CA-CTO 28.10.2016, 10:18 Uhr

«Wir scheitern nicht, wir lernen permanent dazu»

Der Software-Anbieter CA hat den Ruf eines angestaubten Entwicklungshauses. CTO Otto Berkes wandelt den Konzern in eine moderne Programmierboutique. Dabei hilft auch seine Historie.
CA Technologies ist einer der wichtigsten Lieferanten von Software für Legacy-Plattformen. Die Altsysteme stehen in vielen Unternehmen der digitalen Transformation im Weg – auch in der Schweiz. Die Prozesse sind festgefahren, für Agilität sind oftmals kaum Kapazitäten vorhanden. Trotzdem behauptet Otto Berkes, dass mit CA-Lösungen die Digitalisierung zu schaffen ist. Der Global CTO von CA stützt sich dabei auch auf seine persönliche Historie, hat er als früherer Microsoft-Mitarbeiter doch schon Windows gewinnen und scheitern sehen. Computerworld: Was war Ihre Motivation, aus Endkunden-orientierten Unternehmen wie Microsoft und HBO zu einer B2B-Firma wie CA zu wechseln? Otto Berkes: Meine Beobachtung ist, dass die Herausforderungen für Unternehmen aller Art die gleichen sind – unabhängig von der jeweiligen Zielgruppe. Die digitale Transformation betrifft jede Art und auch jede Grösse von Unternehmen. Nehmen wir zum Beispiel Banken: Privatbanken und auch Retailbanken haben heute eine Kundschaft, die einen elektronischen Zugang zu ihren Vermögenswerten erwartet – über das Internet und auch via Smartphone. Beide Bankentypen stehen dabei vor der gleichen Herausforderung: Den Kunden qualitativ hochwertige Anwendungen bereitzustellen, die auf robuste Backend-Systeme zugreifen. Überall müssen ausserdem Compliance und Sicherheit gewährleistet sein.
Für Sie ist Agilität als Methode der Wahl für die digitale Transformation. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge der Entwicklung von Windows NT, dem ersten professionellen Windows-Betriebssystem. Zu der Zeit [Anfang bis Mitte der 90-er, Anmerkung der Redaktion] waren die agilen Entwicklungsmethoden noch nicht derart fortgeschritten wie sie es heute sind. Im Rückblick kann ich aber sagen, dass die Methoden schon ähnlich waren. Wir arbeiteten in kleinen multidisziplinären Teams, die Resultate wurden schnell erreicht, geprüft und auch verworfen, wenn sie nicht funktioniert haben. Wir lieferten zum Beispiel jeden Tag einen neuen Build. Das hört sich zunächst nicht viel an, denn bei herkömmlichen Anwendungen produzieren die Entwickler mehrere dutzend Builds pro Tag. Wir entwickelten damals allerdings ein Betriebssystem mit einer viel höheren Komplexität. Ein Build pro Tag war eine Höchstleistung! Dank der hoch qualifizierten und motivierten Teams, die David Cutler [NT-Chefentwickler, Anmerkung der Redaktion] herausragend orchestrierte, funktionierte das Programmieren sehr gut. Allerdings folgten die Prozesse noch keinem definierten Formalismus, den wir heute Agile nennen würden.
Ein Gegensatz war Windows Vista, bei dem es nicht so lief wie geplant: Hier sehen wir Markenzeichen der klassischen Wasserfall-Methode. Grosse Teams, grosse Arbeitspakete, grosse Entwicklungsschritte, wenig Bewegung, schwierig zu managen. Aber auch dabei habe ich viel gelernt.
Nächste Seite: von der Xbox zum Mainframe Mit einigen Kollegen konnten Sie Ende der 90-er innerhalb von Microsoft ein Start-up gründen. Wie haben Sie die Xbox entwickelt? Auch hier haben wir nicht nach den formalen Agile-Methoden gearbeitet. Aber: Der wichtigste Antrieb in der Zeit war Geschwindigkeit. Wir konnten alle Mittel verwenden, um die Terminvorgaben einzuhalten. Vielen Entscheidungen sind spontan getroffen worden, die schnelle Umsetzungen war das höchste Gut.
