HP 15.05.2015, 15:19 Uhr

«Intern waren wir immer schon getrennt»

Adrian Müller übernimmt ab Herbst die Leitung der Schweizer Niederlassung von HP Inc., der von Hewlett-Packard abgespaltenen Drucker-und Personal-Systems-Sparte. Diese Vor- und Nachteile bringt der Split.
Computerworld: Herr Müller, Sie leiten ab Herbst dieses Jahres die dann eigenständige HP Inc. in der Schweiz. Was bedeutet der Split für Sie und Ihre Mitarbeiter?
Adrian Müller: Da sind alle immer enttäuscht, aber so viel wird sich gar nicht verändern. HP Inc. bekommt u.a. ein eigenes HR und einen eigenen Landescontroller, weil eigenständig bilanziert wird. Aber die Finanzchefs der Business Units, die Channel-Organisation und der Vertrieb machen genau das Gleiche wie vorher. Da gab es schon immer alles doppelt, einmal beim HP Schweiz Managing Director Marcel Borgo, einmal bei mir. Was sich allerdings auf Corporate-Stufe ändert: HP Inc. – künftig HP Schweiz GmbH – wird eigenständig an der Börse kotiert sein und eigene Zahlen publizieren. Auch wird das Geld innerhalb des Konzerns nicht mehr umverteilt werden können.
CW: Das war letztlich wohl entscheidend.
Müller: Das kann man so sehen. Innerhalb der Konzerne werden weniger profitable Geschäftseinheiten von den profitableren querfinanziert, das ist ja auch in Ordnung, aber nicht zu lange.
CW: Alles aus einer Hand war lange Zeit HPs Motto. Kunden, die z.B. eine Storage-Lösung von HP einsetzen, aber auch Drucker und PCs, haben es fortan mit zwei Unternehmen zu tun. In Zukunft also alles aus zwei Händen?
Müller: Intern waren wir immer schon getrennt. Es gibt nur vereinzelt Verträge, die Server, Storage, PCs und Services umfassen. Kunden, die eine Serverkonsolidierung und PCs wollten, haben zwar beides zusammen in Auftrag gegeben. Aber intern ging der Auftrag dann zwei unterschiedliche Wege.
CW: Also gab es auch vor dem Split schon viele Hände, und nicht nur eine?
Müller: Ja, natürlich. Es gab eine ganz andere Margenstruktur, unterschiedliche Supply-Chain-Prozesse und eine andere Offertenerstellung. Eine Rechenzentrumskonsolidierung läuft anders ab, als z.B. neue Arbeitsplätze zu beschaffen. Unsere Partner und grösseren Kunden haben aber immer gewusst, wie wir ticken – und wir ticken schon sehr lange so. Es ändert sich nicht so viel, deshalb ist auch der Split nicht so kompliziert, wie viele sich das vorstellen. Die Aufspaltung in zwei Unternehmen wäre jedoch in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen, wenn wir nicht viel Vorarbeit geleistet hätten. Seit 2008 haben wir weltweit von über 90 Rechenzentren auf 6 konsolidiert. Sehr viele alte Applikationen wur­den abgelöst und durch modernere wie Salesforce.com oder Myworkday ersetzt.
CW: Wie wird die Aufspaltung im Herbst ablaufen?
Müller: Ab 1. August werden HP Inc. und Hewlett Packard Enterprise für ein Quartal getrennt rapportieren, aber es gibt immer noch die gleiche Bilanz der alten Hewlett-Packard. Wir wollen ab November an die Börse, und dafür müssen beide neuen Unternehmen zeigen, dass sie operativ arbeiten können. Wir müssen für ein Quartal beweisen, dass wir Aufträge entgegennehmen und liefern können, dass der Kunde bezahlt und die Rechnung dann in der richtigen Bilanz erscheint. Danach erteilt die Börsenaufsicht die Börsenzulassung. Das ist der Grund, weshalb intern ab 1. August aufgesplittet wird, gegen aussen und formell aber erst ab 1. November.
CW: Hat der Split auch personelle Kon­sequenzen? Die Querfinanzierung fällt weg. Möglicherweise haben es sich einige Mit­arbeiter auch zu bequem gemacht.
Müller: Ich würde das anders formulieren. HP hat über die letzten Jahre rund 50000 Arbeitsplätze abgebaut. Jedes Unternehmen, auch HP, muss am Markt bestehen, und wenn Sie zu hohe Kosten haben, bestehen Sie nicht. Ein Hauptanstoss für die Aufspaltung kam aber von den Investoren. Die haben sich gefragt: Wenn ich HP-Aktien kaufe, was kaufe ich dann? Storage-Lösungen, zukünftige Lösungen aus den HP-Labs oder einen hohen Cashflow aus der Tinten- und Toner-Einheit? Das ist für Investoren eine wichtige Frage. Viele sind institutionelle Orga­nisationen, die wissen wollen, ob sie in ein langsam wachsendes Unternehmen mit hohem Cashflow investieren oder in ein zukunftsträchtiges Portfolio, das noch auf kleiner Flamme brennt.
