise will keinen Alleingang starten. Betroffene Firmen sind aufgefordert, sich beim Verband zu melden, damit gemeinsam nach Lösungen gesucht werden kann. ###BILD_45348_fullwidth### Thomas Flatt, Vizepräsident von ICTswitzerland, hat mit einigen Unternehmen gesprochen und die Meinungen mit uns geteilt. Unternehmen mit geringen direkten Produktionskosten – beispielsweise mit Software als Produkt – können offenbar den Margenverlust verschmerzen. Auch wer Güter herstellt, die keine Commodities sind, kann die Wechselkursnachteile besser verkraften und die Preise anpassen. Wer zu keiner dieser zwei Gruppen gehört, muss entweder die Preise erhöhen oder Margenverluste in Kauf nehmen. Allerdings befinden sich die Exporteure dabei in einem Dilemma, sagt Flatt. Sie könnten nicht einfach versprechen, einen Teil des Wechselkursnachteils zu absorbieren. Dadurch würden die Kunden fürchten, weniger fürs Geld zu bekommen. Wenn das Unternehmen aber gleiche Leistung bei tieferem Preis verspricht, fragen sich die Kunden, warum sie zuvor mehr bezahlt haben. Doch auch wenn das Auslandsgeschäft lukrativ und ausbaufähig ist, die Unternehmen sorgen sich derzeit mehr darum, was in ihrem eigenen Garten geschieht. «Es besteht natürlich die Angst, dass insbesondere Dienstleister aus der EU jetzt in die Schweiz kommen und uns im Heimmarkt noch mehr angreifen», zitiert Flatt die am häufigsten geäusserte Befürchtung. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das sagen die Firmen

Ruhe bewahren

Und was sagen die Firmen selbst? Einige scheinen nach dem SNB-Entscheid völlig perplex zu sein. Die Banken-Software-Anbieter Avaloq und Temenos können auf Anfrage nicht einmal sagen, ob der Entscheid bei ihnen ein Thema ist. Anders Konkurrent Finnova, für den die Mindestkursaufhebung aufgrund geringer Auslandsgeschäfte keine Folgen hat. Auch die Entwicklungskapazitäten in der Schweiz hätten auf der Kostenseite nur einen minimal positiven Effekt, heisst es auf Anfrage. Bei AdNovum klingt es ähnlich: Man habe derzeit nur einen geringen Umsatz im Ausland. Kurz- und mittelfristig sei man aber ohnehin nur marginal betroffen, weil die Leistungen nach Möglichkeit nahe beim Kunden oder an Shoring-Standorten erbracht werden. AdNovum besitzt solche in Ungarn und Ho Chi Minh City. ###BILD_49330_left###Rund 10 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet dagegen Ergon Informatik im Ausland. CEO Patrick Burkhalter geht davon aus, dass bei einer aktuellen Kursstabilisierung die Einnahmen und die EBIT-Marge um rund 2 Prozent sinken werden. Man evaluiert in den nächsten Wochen, ob die Preise angepasst oder der Absatz gesteigert werden soll. Netcetera macht gar 15 Prozent des Umsatzes im Ausland und rechnet mit rund 5 Prozent Umsatz- beziehungsweise 15 Prozent Gewinneinbussen. «Bei allen Verträgen die vor dem Entscheid ausgehandelt wurden, werden wir (in CHF) gerechnet, ca 15 bis 20 Prozent weniger einnehmen. Bei neuen Verträgen wird uns der Kurs zwar bewusst sein, die Preise einfach so erhöhen, werden wir aber nicht können,» sagt Andrej Vckovsi. Dies sei verkraftbar. Der CEO von Netcetera gibt sich hinsichtlich der Konsequenzen pragmatisch: «Wir werden wieder mehr auf den Wechselkurs schauen müssen.»

OBS bedingt überrascht

###BILD_49331_left###Wirklich problematisch dürfte der SNB-Entscheid für Firmen sein, die hauptsächlich international agierende Kunden haben, wie etwa Orange Business Services Schweiz. Deren Managing Director Jörg Henseleit bestätigt, dass das Unternehmen den grössten Teil des Umsatzes ausserhalb der Schweiz macht. Allerdings hält sich der Schaden auch hier in Grenzen. «Die Auswirkung auf unsere Wettbewerbsfähigkeit ist relativ klein, weil die Mehrheit der globalen Dienstleistungen und Kostenstruktur nicht in der Schweiz ist und verrechnet wird», sagt Henseleit. Man habe aus der Vergangenheit gelernt. «Nach der letzten Euro-Krise haben wir unsere Prozess- und Kosteneffizienz deutlich verbessert, daraus entstand ein laufender Optimierungsprozess.» Die Entscheidung der SNB sei auch keine grundlegende Überraschung, aber zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten gewesen. Man müsse nun geplante Verbesserungen beschleunigen. Dazu gehöre, von Kurssicherungen in den Kundenverträgen Gebrauch zu machen und den Anteil der Dienstleistungen und Abrechungen in der Schweiz zu erhöhen. Henseleits Fazit ist derzeit wohl für viele Firmen gültig: «Die Situation ist nicht angenehm, aber zu handhaben.»



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