23.02.2015, 16:01 Uhr

Keine Stempeluhr ab 120 000 Franken Lohn

Ein Ende des Streits um die Arbeitszeiterfassung scheint in Sicht: Die Sozialpartner konnten sich auf einen Vorschlag von Bundesrat Johan Schneider-Ammann einigen. Für die ICT-Branche dürfte dieser aber herzlich wenig Änderungen mit sich bringen
45 Stunden pro Woche, in gewissen Branchen 50 Stunden. Das ist die gesetzlich festgeschriebene Höchstarbeitszeit. Alles darüber wird als Überzeit bezeichnet und muss entweder durch Freizeit von gleicher Dauer oder mit einem Lohnzuschlag von mindestens 25 Prozent vergütet werden. Doch was im Arbeitsgesetz klar geregelt ist, sorgt seit Jahren für Diskussionen. Die vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung gefällt in der heutigen Ausarbeitung niemandem so richtig und ihre Einhaltung wird von den Behörden nur unzureichend kontrolliert. Eine Veränderung der Situation könnte nun aber sehr schnell eintreten.

120 000 Franken als Untergrenze

Bundesrat Johan Schneider-Ammann hat sich mit den Sozialpartnern (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände) auf einen Vermittlungsvorschlag geeinigt. Künftig soll auf die Arbeitszeiterfassung verzichten können, wer einen AHV-pflichtigen Lohn von mindestens 120 000 Franken (inkl. Boni) oder höher erhält und «über eine sehr grosse Arbeitszeitsouveränität» verfügt. Bedingung ist aber, dass der Verzicht «im Rahmen eines Branchen- oder Unternehmens-Gesamtarbeitsvertrags» (GAV) erfolgt. Zusätzlich sollen Arbeitnehmer mit «gewisser Zeitsouveränität in Vereinbarung mit der Arbeitnehmerschaft» eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung (notieren der täglichen Arbeitszeit) vornehmen dürfen. Bislang müsste beispielsweise jede WC-Pause aufgeschrieben werden, was vor dem Hintergrund der zunehmenden Flexibilität am Arbeitsplatz ein Relikt aus vergangenen Tagen ist. Branchen wie Versicherungen oder Banken dürften die neue Regelung begrüssen, in der IT-Branche dagegen ist kaum mit Veränderungen zu rechnen.

Für die ICT unbedeutend

Variante 1 kommt hier nicht in Frage, weil es keinen GAV in der Schweizer ICT gibt. Und Variante 2 ist sehr schwammig formuliert. Wie wird beispielsweise die Zeitsouveränität definiert? Aber für die ICT-Branche ist die Arbeitszeiterfassung an sich ohnehin nicht das Problem. Diese wird durchgeführt, versichern verschiedene Exponenten. Das Problem sei eher die Art der Kompensation. «Ich denke, dass in der ICT weniger das Nichtbezahlen der Mehrarbeit ein Problem ist, als die damit einhergehende Mehrbelastung», sagte uns Andrej Vckovski, CEO von Netcetera, letztes Jahr. «Oftmals lässt der Projektdruck und Fachkräftemangel nur eine finanzielle Kompensation zu, was wiederum der Erholung abträglich ist.» Gleich klingt es bei Ruedi Noser, Chef von rund 500 Angestellten und Präsident von ICTswitzerland: «Mitarbeiter sollen die Zeit, in der sie arbeiten, aufschreiben und kompensieren können».

Scheffeln für den Sabbatical

Solange aber die Auftragsbücher voll und die Fachkräftesituation angespannt ist, wird sich die Lage nicht ändern und die ITler dürfen sich zwar die Taschen füllen, erhalten aber keine Gelegenheit, das Geld auszugeben. «Darum ist die Entschädigung der Mehrarbeit so wichtig», sagt Arno Kerst, Präsident der Gewerkschaft Syna, zu bedenken. «Mit dieser können sich Arbeitnehmende bei einem Stellenwechsel ein erholsames Sabbatical finanzieren. Ein Grund mehr, die Arbeitszeit zu erfassen.»

Plötzlich geht's schnell

Die von Bundesrat Schneider-Ammann vorgeschlagene Verordnungsanpassung wird noch diese Woche in der zuständigen Ständeratskommission beraten. Wird sie angenommen, hat der Bundesrat die Möglichkeit, selbstständig die Verordnung des Arbeitsgesetzes anzupassen. Die neuen Regeln würden dann bereits im dritten Quartal 2015 gelten.



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