Huawei 04.06.2015, 15:41 Uhr

«Nur mit dem Preis kann man nicht argumentieren»

Die chinesische Huawei wird von Jahr zu Jahr ein wichtigerer Player als Anbieter von Rechenzentrenkomponenten und für Telelkomausrüstung. Was steckt auch technisch hinter dieser Expansion? Computerworld Schweiz fragte bei Wing Kin Leung nach, dem CTO der Enterprise Business Group bei Huawei.
Computerworld: Vor ein paar Jahren war Huawei kaum ausserhalb Chinas bekannt. Wie konnten Sie Ihre jetzige Stellung in Europa erreichen?
Wing Kin Leung: Huawei hat genau genommen zwei Expansionsgeschichten, die unterschiedlich verliefen. Bei der Telekomausrüstung expandierten wir zunächst in Entwicklungsländer und von dort in die Industrieländer. Beim Geschäft für Unternehmensinformatik und –netzwerke konnten wir uns ausserhalb Chinas zunächst in den Industrieländern etablieren und gehen jetzt den Markt in den Entwicklungsländern an.
Und diese Expansion ist seit Längerem im Gang. Global gesehen ist der Umsatz bereits seit 2005 ausserhalb Chinas grösser als in unserem Heimmarkt. Beim Enterprise-Geschäft sind wir heute noch in China grösser als ausserhalb, allerdings wächst das Auslandsgeschäft schneller als das inländische.
CW: Im Enterprise-Markt treffen Sie in der Schweiz und Europa auf etablierte Firmen wie IBM, HP und Cisco. Wie haben Sie es geschafft, denen Marktanteile abzuluchsen? Haben Sie die Konkurrenz einfach unterboten, oder haben Sie auch technische Argumente zu bieten?
Leung: Es war eine Kombination. Wir sind natürlich, was das Preis-Leistungs-Verhältnis angeht, sehr kompetitiv. Nichts gegen den Marktführer im Netzwerkbereich, aber nehmen wir die Firma als Beispiel: In diesem Bereich haben sie global einen Marktanteil von 60 bis 70 Prozent und können dabei Margen von bis zu 70, in manchen Fällen bis zu 80 Prozent einstreichen. Hier ist man somit schnell einmal mit einem günstigeren Angebot im Rennen um Firmen, die sowohl die Anschaffungs- als auch die Betriebskosten reduzieren wollen. Gerade in Ländern wie der Schweiz kann man aber trotz Kostendruck nicht nur über den Preis argumentieren. Hier muss man sich auch als zuverlässiger und langfristiger technischer Partner und Berater etablieren können.
CW: Können Sie technische Vorteile nennen?
Leung: Wir haben in allen Bereichen eine eigene Chipset-Entwicklung, also sowohl im Networking, Storage als auch im Server-Computing. Bei den Servern beispielsweise ist es uns gelungen, Systeme mit Intel-CPU massiv zu skalieren. Standardmässig sind hier Rechner mit 8 CPU möglich, durch unsere eigene Chipsettechnik ist es uns aber gelungen, bis zu 16 und 32 CPU in einem System zu unterstützen. Das ist weltweit ein Alleinstellungsmerkmal für Huawei. Darüber hinaus können wir mehr Server in einem Rack unterbringen. Dabei verwenden wir Techniken, die wir zusammen mit dem chinesischen Online-Händler Alibaba entwickelt haben, der für seinen Betrieb über 500‘000 Server unterhält. Hierbei sind Themen wie effiziente Kühlung und Platzmanagement sehr wichtig. Daneben haben wir sehr konvergente Produkte, bei denen wir Rechen-Power und Verbindungen in einem Paket anbieten können. Schliesslich bauen wir Hardware für spezielle Software-Produkte wie etwa das In-Memory-Angebot Hana von SAP. Nächste Seite: Spionagevorwürfe und Telekom-Markt
CW: Huawei wurde ja wiederholt von den USA der Spionage bezichtigt. Gut, nach Snowden wissen wir, dass auch US-Technik mit Hintertüren ausgeliefert worden ist. Trotzdem: Wie gewinnen Sie das Vertrauen von sehr vorsichtigen und Sicherheits-bewussten Unternehmen in der Schweiz wie etwa aus der Finanzwelt und der Pharmaindustrie?
