21.10.2013, 14:40 Uhr

Blackberry ein Sicherheitsrisiko für Firmen ?

Angesichts der ungewissen Zukunft des Smartphone-Pioniers Blackberry drohen möglicherweise auch Anwenderunternehmen Konsequenzen, wenn sie keine Vorkehrungen treffen. Was ist zu tun?
Unternehmen machen sich bei Blackberry weniger über die Zukunft der Geräte als die der Infrastruktur und des Supports sorgen (Foto: Matt Hurst, Flickr)
Trotz schwindender Verkaufszahlen des kanadischen Herstellers gibt es noch jede Menge Unternehmen und Organisationen, die Blackberry-Smartphones und Blackberry Enterprise Server (BES) nutzen. Sicher zählen dazu viele Firmen, die schon länger auf iOS und (weniger) Android umgestiegen sind und nur noch einen BES betreiben, weil der Vorstandschef und andere wichtige Manager nicht auf ihren geliebten Blackberry mit Volltastatur verzichten wollen. Gleichzeitig haben aber auch etliche internationale Konzerne und Organisationen - einschliesslich der US-Regierung - noch mehrere zehntausend Blackberrys im Einsatz. Besonders in Bereichen, wo Sicherheit ganz gross geschrieben wird, wie Banken, Versicherungen, Raumfahrt- oder Rüstungsindustrie, sind Blackberrys immer noch das mobile Endgerät schlechthin und absolut geschäftskritisch. Da die Talfahrt des ehemaligen Smartphone-Marktführers schon etwas anhält und auch die neue Plattform Blackberry 10 nicht den erhofften Anklang bei privaten und beruflichen Kunden findet, sind diese Anwender nicht erst seit kurzer Zeit über die Zukunftsfähigkeit ihrer Lösung besorgt. Doch spätestens nach dem Verlust von einer knappen Milliarde Dollar im letzten Quartal, der darauffolgenden Ankündigung, 40 Prozent der Belegschaft auf die Strasse zu setzen und letztendlich auch dem Übernahmeangebot des Finanzinvestors Fairfax Financial dürften aber auch bei den optimistischsten und treuesten Enterprise-Kunden die Alarmglocken Sturm läuten. Knackpunkt bei einem möglichen Marktaustritt sind dabei weniger die Devices, als die dazugehörige Infrastruktur mit BES und Network Operating Center (NOC) sowie der Support. So erinnert Forrester-Analyst Henning Ransfeld im CW-Gespräch an die Folgen der plötzlichen Insolvenz des US-Netzbetreibers Worldcom im Juli 2002, fügt aber hinzu, dies sei «nicht das Szenario, an das ich glaube». Er geht eher von einem geordneten Verkauf von Blackberrys Kernkompetenzen an bestehende Anbieter aus. Erste Klarheiten wird es aber vermutlich erst nach Ablauf der sechswöchigen Buchprüfungsfrist von Fairfax am 4. November geben. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Sechs Monate Zeit für Backup-Plan 

Sechs Monate Zeit für Backup-Plan

Nichtsdestotrotz sollten Anwenderunternehmen sich jetzt zumindest schon Gedanken über die mobile Zukunft machen, Gartner spricht sogar von einem dringenden Handlungsbedarf. Das Analystenhaus hat seine Kunden in einem achtseitigen Report aufgefordert, innerhalb des nächsten halben Jahres über eine Alternative zu Blackberry und BES nachzudenken und anschliessend zu implementieren. «Wir betonen, dass alle Kunden sofort sicherstellen sollen, dass sie einen Backup-Plan zur mobilen Datenverarbeitung haben und zumindest alternative Geräte testen», erklärte Gartner-Analyst Bill Menezes in einer E-Mail gegenüber unserer US-Schwesterpublikation «Computerworld». Immerhin erwarten die Analysten nicht, dass Blackberry über Nacht verschwindet. Stattdessen geht Gartner davon aus, dass sich bis Mitte 2014 wenig ändern werde, wenn Blackberry von Fairfax Financial oder einem anderen Konsortium übernommen wird. Ein möglicher neuer Fokus als privatisierte Company, 2,5 Milliarden Dollar in bar und Wertpapieren sowie der Rückhalt durch die Investment-Firma sollten für Blackberry ausreichen, um mindestens zwei Jahre überlebensfähig zu bleiben, befinden die Analysten. Andererseits sei es keine leichte Aufgabe für das Management, wieder eine stabile Basis zu erreichen. Es bestehe ausserdem die Möglichkeit, dass das Hardwaregeschäft an eine ausländische Regierung verkauft wird, was für manche Kunden unangenehm sei. Blackberry werde tun was es kann, um das Business überlebensfähig zu machen, beruhigt Gartner seine Kunden in dem Bericht. Und selbst wenn dieses Vorhaben nicht glücken sollte, gebe die Privatisierung den Kanadiern genügend Zeit für einen Turnaround. Falls das Unternehmen aufgeteilt werde, würden demnach immerhin eine oder mehr der Bestandteile weiterbestehen um den Kundenstamm zu unterstützen bis ein Wechsel möglich ist. Die Kundenliste sei einfach zu wertvoll, um vom kompletten Markt der Verfolger ignoriert zu werden, so das Fazit Gartners.