So war der Entwicklungsprozess der Xbox war extrem kurz: 1998 haben wir einige Laptops auseinandergeschraubt, um eine Spielkonsole auf Windows-Basis zu basteln. Wir haben so viel wie möglich Standard-Hardware verwendet, die im Vergleich zu Neuentwicklungen einfach zu beschaffen war. Nur gut drei Jahre später, Ende 2001 stand die Konsole dann im US-amerikanischen Detailhandel. Mittlerweile ist die Xbox zum grossen Verkaufsschlager geworden und macht der PlayStation ordentlich Konkurrenz. Kommen wir zu Ihrem heutigen Job. Welche Herausforderungen hatten und haben Sie, CA in eine moderne, agile Organisation umzuwandeln Berkes: Ein wesentlicher Bestandteil der Transformation ist kultureller Natur. Agiles Entwickeln ist eine andere Art zu arbeiten. Die Erwartungshaltung muss sich ändern und auch die Herangehensweise an die Arbeit, sowohl methodisch als auch praktisch. CA befindet sich schon länger in diesem Wandel. Mittlerweile praktizieren wir aber, was wir predigen. Neue Releases und Produkte liefern wir heute mit der Geschwindigkeit aus, mit der die Kunden danach verlangen. Denn sie befinden selbst im Wandel und benötigen Tools, die mit ihrer eigenen Entwicklung Schritt halten.
Was haben Sie persönlich getan, den Wandel bei CA anzutreiben? Half es allenfalls, dass Sie als Xbox-Miterfinder einen gewissen Vorbildcharakter haben? Schaden tat es sicher nicht! [lacht] In meiner Rolle als Chief Technology Officer habe ich im abgelaufenen Jahr den CA Accelerator implementiert. In diesem firmeninternen Incubator werden neue Produkte und Geschäftsmöglichkeiten für CA entwickelt. Dabei kommen Lean-Start-up-Methoden zum Einsatz, die Kollegen haben die Kundenbedürfnisse im Fokus, sie entwickeln schnell und hinterfragen ihre Produkte permanent. Positiver Nebeneffekt: Dank des Accelerators haben die Kollegen und auch das Management eine neue Selbstwahrnehmung dessen, was wir zu leisten im Stande sind.
Ist es bei CA erlaubt, mit einem Projekt zu scheitern? Oder werden die Kollegen umgehend entlassen? Nein, keinesfalls! Das Accelerator-Programm ist als Ort für die unternehmensinterne Ideenfindung konzipiert. Die Erwartungshaltung lautet nicht, dass die Projekte es unbedingt in einen Produkt-Release schaffen müssen. Es ist vollkommen okay, wenn die Ideen nicht den Markt erreichen. Jedoch vermeiden wir dabei das Wort «scheitern». Wir verwenden stattdessen «lernen». Denn es gibt bei jedem Projekt einen guten Grund, warum es im Accelerator bearbeitet wird. Wenn ein Vorhaben dann nicht realisiert wird, hat es auch seine Gründe. Daraus lernen wir, um in Zukunft besser zu werden.
! KASTEN !
amtet seit Mitte 2015 als Chief Technology Officer von CA Technologies. In der gleichen Rolle zeichnete er zuvor beim TV-Programmanbieter HBO, dem Produzenten der Fantasy-Serie «Game of Thrones». Als einer von vier Erfindern der Xbox war er 18 Jahre bei Microsoft tätig, wo er unter anderem auch an der Entwicklung von Windows NT und DirectX mitarbeitete. In einer früheren Anstellung bei Autodesk zeichnete Berkes verantwortlich für die erste Windows-Version von AutoCAD. Er besitzt einen Bachelor in Physik und einen Master in Computer Science und Electrical Engineering der Universität Vermont.



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