03.01.2013, 11:46 Uhr

Connectis-CEO über Fusion und Neukunden

Der IT-Dienstleister Connectis hat ein ereignisreiches Jahr hinter sich. CEO Tom Kleiber berichtet von der Fusion mit Getronics, den neuen Chancen und Trends der Schweizer IT-Branche.
Tom Kleiber von Connectis sieht die Fusion mit Getronics nicht beendet
Vor einem Jahr waren Connectis und Getronics noch Konkurrenten. Heute sind die Firmen in der «neuen» Connectis vereint. Im Gespräch mit Computerworld erläutert CEO Tom Kleiber, dass noch nicht alle Doppelspurigkeiten beseitigt sind – auch wegen diverser Neukunden-Abschlüsse. Heute Unified Communications und Collaboration sowie zukünftig Cloud Computing sind die Bereiche, in denen Schweizer Anwenderunternehmen investieren, meint Kleiber. Wie weit ist die Integration von Connectis und Getronics fortgeschritten? Welche Hürden sind noch zu nehmen? Es gibt immer zwei Seiten einer Fusion: einerseits die technischen Aspekte und andererseits die Unternehmenskultur. Was die technische Umsetzung betrifft, beispielsweise die Applikations-Landschaft, sind wir noch nicht ganz so weit, wie wir sein wollen. So gibt es immer noch Doppelspurigkeit in den Tools und den Prozessen. Im Bereich des Offertwesens arbeiten wir noch mit zwei Systemen. Allerdings steht aktuell auch nicht die Zusammenführung von Technologie, sondern das Tagesgeschäft im Vordergrund. Ziel hier: Für die Kunden soll sich nichts ändern. Hinzu kam, dass wir in den vergangenen sechs Monaten einige neue Kunden gewinnen konnten, darunter die Stadt St. Gallen. Deshalb mussten die Fusionsbemühen ebenfalls etwas hinten anstehen. Wann sollte die «technische» Integration ursprünglich abgeschlossen sein? Schon im Spätherbst wollten wir mit der IT-Zusammenführung fertig sein. Aber wir konnten nicht 20 zusätzliche Spezialisten ausschliesslich für die Integration freistellen. Die Angestellten waren bislang mit dem Tagesgeschäft sehr gut ausgelastet. Vermutlich im Januar wird nun aber auch die Systemintegration abgeschlossen sein. Gelang das Zusammenführen der Teams schneller?
Auch dieser Prozess ist noch nicht am Ende. Wir haben an verschiedenen Kader-Treffen sowie an einem grossen Kick-off-Anlass im Luzerner Verkehrshaus zahlreiche Diskussionen über Kultur und Werte geführt. Dieser Prozess geht auch im neuen Jahr noch weiter. Vor meiner Zeit bei Connectis war Change Management einer meiner Tätigkeitsschwerpunkte. Deshalb weiss ich, dass dieser Prozess langfristig ist und begleitet werden muss. Es wäre vollkommen vermessen, schon heute von einer gemeinsamen Kultur und einheitlichen Werten zu sprechen. Diese Ziele erreicht man nicht innerhalb weniger Monate oder auch nur eines Jahres. Können Sie nach der heissen Integrationsphase schon ein Zwischenfazit ziehen? Verglichen mit der kleineren Übernahme von Grouptec, als rund zehn Leute neu ins Team kamen, bin ich positiv überrascht, dass auch die grosse Fusion mit Getronics quasi neben dem Tagesgeschäft ablaufen konnte. Wir haben in den sechs Monaten einige neue Grosskunden dazu gewonnen. Diese Neukunden wissen natürlich um die besondere Situation, haben aber trotzdem auf Connectis gesetzt. Dieses Vertrauen ist nicht selbstverständlich, zeigt uns aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nächste Seite: neue Grösse – neue Kunden? Haben sich Kunden aufgrund der grösseren Ressourcen für Connectis entschieden? Ein Kunde aus der Westschweiz hat im Spätsommer einen Vertrag unterschrieben, bei dem die neue Grösse der Connectis allenfalls eine Rolle gespielt hat. Zuvor hätte womöglich eher Getronics die Ausschreibung gewonnen – auch aufgrund der internationalen Einbindung. Bei der Kantonspolizei Zürich haben Connectis und Getronics schon in der Offertenphase zusammengearbeitet. Wir konnten auf diese Weise bei Connectis damals nicht vorhandene Kompetenzen alimentieren. Wie reagieren die Schweizer und die internationalen Kunden auf die «neue» Connectis?
