02.04.2012, 11:56 Uhr

Mit «Big Data» den «Big Bang» erforschen

Das niederländische Institut für Radioastronomie Astron und IBM lancieren ein fünfjähriges Forschungsprojekt, um sehr leistungsfähige und energieeffiziente neue IT-Systeme für das «Square Kilometer Array»-Teleskop (SKA) zu erforschen. Beteiligt sind auch Schweizer Forscher.
Das SKA-Teleskop soll dereinst Datenmengen in ungeahnter Höhe absondern
Das derzeit von einem internationalen Konsortium geplante SKA-Teleskop wird nach seiner Fertigstellung in 2024 das weltweit grösste und empfindlichste Radioteleskop sein. Es soll Antworten auf einige grundlegende Fragen zur Entstehung von Galaxien, schwarzer Materie und dem «Big Bang» – dem Urknall – liefern. Mit Tausenden von Einzelteleskopen, deren Fläche zusammen einen Quadratkilometer ergibt, stellt das SKA ein Radioteleskop der Superlative dar. Auch in punkto Datenverarbeitung erreicht das gigantische Teleskop neue Grössenordnungen. Laut Schätzungen werden an einem Tag rund ein Exabyte – das sind 1 Milliarde mal 1 Milliarde Bytes – an Funksignalen aufgenommen.       

«Nehmen Sie den täglichen, weltweiten Datenverkehr im Internet und multiplizieren Sie ihn mit zwei, dann erreichen Sie die Grössenordnung an Daten, die das SKA-Teleskop an einem Tag generieren wird», erklärt IBM-Forscher Ton Engbersen und ergänzt: «Das ist 'Big Data' im Extremfall». Die Analyse eines solchen Datenvolumens erfordert Hochleistungssysteme und Übertragungsnetze mit einer Kapazität, die weit über die aktuellen State-of-the-art-Lösungen hinausgehen. Man spricht dabei von so genannten Exascale-Systemen – Computer, die in der Lage sind, das 100-fache an Daten zu verarbeiten als die derzeit schnellsten Rechner.       

Um diese einzigartige Herausforderung zu lösen, haben Astron und das IBM-Forschungslabor in Rüschlikon das Dome-Projekt ins Leben gerufen. Das Forschungsvorhaben mit einem Gesamtfinanzierungsrahmen von 32,9 Millionen Euro wurde benannt nach dem zweithöchsten Berg der Schweiz, dem 4545 Meter hohen Dom und den charakteristischen Kuppeln von Radioteleskopen, die im Englischen „dome“ heissen. Im eigens für das Projekt geschaffenen «Astron & IBM Center for Exascale Technology» im niederländischen Drenthe wird ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern beider Institutionen massgebende Zukunftstechnologien und hocheffiziente Exascale-Systemarchitekturen erforschen, die das Verarbeiten, Speichern und Analysieren solcher riesigen Datenmengen ermöglichen.   Lesen Sie auf der nächsten Seite: Techniken, die in Dome erforscht werden

Zu den Techniken, die in Dome erforscht werden, zählen spezialisierte Beschleuniger-Prozessoren,  dreidimensional gestapelte Chips für energieeffizientes Computing, neue optische Datenübertragungstechniken und Silizium-Nanophotonik für die Übertragung sehr grosser Datenmengen sowie Hochleistungsspeichersysteme, neue Magnetbandspeichersysteme und frische Memory-Techniken für die Optimierung der Datenspeicherung und -archivierung.       

Ein zentraler Schwerpunkt der Forschungsarbeit sind computerbasierte Modellierungen. Um ein grundlegendes Design der IT-Infrastruktur für das SKA mit realistischen Annahmen entwerfen zu können, werden ausgeklügelte Methoden für die Modellierung und Optimierung von komplexen IT-Systemen zum Einsatz kommen. Die Methoden wurden am IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon entwickelt und bereits mehrfach in der Praxis angewendet. Die Basis für die Simulationen der SKA-Infrastruktur bildet eine Analyse des bestehenden Systems für das Lofar-Teleskop, das Astron bereits in den Niederlanden betreibt. Dieses spezielle Radioteleskop zählt zu den so genannten «Pfadfindern», die als wegweisend für das weitaus grössere und komplexere SKA gelten. Ton Engbersen unterstreicht: «Mit Dome starten wir eines der datenintensivsten wissenschaftlichen Projekte, die jemals geplant wurden. Die Erkenntnisse und technischen Innovationen, die daraus resultieren, werden auf viele andere Anwendungen in Wissenschaft und Wirtschaft – weit über die Radioastronomie hinaus – 'abstrahlen' und von grosser Relevanz sein.»



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