Freihänder 01.09.2016, 14:39 Uhr

Rechtliche Situation erklärt

Ein grosser Teil der staatlichen IT-Aufträge wird freihändig vergeben. Wann ist das rechtens und was können nicht berücksichtigte Anbieter dagegen tun?
* Gianni Fröhlich-Bleuler ist als selbststndiger Rechtsanwalt auf Informationstechnologie, E-Commerce und Internet, Datenschutz und Urheberrecht spezialisiert und in Zürich tätig.
Staatliche Stellen sollen Güter und Leistungen in trans­parenter Weise, wirtschaftlich und unter Förderung des Wettbewerbs beschaffen. Dafür müssen sie Aufträge öffentlich ausschreiben. Das Verfahren ist allerdings aufwendig und teuer, daher müssen die Behörden für Aufträge unter einem Schwellenwert keine öffentliche Ausschreibung durch­ führen (vgl. Kasten auf der nächsten Seite). Zulässig ist die Freihandvergabe auch, wenn nur ein einziger Anbieter für den Zuschlag infrage kommt. Bei der Freihandvergabe wählt die Behörde den Lie­feranten aus, der eine Offerte einreicht, und vergibt darauf den Auftrag.

Vorgaben zur Beschreibung

Die Vergabestelle bestimmt, was sie beschafft. Ihre Leis­tungsbeschreibung muss aber klar und ausführlich sein. Ob nur ein Anbieter für den Auftrag infrage kommt, hat mit der ausgeschriebenen Leistung zu tun: Wenn die Beschaffungs­stelle die Leistungsbeschreibung stark einschränkt oder gar auf einen Anbieter ausrichtet, präjudiziert sie die Freihand­vergabe an diesen Anbieter. Die Beschaffungsstelle muss da­her für die Bestimmung der Leistung sachliche und nachvoll­ziehbare Gründe haben. Zu stark engt die Vergabestelle z. B. die Leistungsbeschreibung ein, wenn sie ohne solche Gründe die Beschaffung von Microsoft Office ausschreibt, anstatt die Office­-Programme herstellerneutral zu benennen. ­Die Beschaffungsgesetze enthalten die Voraussetzungen, die für eine Freihandvergabe zwingend gegeben sein müs­sen. Diese Bestimmungen richten sich an die Vergabebehör­de, nicht an die Anbieter. Daher ist es die Aufgabe der Behör­de, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen eingehalten werden. Die für den EDV-Bereich wichtigsten Bestimmungen sind nachfolgend erläutert.

Alleinstellung eines Anbieters

Rechtlich: Wenn eine Behörde zusätzliche Lizenzen für eine bereits beschaffte Software braucht, kann diese nur der In­haber des Urheberrechts liefern. Aus rechtlichen Gründen ist kein anderer Anbieter in der Lage, die von der Behörde nachgefragte Leistung zu erbringen. So hat die zuständige Beschaffungsstelle den Auftrag für die Modernisierung des Funksystems Polycom dem franzsischen IT-Konzern Atos mit der Begründung freihändig vergeben, dass nur Atos über die für die Arbeiten notwendigen Lizenzrechte verfüge. Technisch: Die zweite Voraussetzung liegt vor, wenn nur ein einziger Anbieter aus technischen Gründen in der Lage ist, die durch die Beschaffungsstelle benötigte Leistung zu er­bringen. Zum Beispiel kann in der Regel nur der Hersteller die Software pflegen. Anderen Anbietern fehlt das Know­ how; sie haben auch keinen Zugriff auf den Quelltext. Die rechtliche oder technische Alleinstellung für sich allein genügen aber nicht: Wenn es eine Alternative zur Beschaf­fung beim ursprünglichen Anbieter gibt, muss die Behörde das Vorhaben öffentlich ausschreiben. So kann sie z. B., an­statt ein Altsystem mit einem freihändig vergebenen Auftrag weiterzuentwickeln, ein neues kaufen. Ob ein Wechsel zu­mutbar ist, ergibt sich aus den damit verbundenen Kosten: Was kostet das neue System verglichen mit der Weiterent­wicklung des alten? Muss die Behörde Umsysteme anpassen oder die Nutzer neu schulen? Für die oben erwähnte Modernisierung des Funksystems Polycom hat die Beschaffungs­stelle geltend gemacht, dass ein Wechsel zu einem anderen System zu einer milliardenschweren Abschreibung geführt hätte; damit gab es keine Alternative. Folgegeschäft: Eine Behörde kann einen Auftrag an einen Anbieter freihändig vergeben, wenn sie damit eine von ihm  eschaffte Leistung ersetzt oder ergänzt. Auch hier darf es keine Alternative zur Beschaffung geben. Zulässig ist z. B. die Verlängerung eines bereits früher öffentlich ausgeschriebe­ nen Wartungsvertrags als Folgegeschäft. Die Beschaffungs­stelle kann die Pflege einzig beim ursprünglichen Anbieter einkaufen. Verlängert sie aber nicht nur die Pflege, sondern kauft sie gleich auch noch eine neue Datenbank­-Software ein, muss die Behörde die Beschaffung ausschreiben, weil der Einkauf der Datenbank-­Software kein Folgegeschäft ist. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was dagegen getan werden kann

Was dagegen tun?

Gemäss einer Studie der Universität Bern schreibt der Bund 45 Prozent der ITAuftrge nicht ffentlich aus. Für nicht be­rücksichtigte Anbieter ist das ein Ärgernis. Können sie sich gegen Freihandvergaben zur Wehr setzen? Erteilt eine Behörde einen Auftrag freihändig, muss sie den Zuschlag an einen bestimmten Lieferanten publizieren. Dage­gen kann ein anderer Anbieter Beschwerde erheben. Die Hür­den für eine erfolgreiche Beschwerde sind aber hoch. Zum einen ist die Beschwerdefrist sehr kurz: beim Bund sind es 20 Tage nach der Publikation, in den Kantonen beträgt diese Frist sogar nur 10 Tage. Die Behörde begründet die Freihand­vergabe meistens nur rudimentär. Zudem hat der Beschwerdeführer vor der Einreichung der Beschwerde keine Akten­einsicht. Daher kann er nur schwer beurteilen, ob die Vergabe­stelle den Auftrag zu Recht freihändig vergeben hat. In der Be­schwerde muss der Beschwerdeführer aber bereits begründen, warum er den Entscheid anficht. Er kann nur ausnahmsweise  später zusätzliche Gründe nachschieben. Schliesslich muss der Beschwerdeführer auch darlegen, dass die von ihm angebote­ne Leistung der freihändig vergebenen entsprechen würde. Angesichts dieser vielen Unwägbarkeiten und der mit der Beschwerde verbundenen Kosten verzichten nicht berück­sichtigte Anbieter oft auf eine Beschwerde.
Gesetzliche Grundlagen des Vergaberechts
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