Leung: Wir werden tatsächlich immer wieder hierauf angesprochen. Die Vorwürfe bestehen dabei schon seit Jahren. In all dieser Zeit wurden allerdings keinerlei Hinweise bei unseren Produkten gefunden. Im Gegenteil, wir sind sehr um Transparenz bemüht und lassen uns von unabhängigen Stellen auf Herz und Nieren testen. In einigen Fällen geben wir sogar unseren Source Code heraus. Letztes Beispiel ist ein Bericht der britischen Regierung über unsere Tochter Huawei Cyber Security Evaluation Centre (HCSEC), in dem steht, dass keine Gefahr von Huawei für die kritischen Infrastrukturen des Königreichs ausgeht. Das Problem mit diesen Überprüfungen ist allerdings noch, dass diese in jedem Land unterschiedlich sind und es leider noch keine weltweite Auditing-Instanz gibt. Mittlerweile erhalten wir auch immer weniger kritische Fragen. Die Firmen sehen, dass wir in diesem Bereich sehr viel tun, und gutieren unsere Efforts. In Sachen Transparenz werden wir inzwischen eher als führend angesehen.
CW: Lassen Sie uns über den Telekom-Markt sprechen. Auch hier haben Sie mit Ericsson einen grossen Konkurrenten. Wie unterscheiden Sie sich?
Leung: Darf ich zunächst festhalten, dass wir im Carrier-Markt in Sachen Umsatz inzwischen global zur Nummer 1  aufgestiegen sind. Aber Sie haben Recht: Huawei und Ericsson sind hier die grössten Anbieter. Zu Ericsson gibt es aber beträchtliche Unterschiede. Die Firma ist fokussiert im Bereich Wireless. Das sind wir auch, unser Portfolio ist aber grösser. So sind wir etwa stark in optischer Netzwerkausrüstung, im klassischen Telefonnetz und im IP-Core. Wir haben also ein viel grösseres Produkte-Portfolio im Angebot. Gerade im Carrier-Markt sind aber noch zwei weitere Punkte sehr wichtig: Die finanzielle Stärke des Anbieters und die Langlebigkeit. Denn in diesem Business wird über sehr grosse Zeithorizonte investiert. Da muss ein Anbieter auch eine bedeutende Entwicklungsabteilung haben, um sicherstellen zu können, dass er bei der Weiterentwicklung der Technik langfristig an vorderster Front mit von der Partie ist.
CW: Was sind die grössten Herausforderungen?
Es gibt hier zwei Hauptaufgaben. Zum einen müssen wir technisch gesehen, ein enormes Wachstum an Daten bewältigen. zum andern erhalten die Telekomanbieter immer weniger Geld für die Dienstleistungen. Als Lösungsanbieter müssen wir somit Technik liefern, die einerseits mit dem Datenwachstum fertig wird, und andererseits die Kosten der Telcos in Schach hält. Nächste Seite: Forschung und Entwicklung
CW: Sie haben die Wichtigkeit von Forschung und Entwicklung betont. Wie gross ist diese Abteilung, wieviel geben Sie für die Forschung aus?
Leung: Unsere Forschungsabteilung ist riesig. Von weltweit 170‘000 Mitarbeitern arbeiten 76'000 in Forschung und Entwicklung. Das entspricht der kompletten Belegschaft einiger unserer Mitbewerber. Das ist sehr gewollt so, wir haben nämlich eine Richtlinie, dass 45 Prozent unserer Belegschaft in Forschung und Entwicklung tätig sind. Deshalb konnten wir technologisch so schnell aufholen und sind inzwischen in vielen Bereichen führend. Derzeit haben wir sechs Entwicklungszentren, die wir jeweils dort errichten, wo wir zu den Talenten kommen. So sind wir beispielsweise in Stockholm, im Silicon Valley sowie in München und Mailand präsent.
CW: Aber nicht in der Schweiz…
Leung: Noch nicht, aber wer weiss… Wir eröffnen jedenfalls ständig neue Forschungsstandorte, so zuletzt in Paris, wo wir das Geräte- und App-Design für unsere Smartphones entwickeln. Aber auch unser Forschungsfokus ändert sich. Bislang drehte sich unsere Entwicklung rund um unsere Produkte. Die Forschung wird aber zunehmend wissenschaftlich. Wir betreiben also zunehmend auch Grundlagenforschung, beispielsweise im Bereich Materialwissenschaft.
CW: Was sind einige der heissesten Techniken, an denen Huawei-Forscher arbeiten?
Leung: Da gibt es viele. Ein Problem, das alle IT-Geräte derzeit plagt, ist, dass die Chips und Umsysteme zu heiss werden. Dabei versuchen wir zu erreichen, dass gar nicht so viel Wärme entsteht. Daneben forschen wir an Kühlsystemen. Ein weiteres Problem, an dem wir arbeiten, ist die Verbindung aus dem Chassis. Diese ist nämlich auf 10 Gigabit pro Sekunde beschränkt und wird zunehmend zum Flaschenhals.
CW: Wie haben die Consumer-Geräte wie die Smartphones Ihnen im Geschäftsumfeld geholfen?
Leung: Wir werden dadurch sicherlich bei vielen Nicht-Telco-Leuten bekannt und unsere Visibilität ist gestiegen. Ob allerdings das Consumergeschäft uns im Enterprise helfen wird, wissen wir wohl erst in einigen Jahren.



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