02.05.2013, 15:42 Uhr

Mit Big Data Analytics Finanzkrisen verhindern

Das Risikomanagement von Banken nutzt oft Software von SAS. Die Finanzkrise konnten die Algorithmen aber nicht verhindern. Das hat sich geändert, weiss SAS-CEO Jim Goodnight.
SAS-Mitgründer Jim Goodnight hilft Finanzkonzernen bei der Risikokalkulation
US-amerikanische Grossbanken setzen genau wie Schweizer Institute auf Lösungen für Basel III, Compliance und Risikomanagement von SAS. Den Produkten wird von Analysten und Marktforschern allenthalben bescheinigt, gut in ihren jeweiligen Disziplinen zu sein. Das war auch vor der Finanzkrise schon so. Trotz der ausgefeilten Algorithmen konnten die SAS-Lösungen den weltweiten Einbruch der Finanzmärkte nicht verhindern. Ein Software-Fehler? Nein, meint CEO Jim Goodnight am Rande der Hausmesse «SAS Global Forum» in San Francisco im Gespräch mit Computerworld. Ein Auslöser des Crashes im Jahr 2007 und danach seien Hypothekenkredite gewesen, die gebündelt mit anderen Kreditrisiken an Banken weltweit verkauft wurden. Diese Bündel hatten die Ratingagenturen zu gut bewertet. Damals wurden die Pakete nicht entbündelt, um jeweils die Risiken separat für jeden Vertrag zu bewerten. «Heute ist herrschende Praxis in Finanzinstituten, jedes Bündel zu entpacken und die Risiken individuell zu prüfen», sagt Goodnight. Dabei helfe der technologische Fortschritt. «Hochleistungs-Analytik mit massiv paralleler Verarbeitung erlauben Risikomanagement-Kalkulationen innerhalb von Minuten, nicht mehr in Stunden oder Tagen wie früher», erklärt der CEO. Die Programme könnten das Risiko von Fehleinschätzungen senken. SAS treibt das Analytik-Thema seit der Firmengründung vor fast 40 Jahren. Damals waren akademische Fragen in der Landwirtschaft die erste Anwendung für das «Statistical Analysis System» (SAS), erinnert sich Goodnight. Heute beanspruche jeder Analytik für sich, etwa der Datenbank-Anbieter Oracle, der ERP-Konzern SAP sowie das IT-Unternehmen IBM. Big Blue sei aber neben SAS aber der Einzige, der auch fortgeschrittene statistische Methoden wie mindestens eine Faktorenanalyse oder eine Überlebensanalyse bei den Kalkulationen einbeziehen könne. «Deskriptive Statistik oder Mittelwertvergleiche sind nützlich, genügen aber oftmals nicht, wenn der Blick in die Zukunft geworfen werden soll», meint der SAS-Mitgründer.

Antworten ohne Fragen

Hier stimmt sein Geschäftsleitungskollege Mikael Hagstrom selbstverständlich zu. Es könne wirtschaftlich erträglich sein, mithilfe von Big Data diejenigen Fragen zu beantworten, die man sich gestellt hat. Der Rückblick auf die Entwicklung von Produktverkäufen liefert dann allenfalls Anhaltspunkte für eine Marketingstrategie. «In den Daten steckt häufig aber viel mehr Information – und sie liefern Antworten auf Fragen, die man gar nicht gestellt hat», führt Hagstrom im Gespräch mit Computerworld aus. Mit den mathematischen Methoden kann der Datenanalytiker sinnvolle Signale aus dem allgemeinen Rauschen herausfiltern. So werden etwa in der industriellen Qualitätssicherung spezielle Software-Lösungen von den Ingenieuren verwendet. Solche Methoden sind laut Hagstrom auch auf die Finanzindustrie übertragbar, etwa bei der Betrugserkennung im Kreditkartenwesen. Nächste Seite: aus Basel III wird Innovation Hagstrom verantwortet bei SAS das Geschäft in Afrika, Asien und Europa. Die Herangehensweisen an Informatikprojekte in den verschiedenen Regionen seien teilweise immens, sagt er. Ist ein Handelskonzern an Vorhersagemethoden für seine Lieferkette interessiert, werden dafür in Europa jahrelange Projekte aufgesetzt. Der grösste Detailhändler der Philippinen beschloss im Dezember den Einsatz einer entsprechenden Lösung und startete den Rollout im Januar. Heute sind ein Viertel aller Filialen ausgerüstet. Die Asiaten bevorzugen Trial-and-Error, in Europa wird planvoll vorgegangen, sagt Hagstrom. «Manchmal überholt der Markt die geplanten Innovationen, allerdings scheitern auch Projekte in Asien.» Also sei keines der beiden Vorgehen richtig oder falsch.
Europa ist nach Aussage des SAS-Managers aber keineswegs konservativ. Ein Basel-III-Projekt bei einer Bank muss nicht beim Compliance-Reporting stehenbleiben, auch wenn es ursprünglich so geplant war. Die für Basel III notwendige Modellierung, die nach Aussage von Hagstrom wenig aufwändig ist, muss Datenquellen anzapfen. In dem Projekt wurden Risiko-Informationen, Finanzkalkulationen und Kundendaten zusammengeführt. Diese im Kreditgewerbe normalerweise strikt getrennten Daten erlaubten einen neuen Blick auf den Kunden.

Selbstbedienung in der Bank

Die Bank hatte die Möglichkeit, für jeden einzelnen Kunden eine Risiko-Abwägung seiner Finanzgeschäfte zu kalkulieren. Auch diese Berechnung ist gemäss Hagstrom nicht sehr aufwendig, wenn jedoch die Performance von 10 Millionen Kunden analysiert werden soll, sind grosse Rechenkapazitäten erforderlich. Wenn zusätzlich die Option besteht, dass eine Kalkulation für einen beliebigen Kunden jeweils innert Minuten absolviert ist, kann ein neues Geschäftsmodell entstehen. Der Kundenberater kann quasi in Echtzeit über die Kreditvergabe an ein mittelständisches Unternehmen entscheiden, noch bevor der Geschäftsleiter überhaupt ein alternatives Angebot eingeholt hat. Daneben kann das Finanzinstitut die einmal installierten Systeme auch mit einer Weboberfläche ausstatten. Anhand dieses Tools prüft der Inhaber eines KMUs künftig selbst, wie die Gelder durch seinen Betrieb fliessen oder ob es Engpässe gibt, erklärt Hagstrom. Solche Analysen rechneten Firmeninhaber heute meistens mit Excel und nicht mit einem professionellen Tool. Mit Online-Services für die Selbstbedienung könnte sich eine Bank aber neue Geschäftsfelder erschliessen und die Kundenbindung stärken.



Das könnte Sie auch interessieren