Country as a Service 30.08.2016, 09:00 Uhr

Vorbild für die Schweiz

Bei elektronischen Behördendienstleistungen tritt die Schweiz seit Jahren auf der Stelle. Ganz anders Estland: Dort sind fast alle Verwaltungsprozesse digitalisiert. Ein Vorbild für die Schweiz.
Die Steuererklärung ist in sieben Sekunden erledigt. Eine Firmengründung dauert nur eine Minute. Solche Rekordwerte stellen Bürger Estlands auf. Sie profitieren dabei von einer nahezu vollständig elektronischen Verwaltung und einem digitalen Identitätsnachweis. Wie Kaspar Korjus, Program Director der staatlichen Initiative e-Residency, an einem Anlass der Unternehmung nexussquaredin Zürich sagte, können Esten heute rund 1500 e-Services ihrer Behörden nutzen. Die Steuererklärung oder Firmengründung innerhalb von Sekunden sind nur möglich, weil in den Behörden-Computern sämtliche Informationen über die Bürger zusammenlaufen. Die Rechner kombinieren die Daten automatisch, so dass ein Este nur noch die Richtigkeit der Kalkulationen bestätigen muss, wenn er seine Steuer deklarieren will. 
Wie selbstverständlich können die Bürger Estlands auch via Computer oder Smartphone wählen. Korjus sagte, dass jeder Dritte elektronisch wählt, darunter auch Bürger mit Wohnsitz in Ausland. Die Esten sind nach Aussage des Programmdirektors in über 120 Ländern der Welt verteilt.

Digitale Identität

Den Vorsprung, den Estland heute bei der digitalen Verwaltung gegenüber herkömmlich gewachsenen Volkswirtschaften hat, ist durch die Unabhängigkeit im Jahr 1991 begründet. Damals setzte die baltische Republik früh auf das gerade sich entwickelnde Internet. Die Verwaltung wurde von Anfang an durch Computersysteme unterstützt. Als ein entscheidender Vorteil erwies sich auch die rasche Einführung der digitalen Identifikation aller Einwohner. Seit 2002 ist der estnische Ausweis mit einer elektronischen ID ausgestattet, seit 2007 existiert zusätzlich eine Mobile ID. Wie Korjus sagte, spart Estland allein durch die digitale Signatur 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.  Nächste Seite: Estland und die Schweiz gemeinsam Seit Januar 2015 öffnete Estland seine Verwaltungssysteme teilweise für Bürger anderer Staaten. Die «e-Residency» ist eine digitale Identität, mit der jedermann zum Beispiel eine Firma in Estland gründen oder elektronischen Handel treiben kann. Neu – etwa ein halbes Jahr nach der Schweiz – können Inhaber einer e-Residency auch ein Bankkonto online eröffnen. Das Programm zählt heute 12'000 registrierte Nutzer aus 132 Ländern und 1400 Firmen. Per 2020 will Estland den automatischen Austausch von Steuerdaten mit den Ursprungsländern der e-Residents realisiert haben. Dann werde Estland zum «Country as a Service», sagte Korjus.

Blockchain für e-Services

Der Programmdirektor und die estnischen Behörden setzen für die bisherigen e-Services hauptsächlich auf herkömmliche Computertechnologie. Hochsichere Rechenzentren, verschlüsselte Datenleitungen, Backup-Server rund um den Globus sind der Standard. In Kooperation mit dem Finanzdienstleister Nasdaq (der auch in der Hauptstadt Tallinn die Börse betreibt) hat Estland angekündigt, eine Blockchain-Implementierung für bestimmte e-Services entwickeln zu wollen. Eine erste Anwendung ist laut Korjus die Shareholder-Abstimmung für e-Residents. Daneben teste Estland die Blockchain-Technologie für Backups.
Gemeinsam mit den Spezialisten aus Estland will nexussquared-Mitgründer Daniel Gasteiger eine Anwendung entwickeln, die eine digitale Identität auch für die Schweiz realisieren soll. Sie soll unter anderem auf der Basis von Blockchain implementiert werden. Dafür will Gasteiger eine eigene Firma gründen, wie er Computerworld sagte. Bis Ende Jahr soll ein Proof of Concept umgesetzt sein.



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