Exklusiv 21.05.2015, 12:00 Uhr

Pläne der SBB für die Mobile-App

Die SBB-App ist eine der beliebtesten Smartphone-Anwendungen der Schweiz. Das sind ein Ansporn und eine Verpflichtung für den Leiter E-Business, Christof Zogg.
Christof Zogg von den SBB weiss um die Konkurrenz von BLT und Viadi
Trotz riesiger Verbreitung der SBB-App sehen die Schweizerischen Bundesbahnen noch mehr Potential in ihrer mobilen Anwendung. Einerseits wird die App zwar häufig benutzt. Der mobile Ticketkauf ist allerdings noch zu kompliziert. Andererseits demonstrieren Mitbewerber, dass auch ÖV-Apps benutzerfreundlich und zweckmässig konzipiert werden können. Zwei grosse Herausforderungen für die SBB, denen sich das Unternehmen aktuell stellt. Das erklärt Christof Zogg, Leiter E-Business bei den SBB, im Gespräch mit Computerworld. Die SBB-App zählt hierzulande über fünf Millionen Downloads und rund drei Millionen regelmässige User. Diese Basis erlaubt einen repräsentativen Überblick über die Verteilung der Smartphone-Betriebssysteme in der Schweiz: 58 Prozent nutzen die App auf iOS-Geräten, 40 Prozent auf Android-Telefonen und lediglich 2 Prozent auf Windows Phones. Wie Zogg sagt, ist damit der Markt aber noch nicht gesättigt: «Die Zahl der verkauften App-Tickets stiegen von 2013 auf 2014 um ein Drittel, während das Wachstum der Web-Tickets lediglich drei Prozent betrug.» Die Priorität liegt entsprechend auf dem Mobilkanal. Eine neue App soll her. Mehr Billettverkauf am Handy Die Weiterentwicklung hat nach den Worten Zoggs zwei Ziele: Die Nutzung der App heute und morgen zu optimieren sowie mehr Kunden für den Mobilkanal zu gewinnen. Denn den drei Millionen App-Nutzern stünden heute rund fünf Millionen Bahnreisende mit Smartphones gegenüber. Ausserdem würde die App zwar sehr häufig für Fahrplanauskünfte verwendet, jedoch nur etwas über fünf Prozent der App-Nutzer würden auch ihre Billette via Smartphone kaufen. «Mit der Zugverbindung auf dem Handy-Display gehen selbst junge Kunden aus Gewohnheit noch zum Automaten und kaufen dort», sagt Zogg. Die SBB setzen über 50 Prozent der Tickets heute am Automaten ab. Das Marktforschungsunternehmen Juniper Research sagt voraus, dass sich die Anzahl der elektronischen Ticketverkäufe in den nächsten vier Jahren verdoppeln wird. Heute würden weltweit rund 16,2 Milliarden Karten digital abgesetzt, 2019 sollen es 32 Milliarden sein. Während die Verbraucher aktuell noch oftmals am PC buchen, wird in vier Jahren jedes zweite Billett am Smartphone gelöst, so Juniper. Nächste Seite: Konkurrenz macht's besser Um mehr Verbraucher für den Billettkauf am Smartphone zu gewinnen, setzen die SBB auf die Schulung der Kunden. «Um die Vorteile des App-Shoppings zu verdeutlichen, sind neben klassischer Marketingkommunikation auch persönlichere Massnahmen notwendig», skizziert Zogg die Herausforderung. Das könnten weder das Fahrpersonal noch die Schaltermitarbeiter alleine leisten. So planen die SBB in Zusammenarbeit mit Pro Senectute schweizweite Seniorenschulungen und organisieren im September eine Railshow an den fünf grössten Bahnhöfen, wo den Kunden bei der Einrichtung des digitalen Ticketshops geholfen werden soll. Denn die grösste Hürde sei der Einstieg: «Nach dem Erstkauf folgen durchschnittlich 24 weitere Ticketkäufe via App pro Jahr», berichtet Zogg. Konkurrenz macht's besser