10.12.2015, 10:26 Uhr

Microsoft verärgert Schweizer KMU

Seit einigen Tagen wirbt Microsoft verstärkt für Windows 10. Hunderte KMU, die das Update deshalb durchführten, können in der Folge nicht mehr richtig arbeiten. Microsoft Schweiz ist hilflos.
Weil bisher zwar viele, aber offenbar nicht genug Kunden von Windows 7 oder 8 auf das neuste Betriebssystem gewechselt sind, änderte Microsoft mit dem November-Patch die Update-Policy. Bislang erschien auf dem Bildschirm der Nutzer einmal eine Meldung, doch bitte auf Windows 10 upzugraden. Wer das nicht wollte, wurde nicht mehr belästigt. Seit Ende November nützt einmaliges «Nein»-Klicken allerdings nichts mehr, der Kasten taucht in regelmässigen Abständen wieder auf.
Und die vorgenommenen Änderungen sind derart unprominent angekündigt, dass manch einer denkt, es handle sich einfach um ein kleineres Update seines aktuellen Systems und klickt «Ja», um nicht mehr belästigt zu werden. Damit steht Microsoft vor einem Problem. Denn was ursprünglich Privatkunden zu Windows 10 locken sollte, betrifft auch KMU, die nicht an ein Domain-Netzwerk angeschlossen sind. Darunter fallen diverse Kleinunternehmen wie Arzt- oder Anwaltpraxen, die nur eine Handvoll Angestellte und keine Ressourcen für eine eigene IT haben. Diese KMU können nicht mehr wie gewünscht arbeiten, seit sie notgedrungen auf Windows 10 gewechselt haben. Robert Kieslich von Schenk Röntgenbedarf AG verkauft digitale Röntgen-Systeme an Arztpraxen. Bei Kunden, die das Update durchführten, funktioniert seine Gerätesoftware nicht mehr und die verständnislosen Kunden belagern das Service-Center derart stark, dass in den letzten Tagen drei Mitarbeiter nur mit der Beantwortung der Anrufe beschäftigt waren. «Hier geht es um Menschenleben», sagt Kieslich, der zu seinem Frust bei Microsoft mit seinem Anliegen bisher auf taube Ohren gestossen ist.

Unnötige Updates nötig

Durch das Update werden unter anderem SQL Server 2008 und 2008R2 von Windows 10 nicht mehr unterstützt. Auch Drucker- und/oder Scannertreiber funktionieren nicht mehr, bei Multifunktionscentern (z.B. HP oder Canon) soll die komplette Scan- oder Faxsoftware nicht mehr brauchbar oder sogar deinstalliert sein. Auch andere Programme wie die Backup-Software Acronis, diverse Buchhaltungssoftware, RX, Diktiersoftware oder ältere Twixtel-Versionen sollen nach dem Update nicht mehr funktionieren. Darüber hinaus kommen viele Anwender nicht damit klar, dass Microsoft Edge nun ihr neuer Standard-Browser und PDF-Reader sein soll. Kurzum: Die Kunden sind genervt.
All diese Probleme können mit einem Update der jeweiligen Software behoben werden. Gerade prozesskritische Software benötigt in der Regel aber Zeit für die Anpassung an neue Betriebssystem-Versionen. Zudem haben diese kleinen KMU in der Regel keine eigene IT-Abteilung und haben entweder nicht das Wissen oder die Zeit, die Updates durchzuführen. Deshalb wenden sie sich an ihre IT-Dienstleister, die entweder die Aufträge in Rechnung stellen oder Kulanz beweisen können. Beides ist suboptimal, insbesondere, weil der ganze Prozess nicht nötig wäre da mit den alten Windows-Versionen problemlos gearbeitet werden konnte.

100-150 Beschwerden in wenigen Tagen

Vitodata entwickelt vitomed, eine Applikation für Patientendaten. Ärzte können damit unter anderem Messergebnisse von Ultraschalls oder Labortests zentral sammeln und analysieren. Vitodata ist aktueller Microsoft Partner des Jahres im Bereich «Mobility» und ebenfalls betroffen. «100 bis 150 Kunden haben sich seit dem November-Update gemeldet», sagt Markus Bont, Produktmanager bei Vitodata. «Mehr tun als ihnen zu sagen, sie sollen die Updates nicht durchführen, können wir nicht. Bei einigen haben wir auch die alten Windows-Versionen wieder raufgespielt, weil gar nichts mehr ging. Natürlich verstehe ich, dass Microsoft alte Softwareversionen nicht mehr aktuell halten will, bei uns ist das genau gleich. Aber dass dann die Kunden quasi gezwungen werden zu wechseln, kann nicht sein.» Markus Bont hat bei Microsoft einen persönlichen Ansprechpartner, doch viel genützt hat ihm das nicht. «Microsoft Schweiz sagt, die Situation tue ihnen leid. Sie könnten aber nichts daran ändern, weil dies eine globale Strategie sei bei der man davon ausging, dass Geschäftskunden ein Domain-Netzwerk hätten.» Um die Situation zu verbessern, habe Microsoft nur anbieten können, «in den nächsten Tagen» Tools zur Verfügung zu stellen. Eine Lösung, die weder Bont noch seine Kunden glücklich macht. «Die Kunden rufen uns an weil sie nicht weiterwissen. Sie werden gezwungen ein Update zu machen um ihre Systeme am Laufen zu lassen, die mit Windows 7 oder 8 noch problemlos einige Jahre gelaufen wären.» Die Presseabteilung von Microsoft Schweiz sagte auf Anfrage, über das Problem nicht informiert zu sein. Sie empfiehlt, die neusten Updates zu installieren.



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