23.01.2013, 11:42 Uhr

Ist Steve Ballmer der richtige Mann für Microsoft?

Steve Ballmer steht in der Kritik. Das ist nicht neu für den Microsoft CEO, doch selten wurde sie so fundiert vorgetragen wie im Falle eines Buches, das von einem langjährigen Microsoft-Manager geschrieben wurde.
Grimmig und aggressiv blicke Ballmer drein. So einen CEO brauche Microsoft nicht mehr, sagt ein langjähriger Mitarbeiter
Joachim Kempin hat zwei Jahrzehnte lang (1983-2002) für Microsoft gearbeitet und war zwischenzeitlich für die Softwareverkäufe an Computerhersteller verantwortlich, mit direktem Zugang zu Bill Gates. Es ist darum sicher nicht falsch zu behaupten, er kenne die Firma aus Redmond gut. Das alleine würde seinem gestern in Buchform erschienenen Werk «Resolve and Fortitude: Microsoft's Secret Power Broker Breaks His Silence» noch keine grosse Beachtung schenken, doch der Inhalt sorgt für Aufsehen. Kempin behauptet im Rahmen seiner Buchpromotion gegenber der Nachrichtenagentur Reuters, dass das Unternehmen nur eine Chance hat, wenn es einen grossen Wechsel an der Managementspitze gibt. «So sehr ich Steve Ballmer respektiere, auch er könnte dazu gehören.»

Viele Wechsel im obersten Management

Er wirft Ballmer vor, kontinuierlich Leute ausgebootet zu haben, die ihm den CEO-Sitz streitig machen wollten, den er seit 2000 innehat. Anders als andere Kritiker belässt es Kempin aber nicht nur bei Pauschalaussagen, sondern bringt konkrete Beispiele. Als erstes hätte er dieses Vorgehen bei Richard Belluzo gesehen, der für die erfolgreiche Einführung der Xbox verantwortlich war, aber nach nur 14 Monaten sein Amt bereits wieder abgab. « Wenn du direkt mit Ballmer zusammenarbeitest und der sich denkt 'vielleicht könnte mich dieser Typ eines Tage beerben`, dann hast du sehr wenig Spielraum. Mein Gott, Beluzzo bekam kaum noch Luft.» Es gab noch eine Reihe weiterer ranghoher Microsoft-Mitarbeiter, die im letzten Jahrzehnt das Unternehmen verliessen: Kevin Johnson, Chef der Windows- und Onlinesektion, wechselte 2008 als CEO zu Juniper. Der ehemalige Office-Chef Stephen Elop ging vor zwei Jahren zu Nokia und letzten November verabschiedete sich auch Steven Sinofsky, zuvor Windows-Chef und für viele der legitime Nachfolger Ballmers. Zwischen Sinofsky und Elop verliess auch noch Ray Ozzie das Unternehmen, immerhin der Entwickler von Lotus Notes und von Gates mit so viel Vertrauen bedacht, dass er ihn als «der Denker für die grossen Dinge bei Microsoft» bezeichnete. Ihn erwähnt Kempin besonders: «Ozzie ist ein grossartiger Software-Mensch, er wusste, was er tut. Aber immer wenn man ihn und Ballmer zusammen sah und Ozzie hatte eine andere Meinung, gab es nur einen, der Recht hatte. Es gab Steves Weg ? oder man landet auf der Strasse.»

Als COO top, als CEO nicht

Gründe für den Führungsstil nennt der Autor nicht wirklich. Ballmer sei ein sehr guter Geschäftsmann, so Kempin «Machen sie ihn zum COO und ihre Firma startet durch.» Aber er sei in gewissen Bereichen limitiert ? «und vermutlich hat er das noch nicht einmal selber realisiert.» Darum zweifelt Kempin an, dass Ballmer ein guter CEO ist. Nur habe dies für ihn keine Konsequenzen, weil im Aufsichtsrat von Microsoft «lahme Enten sitzen, die Leute nur zum Administrieren einstellen, anstatt zum Führen.» Daraus ergaben sich in den letzten Jahren schwerwiegende Managementfehler, schreibt der Autor in seinem Buch. Zwar hätte Microsoft vorausgesehen, wohin die technische Entwicklung geht, aber hätte mit dem Eintritt in den Tablet-, Smartphone und Social-Media-Markt so lange zugewartet, bis diese Bereiche von Unternehmen wie Apple besetzt wurden. «Sie haben alle Möglichkeiten verpasst über die bereits geredet wurde, als ich noch im Unternehmen war», so Kempin. «Tablets, Telefone; wir waren für alles bereit, haben aber nichts zu Ende gebracht». Darum sei es an der Zeit für einen Führungswechsel. «Microsoft braucht einen 35-40-Jährigen, einen jungen Menschen der die Facebook-Generation und die mobile Gesellschaft versteht. Sie brauchen nicht mehr diesen Typ auf der Bühne, der mit seinem grimmigen, aggressiven Blick die nächste Windows-Version ankündigt und das Gefühl hat, damit etwas zu erreichen.»



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