22.03.2012, 10:46 Uhr

Durchbruch bei Halbleiterstrukturierung

ETH-Physiker haben in Zusammenarbeit mit Kollegen in- und ausländischer Universitäten bei der Herstellung von monolithischen Halbleiterstrukturen auf Silizium einen Durchbruch geschafft. Die neuen Strukturen sind perfekt und dürften nicht nur die Röntgentechnologie revolutionieren.
Neuartige Halbleiter-Struktur in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme: Die gelb eingefärbten Köpfchen bestehen aus monolithischem Germanium, das graue Fundament aus Silizium
Siliziumtechnologie ist aus der Mikroelektronik nicht mehr wegzudenken: Dieses Material ist billig, in rauen Mengen verfügbar und es ist mechanisch stabil. Aber auch Silizium schafft nicht alles. Gewisse Materialien haben Eigenschaften, die diejenigen von Silizium übertreffen. Deshalb sucht die Forschung nach Möglichkeiten, dieses Element mit anderen Halbleitern wie Germanium zu kombinieren, um dadurch das Beste zweier unterschiedlicher Materialien zu vereinen und herauszuholen, um neue Anwendungen zu erschliessen.

Die Kombination von Silizium mit anderen Halbleitern ist jedoch nicht einfach zu realisieren. Bis anhin waren teure, zeitraubende und meist unzuverlässige Verbindungstechniken nötig, um Silizium mit Bauelementen unterschiedlicher Zusammensetzung zu kombinieren. «Eine solche Kombination kann nur dann einfach sein, wenn die Atomabstände und thermische Eigenschaften von Silizium und dem Kombinationsmaterial gering oder Schichten sehr dünn sind», sagt ETH-Privatdozent Hans von Känel. So ist es aus diesen Gründen bis dato nicht gelungen, dicke monolithisch aufgebaute Schichten von Germanium auf Silizium zu erzeugen, weil im Kristallgitter Defekte entstehen. Ausserdem verbiegen sich die Siliziumscheiben oder die Schichtstapel reissen unter thermischen Spannungen. Dadurch werden die Elektrobauteile unbrauchbar.

Durchbruch in der Halbleitertechnik

Die ETH-Forscher rund um Hans von Känel haben nun in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen des CSEM Neuchâtel, des Poiltecnico di Milano und der Universität Milano Bicocca einen Weg gefunden, diese Probleme zu lösen. Die Arbeit erschien soeben in der Fachzeitschrift «Science» und gilt als Durchbruch, weshalb sie auch zur Titelgeschichte gewählt wurde.

Statt einer kontinuierlichen Germanium-Schicht haben die Schweizer und italienischen Forscher einen miniaturisierten «Noppenteppich» geschaffen, dessen Noppen aus Silizium mit «aufgepfropftem» monolithisch aufgebautem Germanium bestehen. Diese Noppen sind nur durch wenige Dutzend Nanometer voneinander getrennt. Um sie zu erzeugen, ätzten die Wissenschaftler in kostengünstige Siliziumträger winzige Säulen von zwei Mikrometern Seitenlänge und acht Mikrometern Höhe. Auf diesen Silizium-Türmchen liessen sie unter extremen Bedingungen Germaniumkristalle wachsen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Defektfreie Germaniumschichten

Defektfreie Germaniumschichten

Mit diesem Verfahren generierten die Forscher defektfreie Silizium-Germaniumschichten, bzw. «Noppenteppiche», die beinahe beliebig dick sein können. Die dicksten Germanium-Strukturen, die im Labor erzeugt wurde, messen immerhin 50 Mikrometer - zehnmal mehr als bisher möglich war. «Eine kontinuierliche Schicht aus Germanium würde bei dieser Dicke einfach abblättern», sagt von Känel. Er hält es für möglich, mit der neuen Methode 100 Mikrometer dicke Germaniumschichten zu erzeugen. Die Kristalldefekte, die üblicherweise beim Aufeinanderschichten von Lagen aus Atomen verschiedener Grösse auftreten, konnten weitgehend verhindert werden. Eine spezielle Technik, um die Materialien miteinander zu verbinden, ist nicht nötig.

Das ursprüngliche Ziel der Arbeit des Forschungsteams war es, im Rahmen des Nano-Tera-Projekts «Nexray» einen Röntgendetektor herzustellen, der monolithisch auf die Ausleseelektronik aufgewachsen ist. Der Detektor braucht Millionen von Pixeln, die gleichzeitig funktionieren müssen, um eine hohe Ortsauflösung zu garantieren. Um genügende Empfindlichkeit zu gewährleisten, braucht es eine Germaniumschicht von mindestens 50 Mikrometern. Mit bisherigen Methoden hergestellte, grossflächige Detektoren sind hoffnungslos teuer. «Unsere Forschung ermöglicht den höchst auflösenden Röntgendetektor, den es je gegeben hat, zu einem zahlbaren Preis», betont Hans von Känel. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Röntgenstrahlung reduziert

Röntgenstrahlung reduziert

Die hohe Auflösung und Empfindlichkeit dürfte es erlauben, zukünftig kleinere Strahlendosen einzusetzen. Dies könnte beispielsweise dazu führen, dass Operationen unter Kontrolle direkter Bildgebung durchgeführt werden. Mit heutigen Röntgenmethoden ist dies nicht möglich, da der Patient einer zu hohen Strahlendosis ausgesetzt wäre. Bis jedoch ein Röntgengerät auf den Markt kommt, das auf der neuen Technologie beruht, werden noch Jahre vergehen, schätzt der ETH-Forscher.

Denkbare Anwendungen sind aber auch Röntgenapparate für die Gepäckkontrolle am Flughafen oder zum Testen bereits verpackter elektronischer Bauteile. Weiter lassen sich hocheffiziente gestapelte Photovoltaik-Zellen aus Halbleitern herstellen, wobei jede Zelle unterschiedliche Wellenlängen des Sonnenlichts absorbiert. Diese Art von Photozellen verwendet die Raumfahrt schon heute. Da diese zukünftig auf Siliziumscheiben hergestellt werden können, könnten die teuren, zerbrechlichen und schweren Germaniumsubstrate durch billigere, leichtere und mechanisch stabile Siliziumsubstrate ersetzt werden.

Aufgrund ihrer Erkenntnisse, die sie durch ihre Arbeit mit Germanium erhalten haben, erwarten deshalb die Forscher, dass sich die Technik auf andere Materialien, etwa Galliumarsenid oder Siliziumkarbid, übertragen lässt.



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