CW: Und was kaufen Investoren ab Herbst dieses Jahres?
Müller: Wenn Sie in die HP Inc. (HP Schweiz GmbH) investieren, dann in ein Unternehmen mit hohem Cashflow und verhältnismässig
wenig Mitarbeitenden. HP Inc. ist sehr handels­lastig und generiert mit wenigen Leuten einen hohen Cashflow. Das Geschäft wird nicht explodieren, aber eine solide, gute Rendite bringen. Sie wissen genau, woran Sie sind.
Bei Hewlett Packard Enterprise ist das ganze Outsourcing-Geschäft angegliedert, das sehr personalintensiv ist. Darum wird Hewlett Packard Enterprise mit rund sieben Mal mehr Mit­arbeitenden weltweit etwa gleich viel Umsatz und Operating Profit wie die künftige HP Inc. machen. Hewlett Packard Enterprise bzw. die Hewlett-Packard (Schweiz) GmbH) bietet Infrastruktur, Lösungen und Dienstleistungen rund ums Rechenzentrum an und setzt auf das Lösungsgeschäft mit Cloud, Big Data, Security und Mobility. HP Inc., das Handelsgeschäft, offeriert demgegenüber alles rund um den Arbeitsplatz, Drucker und PCs. Rund 17000 Tintenpatronen werden in der Schweiz jeden Tag von HP ausgetauscht. Wenn Sie PCs und Laptops zusammenzählen, dann ist HP in der Schweiz aktuell die Nummer eins, danach kommt Apple, dann Acer und Lenovo.
Auf der nächsten Seite: Fragen zu sinkenden PC-Abverkäufen, Margen im Druckermarkt und Innovationen bei HP.
CW: Obwohl es in den letzten Monaten eine kleine Renaissance gab, sind PCs aber doch auf dem absteigenden Ast. Die verkauften Stückzahlen sinken.
Müller: Wenn Sie Notebooks und klassische Desktops anschauen, dann liegt das Verhältnis seit Langem stabil bei etwa 60 zu 40. Viele haben prophezeit, dass es den Desktop nicht mehr lange gibt.
CW: Was ist mit der Gesamtheit Notebooks plus Desktops?
Müller: Die Gesamtmenge ging mit dem Aufkommen der Tablets stark zurück. Aber viele Kunden, die Tablets gekauft haben, haben dann gemerkt: Niemand schreibt Berichte auf dem Tablet, ich brauche mal wieder ein neues Notebook. Ausserdem lief im letzten Jahr der Support für Windows XP aus, und die Abverkäufe von PCs und Notebooks gingen demzufolge durch die Decke. Dieses Jahr geht der Verkauf wieder zurück – ein Rebound. Kunden haben aber den Lifecycle der Geräte verlängert. Der PC wird nicht mehr alle drei, sondern vielleicht nur alle fünf Jahre ersetzt. Aber auch in fünf Jahren werden noch ziemlich viele Leute am Desktop arbeiten. Die Total Cost of Ownership ist beim Desktop ungeschlagen. Gute Umsätze und einen sehr guten Service erreichen Sie allerdings nur über loyale Partner. Sie finden kein Unternehmen in der Schweiz, das so viele loyale Partner hat. Unsere erste Priorität lautet daher, dass die Kunden und Partner von dem Split nicht viel zu spüren bekommen.
CW: Ab welcher Unternehmensgrösse betreut HP Kunden selbst?
Müller: Etwa 80 Prozent läuft über unsere Partner, darunter fallen KMU, aber auch Retail bzw. Fachhandel. Grossunternehmen, zum Beispiel Grossbanken oder Pharmaunternehmen, die weltweit tätig sind, betreut HP selbst. Das ist ziemlich aufwendig für uns, aber es gibt keinen Partner, der 80 oder 100 Länder abdeckt.
CW: Die Unternehmensberatung Experton sagt über HP: Der Turnaround bei PCs und Laptops sei geschafft. Beim Printing sei der Umsatztrend weiterhin negativ. Woran hakt es?
Müller: Der Printer-Markt steht wie viele Märkte unter Druck, und wenn Märkte unter Druck stehen, dann sinken die Margen. In der Schweiz werden pro Jahr etwa 35 Mil­liarden Seiten gedruckt, schon über Jahre. Der Schweizer Druckermarkt ist also stabil, aber es findet ein Verdrängungskampf statt. Wenn Sie in einem wachsenden Markt tätig sind, können Sie auch mit einer mittelmässigen Leistung noch wachsen. Das ist im Druckermarkt nicht möglich. Es sind neue Player hinzugekommen und das Geschäft wird enger. Im PC-Markt hat vor einigen Jahren ein ähnlicher Verdrängungswettbewerb stattgefunden.