Die international agierenden Bestandskunden haben die neue Strategie der Schweizer Connectis zunächst hinterfragt. Unsicherheit gab es vor allem über die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg und betreffend der Kooperation mit Getronics. Da unser Mutterhaus Aurelius jedoch eine klare Strategie hinsichtlich der Koexistenz beider Marken – Connectis und Getronics – definiert hatte, waren Zweifel schnell zerstreut. In den vergangenen Monaten wurde denn auch bewiesen, dass diese Strategie in Taten umgesetzt werden konnte. Fokussiert Connectis künftig vermehrt auf multinationale Kunden? Ja und nein. Während der Übergangsphase, in der auch das frühere Getronics-Business aus der KPN [Mutterkonzern von Getronics; Anmerkung der Redaktion] herausgelöst worden ist, stand die Akquisition von internationalen Kunden zunächst einmal nicht im Fokus. Umso erfreulicher ist, dass Connectis von L'Oréal im September den Zuschlag für das Workplace Management zunächst in der Schweiz, Deutschland und Österreich erhalten hat. Weitere Länder sollen folgen. Weiter hat sich Sulzer für den Service Desk von Connectis entschieden. Daneben interessieren sich neu auch bestehende Kunden in der Schweiz für die multinationalen IT-Services von Connectis. Der Schritt zum IT-Service aus der Cloud ist nicht mehr gross. Gewinnt das Thema Cloud an Bedeutung in der Schweiz? Ja, definitiv. Bestehende Kunden hierzulande prüfen Migrationen zumindest in die Private Cloud oder auch in die Public Cloud. Wir erhalten je länger, je mehr Nachfragen von hiesigen Unternehmen nach standardisierten Dienstleistungen aus der Cloud. Exchange ist ein Beispiel dafür. Aurelius hat diesen Trend erkannt und eben eine weitere Investition bewilligt: Getronics Grossbritannien baut für 10 Millionen Euro ein Rechenzentrum auf der Basis von Vblock. Das könnte unser Problem lösen, dass wir momentan zwar Offerten stellen können, aber keine wirklichen Skaleneffekte bieten können. Mit den neuen Getronics-Ressourcen wird sich das ändern. Wären Schweizer Firmen bereit, ihre Geschäftsdaten nach Grossbritannien auszulagern? Nicht alle. Einige Kunden ziehen aber eine Infrastruktur in Grossbritannien für bestimmte Applikationen schon in Betracht. Eine andere Option ist, standardisierte Services im dortigen Rechenzentrum aufzubauen und in der Schweiz dann zu duplizieren. Nächste Seite: wachsen mit UCC Als ein Standard-Service zeichnet sich UCC ab. Connectis hat jüngst die Stadt St. Gallen dafür als Kunden gewonnen. Offenbar nimmt das Thema an Fahrt auf. Werden im grösseren Stil Telefonanlagen abgelöst? Ja, das Thema gewinnt an Fahrt. UCC wird viel diskutiert, aber meist nicht isoliert auf der Ebene der IT-Verantwortlichen, sondern eher auf Führungsebene. Denn im Vordergrund steht nicht nur die reine Ablösung der Telefonanlage, sondern vielmehr der Einfluss von UCC auf die gesamten Geschäftsaktivitäten.
UCC setzt voraus, dass sich die Verantwortlichen grundlegend durchdacht haben, wie in Zukunft zusammengearbeitet wird. Immer häufiger werden hierarchische Firmenstrukturen aufgebrochen und durch Netzwerke ersetzt. Eine neue Organisation bedingt neue Arbeitsformen und -mittel, wenn nicht mehr strikt von oben nach unten diktiert, sondern auch diagonal interagiert und kommuniziert wird. Hier hilft UCC. Immer mehr – auch sehr grosse – Kunden wollen mit Connectis über diese Herausforderungen ins Gespräch kommen. Zum Beispiel im Spital stellen sich die Verantwortlichen die Frage, wie die Kommunikation in fünf oder zehn Jahren abläuft. Kann sich der CIO eines Spitals, dessen Budget typischerweise geringer ist als das Arznei-Budget, wirklich mit solchen Fragestellungen auseinandersetzen? Ganz klar ja. Zwei Beispiele: In einem grossen Spital musste sich die IT-Abteilung mit dem Wunsch der Ärzteschaft auseinandersetzen, die mit dem iPad arbeiten wollte. Seit dem Frühjahr läuft dort ein Proof of Concept, in welchem sinnvolle Einsatzszenarien für Tablets ermittelt werden. Wenn der Arzt das iPad mit auf die Patientenvisite nimmt, ist der Einsatz gerechtfertigt. Für einen Pfleger, der hauptsächlich mit Dokumentation befasst ist, ist das Tablet hingegen nicht das richtige Arbeitsinstrument. Anders herum lassen sich jedoch auch die Dokumentationsprozesse verändern, so dass der allfällige Wunsch nach dem Tablet erfüllt werden kann – wenn es das Tagesgeschäft vereinfacht. Im anderen Fall ging der Anstoss vom Spitaldirektor aus. Er lebt zuhause papierlos. Sein Wunsch war, auch im Spital auf Papier zu verzichten. Die beiden Fälle dokumentieren: UCC wird meist durch die operativen Geschäftseinheiten getrieben und stellt dann an die IT-Abteilung hohe, oft komplexe Anforderungen.



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