Coup d'état im Schweizer TV-Geschäft 23.06.2016, 09:27 Uhr

Kabelnetze booten Swisscom aus

Seit Jahren liefern sich Cablecom und Swisscom einen erbitterten Streit um Sportrechte. Nun haben die Kabler einen riesen Coup gelandet: Sie sicherten sich die Übertragungsrechte im Schweizer Eishockey, Swisscom schaut in die Röhre.
Kurz vor zehn Uhr Abends wurde gestern eine Meldung publiziert, die den Schweizer TV-Markt in seinen Grundfesten erschüttern lässt: Ab der übernächsten Saison werden Eishockeyspiele bei upc und anderen Kabelnetzanbietern zu sehen sein. Vermeldet hat es als erster der gewöhnlich sehr gut informierte Sportjournalist Klaus Zaugg, während der Schweizerische Eishockeyverband noch keine Stellungnahme abgibt. Die Meldung ist deshalb brisant, weil sie völlig unerwartet kam. Seit Jahren dominierte die teilweise der Swisscom gehrende Teleclub den Schweizer TV-Sportmarkt, sicherte sich erst Anfang Woche für die Rekordsumme von 50 Millionen Franken pro Jahr (inkl. Vermarktung) die Rechte am Schweizer Fussball bis 2021. Die Sportrechte sind ein wichtiges USP im Kampf um die Vorherschaft im TV-Bereich, viele Nutzer kaufen Swisscom-TV spezifisch wegen der Live-Übertragungen. Das Teleclub-Angebot für für Cablecom- und andere Kabelnutzer ist deutlich schlechter, es gibt weniger Spiele und das zu teureren Preisen.

Cablecom schlägt zurück

Cablecom, die sich mittlerweile nur noch upc nennen, moniert dies seit Jahren und hat diverse Klagen gestartet, die aber in den Juristenmhlen zermalmt werden. Irgendwann wird upc voraussichtlich Geld erhalten, das nützt aber wenig, da die Kunden viel wertvoller wären. Nun hat man also den Spiess umgedreht und lässt Swisscom sowie Teleclub perplex zurück. Die können ab 2017 bis mindestens 2021 kein Eishockey mehr zeigen, ausser sie kaufen die Rechte bei den Kabelnern ein, wobei die Preise völlig überteuert sein dürften. Für diesen veritablen coup d'état müssen upc und andere Kabler, die hauptsächlich aus Mitgliedern des Quickline-Verbunds bestehen dürften, viel bezahlen. Klaus Zaugg nennt 30 Millionen Franken für die Rechte an der Nationalliga A und B, dazu kommen zentrale Vermarktungsrechte im Wert von fünf bis acht Millionen Franken. Bisher zahlte Swisscom/Teleclub für die Rechte angebllich zwölf Millionen Franken. 

Ganz neue Voraussetzungen

Anfang des Jahres konnte Swisscom stolz vermelden, die Nummer 1 im TV-Geschft zu sein. Erstmals hatte man Cablecom überholt. Es wird äusserst spannend sein zu sehen, wie sich die Nutzerzahlen deswegen entwickeln. Klar ist bereits jetzt: Wenn die Rechte in vier Jahren erneut vergeben werden, wird es einen Bieterkampf geben, wie ihn die Schweiz noch selten gesehen hat. Was dieser Wechsel für die Konsumenten bedeutet, muss sich zeigen. Sie werden kaum eine Swisscom-TV-Box für Fussball und eine der Kabler für Eishockey kaufen wollen. Zudem müssen die Kabler noch lernen, wie man Sportübertragungen durchführt. Genau zu diesem Zweck wechselte per 1. Oktober 2015 Roger Feiner von Teleclub zu Cablecom. Er war - gemeinsam mit Adrian Fetscherin - für den Aufbau der Sportabteilung bei Teleclub verantwortlich und ein Vorbote dessen, was gestern Abend durchsickerte. Seither wurde nämlich bei Teleclub und Swisscom gerätselt, was der Wechsel soll. Feiner muss nun rasche Arbeit leisten. Eine Redaktion beispielsweise gibt es bei den Kablern noch nicht und allzu viele Menschen in der Schweiz sind auch nicht fähig, Sportübertragungen zu filmen und zu kommentieren/moderieren. Gut vorstellbar deshalb, dass sich Feiner bei seinem ehemaligen Arbeitgeber bedienen wird. Während der Konsument also abwarten muss, was ihm da vorgesetzt wird und Swissccom/Teleclub als grosse Verlierer dastehen, sind auch schon Gewinner bekannt: Nebst den Kablern sind dies die Eishockey-Teams, die deutlich mehr Geld zur Verfügung haben, um in Spieler und Infrastruktur zu investieren. Das dürfte das schon beachtliche Ansehen des Schweizerischen Hockeys noch einmal deutlich steigern. Deshalb gehört auch der Präsident des Schweizer Eishockeys, Marc Furrer zu den Gewinnern, unseren Lesern als Prsident der Regulierungsbehrde ComCom bekannt. Da wird es brisant: In dieser Funktion ist es eine von Furrers Aufgaben, die Swisscom nicht zu mächtig werden zu lassen. Indem er ihr die Eishockeyrechte wegnahm, hat er einen Teil dazu beigetragen.



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