27.10.2014, 10:04 Uhr

Gesundheitsdaten als Stressfaktor

Big Data ist gerade dabei, das Gesundheitswesen zu revolutionieren. Warum mehr Daten nicht unbedingt bessere Entscheidungsgrundlagen bieten, wurde am Hochschultag der ZHAW in Wädenswil diskutiert.
Kamera-Pillen für die Darmspiegelung, Roboter in der Pflege oder Linsen, welche den Insulinspiegel messen – so oder ähnlich könnte laut Stephan Sigrist, Gründer und Leiter des Think Tanks W.I.R.E des Collegium Helveticum, die nahe Zukunft unseres Gesundheitswesens aussehen. Die freiwilligen Gesundheitsdatensammler der Quantified-Self-Bewegung seien nur einer der Vorboten der totalen Selbstüberwachung von eigenen Körperfunktionen.
Das grosse Problem dabei sei aber nicht etwa nur die Datenfülle selbst, sondern auch die fehlende Fähigkeit, diese zu interpretieren, erklärte der Wissenschaftler im Rahmen des siebten Hochschultags der ZHAW Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften letzte Woche in Wädenswil. Das Angehen dieser neuen Herausforderung setze neue Fachleute und interdisziplinäres Denken und Forschen voraus, waren sich die Gesundheitsfachleute an der abschliessenden Podiumsdiskussion einig. Wichtig sei es dabei für die Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft immer im Blick zu behalten, betonte ZHAW-Rektor Jean-Marc Piveteau.

Stress durch zu viele Gesundheitsdaten

«Wir werden unseren Gesundheitszustand so oft überprüfen wie unsere E-Mails», prophezeite Sigrist am ZHAW-Anlass. Bestes Indiz dafür sei zum Beispiel die kommende Apple-Uhr, welche das Aufzeichnen, Speichern und Mit-sich-herumtragen von Körperdaten ganz einfach machen werde. Doch dass diese Informationen nicht nur aufklären, sondern auch Entscheidungsstress verursachen können, ist nur eines der Probleme von Big Data im Gesundheitswesen. Mehr Daten würden auch automatisch zu mehr potenziellen Krankheiten führen, ist Sigrist überzeugt. Sein Fazit: «Wir werden alle nur noch teilzeitgesund sein.» Nächste Seite: Diskussion für Vorteile und Gefahren

Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion am ZHAW-Hochschultag waren sich in einem Punkt einig: Die Tendenz weg vom Menschen hin zu den Daten berge neben unbezweifelten Vorteilen auch viele Gefahren. Ein verletzlicher Balanceakt zwischen Information und Einsicht respektive zwischen Daten und Mensch, so formulierte Claudia Galli Hudec vom ZHAW-Departement Gesundheit die grosse Herausforderung der Zukunft im Gesundheitswesen. Auch für die Ernährungswissenschaftlerin Christine Brombach vom ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management ist Gesundheit mehr als nur die messbaren Fakten. Gerade beim Essen plädierte sie für eine Rückkehr zum Genuss.
Doch neben der allseits spürbaren Technologieskepsis wurde auch immer wieder ein pragmatischer Umgang damit gefordert. Jetzt sei es wichtig, Verantwortung zu übernehmen und gerade im Hochschulbereich eine Haltung zu und ein Umgang mit wichtigen Entwicklungen wie zum Beispiel der Robotik in der Pflege zu finden, erklärte Galli.

Datengrundlage für Forschung zu dürftig

Nicht alle fürchten sich vor der Datenflut, sondern wünschen sich sogar noch mehr davon. Für Urs Brügger, Leiter des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie an der School of Management and Law der ZHAW, ist die Datengrundlage für die Forschung oft zu dürftig. So sei es zum Beispiel nicht einfach gewesen, die Daten für eine aktuelle Studie zu den Krankheitskosten von Schizophrenie im Kanton Zürich zu erheben.



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