CW: Wie gehen Sie mit den schrumpfenden Margen im Druckermarkt um?
Müller: Es gibt prinzipiell drei Möglichkeiten: Sie müssen entweder die Produktivität erhöhen oder die Kosten reduzieren, indem Sie zum Beispiel Partner involvieren. Der dritte Weg besteht darin, in Forschung und Entwicklung zu investieren, um Produkte zu entwickeln, die einen kompetitiven Vorteil bringen. Mit diesen Produkten lässt sich dann wieder eine höhere Marge erzielen. In jeder Branche gibt es diese drei Wege.
CW: Wo sehen Sie die kompetitiven Vorteile von HP Inc.?
Müller: Viele Druckeranbieter kommen aus der Kopierumgebung, HP kommt aus der IT. Das ist im Printing-Geschäft ein Vorteil. Denn wenn der Drucker nicht druckt, liegt das eher selten an mechanischen Fehlfunktionen im Gerät selbst, sondern sehr häufig am Netzwerk, an Security-Einstellungen oder Ähnlichem – und das ist IT. Heute verkaufen wir nicht mehr nur einzelne Geräte, sondern zunehmend Managed-Printing-Lösungen.
CW: An welchen innovativen Technologien forscht HP gerade?
Müller: Die 5 Milliarden Operating Profit aus dem PC- und Druckergeschäft finanziert Technologie, die am Anfang des Zyklus’ steht. Wie zum Beispiel 3D-Drucker, die wir auf Grundlage von Tintenstrahltechnik, also unserer eigenen patentgeschützten Technologie, weiterent­wickeln. HP hat im Oktober letzten Jahres
den ersten 3D-Drucker vorgestellt, der 10 Mal schneller arbeitet als alle heutigen Modelle.
Sie können damit eine Schere, die aus drei beweglichen Komponenten besteht, auf Polycarbonatbasis drucken. Das bekommen Sie nur mit Zehntausenden von Düsen hin. Einige HP-Partner in den USA testen das Gerät gerade, nächstes Jahr kommt die Technologie auch nach Europa.
CW: Bewegliche Objekte mit 3D zu drucken, ist noch selten.
Müller: Das bekommen Sie ohne die Technologie HP Multi Jet Fusion gar nicht hin. Wenn Sie reich werden wollen, dann entwickeln Sie eine Formel für den Glasdruck. Glas können wir heute noch nicht drucken. Aber das wird sicher noch kommen. Wir sehen beim 3D-Druck eine grosse Welle auf uns zukommen.
CW: Wie lange braucht der HP-Drucker für den Druck einer Schere?
Müller: Etwa 30 Minuten, und die ausgedruckte Schere ist voll funktionsfähig und schneidet Papier. Aber wir stehen damit erst am Anfang. Zum Vergleich: Anfang 1980 haben wir mit der Tintenstrahltechnik 2 bis 3 S/W-Seiten pro Minute gedruckt, heute drucken wir 70 Seiten pro Minute in Farbe. Wenn Sie das jetzt hochrechnen, kommen Ihnen ganz andere Gedanken. Sie produzieren nicht 30000 Gläser in der Fabrik und transportieren die Ware dann zum Kunden, sondern drucken alles, was Sie benötigen, direkt vor Ort. Denken Sie an Maschinenkomponenten oder Getriebeteile, da entstehen ganz neue Geschäftsmodelle.
CW: Im Idealfall gibt man die digitalisierten Konstruktionspläne ein und sagt dann: Dieses Teil brauche ich.
Müller: Genau. Sie können die Teile in 3D de­signen oder einscannen und dann ausdrucken. Die Arbeit geht viel schneller von der Hand. Das ist erst der Beginn. Heute drucken wir Proto­typen, es wird mit Kleinserien weitergehen. Jedoch produzieren Sie nicht mehr in Massen, sondern drucken genau das, was der Kunde vor Ort und in exakt der Menge benötigt, just in time. Das wird enorme Auswirkungen auf Volkswirtschaften, zum Beispiel auf Logistikunternehmen haben. Wir stehen vor einer spannenden Zeit.
Zur Person Adrian Müller
Vor drei Jahren hat HP die Geschäfts­einheiten ISG (Imaging and Printing Group) und PSG (Personal Systems Group) verschmolzen. Seit zweieinhalb Jahren leitet Adrian Müller als Country General Manager die Printing and Personal Systems Group in der Schweiz. Im Herbst wird dieser Geschäftsbereich unter sei-ner Leitung zum eigenständigen Unternehmen HP Schweiz GmbH. www8.hp.com



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