Schon aus wirtschaftlichen Gründen lohnt sich augenscheinlich eine Neuentwicklung. Hinzu kommt, dass es die SBB den Verbrauchern nicht eben leicht machen, Tickets mobil zu kaufen: Kunden müssen sich vorgängig registrieren und dann einen Benutzernamen und ein Passwort eintippen, bevor das Billett am Smartphone bezogen werden kann. Dieser Vorgang ist im Vergleich zur Konkurrenz recht kompliziert. Das weiss auch Zogg. Beispielsweise bietet die App von Baselland Transport (BLT) den Ticketkauf ohne Registrierung und Passwortzwang an. Bei der Benutzerfreundlichkeit den SBB mindestens einen Schritt voraus ist Viadi. Die Fahrplan-App des Zürcher Start-ups Ubique liefert Fahrplandaten wesentlich schneller als der grosse Wettbewerber. Zudem besitzt sie ein cleveres Bedienkonzept: Auf dem Startbildschirm legt der User häufig genutzte Haltestellen als Kacheln ab. Durch einen Fingerwisch vom Start- zum Zielort werden aktuelle Verbindungen herausgesucht und dargestellt. Beide Wettbewerber müssen Vorbilder sein für eine künftige App des grössten Schweizer Transport-Unternehmens. Zogg ist nach eigener Aussage im Dialog mit den Entwicklern der Konkurrenz. Die Pläne der SBB gehen aber über die Möglichkeiten der Marktbegleiter hinaus. Nächste Seite: die Pläne für SBB Mobile «vNext» Die SBB wollen eine vollkommen erneuerte App lancieren. Neben den heute vorhandenen Funktionen wie Fahrplanauskunft, Live-Verbindungsdaten und Ticketschalter sollen zusätzliche Service angeboten werden. Zoggs Vision ist ein «digitalen Reisebegleiter», der weitere Dienstleistungen entlang der Reisekette bietet: Etwa Fakten zum Start- und Zielbahnhof wie Einkaufsmöglichkeiten oder Umgebungspläne, Informationen zu Platzbelegung und zum Service im Zug sowie Schnittstellen zu ÖV-Partnern für Anschlussfahrten. Die Informationen sollen sich individuell zusammenstellen lassen, wenn der Kunde es wünscht. Auch bei der Usability soll die App aufgewertet werden. So wird der Benutzer in Zukunft häufig genutzte Verbindungen einfacher als Favoriten speichern und per Fingerzeig abrufen können. Experimentiert wird auch mit Machine-Learning-Ansätzen, die anhand der GPS-Koordinaten individuelle Reisemuster erkennen können, um die die App immer mehr zum persönlichen Reiseassistenten werden zu lassen. Auch hier gilt: Die Features werden nur auf ausdrücklichen Benutzerwunsch aktiviert. Schnellere Billettkontrolle Mittelfristig in die App integriert werden soll auch das elektronische General- und Halbtax-Abonnement SwissPass, so dass es bei der Billettkontrolle im Zug künftig genügen wird, nur das Handy-Ticket zu zeigen. Die App fragt automatisch ab, ob der Reisende berechtigt ist, ein ermässigtes Billett zu erwerben. Damit wollen die SBB einerseits den Komfort für den Fahrgast erhöhen und andererseits die Arbeitsschritte der Zugbegleiter reduzieren. Bis es so weit ist, werden die Reisenden noch einige Monate mit der bisherigen App unterwegs sein. Denn die Arbeiten für die Neuentwicklung von SBB Mobile (Codename: «vNext») haben eben erst begonnen. Klar ist aber, dass die SBB bei der agilen Entwicklung der App die Kunden stärker einbinden möchte. So plant das Unternehmen Ende Jahr in den öffentlichen Beta-Test gehen. Mit der Einführung rechnet der Leiter E-Business dann im Jahr 2016. 



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