Periode der Unsicherheit

Allerdings fordert das Analystenhaus Kunden, die an Blackberry festhalten wollen, auf, sich allerdings auf eine Periode der Unsicherheit gefasst zu machen. Zudem sollten sie - selbst, wenn eine gewisse Stabilität erreicht wurde - sicherstellen, dass sie einen Backup-Plan in der Tasche haben. Zu den drei dazu von Gartner empfohlenen Massnahmen gehört unter anderem das Upgrade auf Blackberry-10-Smartphones für eine begrenzte Anzahl von Nutzern. Zu diesen zählen häufig Manager, die ein Gerät mit physikalischem Keyboard wünschen oder Personen mit einer sehr hohen Sicherheitsstufe. Wie Menezes betont, wird aber auch in diesem Szenario empfohlen, dass das Unternehmen zusätzliche Plattformen unterstützt, egal ob es sich um den Mitarbeiter bereitgestellte Business-Smartphones oder im Rahmen eines ByoD-Programms mitgebrachte private Geräte handelt. Als andere Optionen empfiehlt Gartner die komplette Abschaffung von Blackberry-Smartphones oder zumindest einen Einkaufsstopp, ausser bei ausdrücklicher Genehmigung des Managements. Läuft ein Zwei-Jahres-Vertrag ab, werden die Geräte eingezogen und als Ersatzteillager verwendet. Mit diesem Ansatz, so die Erklärung Gartners, kommt man entweder komplett von Blackberrys ab oder behält nur eine kontrollierte Zahl davon. Geräte mit dem alten Betriebssystem Blackberry OS 7 sollten aus Sicht des Analystenhauses allerdings bis zur zweiten Hälfte 2014 durch Blackberry-10-Smartphones ersetzt worden sein, weil sonst die Beschaffung schwierig werde. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wechsel auf BES 10

Wechsel auf BES 10

Wie Secusmart-Chef Hans-Christoph Quelle, der für die Bundesregierung ein besonders sicheres Smartphone auf Blackberry-10-Basis («Merkelphone») entwickelt hat, herausstellt, hat der Wechsel auf die neue Plattform dabei noch andere Vorteile, auf die Gartner aber nicht explizit hinweist: So lassen sich Blackberry-10-Geräte direkt via VPN mit dem Exchange- oder Notes-Server verbinden und sind nicht auf die Verfügbarkeit der Blackberry-Infrastruktur mit den NOCs angewiesen. Einmal mit den gewünschten Policies und - optional - Blackberry Balance für die Trennung von Beruflichem und Privaten eingerichtet, sei nicht einmal eine dauernde Verbindung mit dem BES 10 erforderlich, so Quelle. Von einer Aktivierung des BES 10 für Android und iOS-Geräte - Stichwort Mobile Fusion - rät Gartner indes ab, bis es mehr Klarheit über die Zukunft von Blackberry gibt. Ein solches Update sei sicher mit weiteren Kosten verbunden, erklärt Annette Zimmermann von Gartner auf Nachfrage der COMPUTERWOCHE dazu. Die Kunden sollten jedoch besser keine weiteren Investitionen mehr in diese Plattform stecken, sondern eher mehrgleisig fahren.

Für Gartner eine Frage der Zeit

Für Gartner ist die Abkehr von Blackberry ohnehin nur eine Frage der Zeit, da IT und Führungskräfte längst nach Alternativen suchten. So gingen in einer im August vorgenommenen Umfrage unter insgesamt 400 IT-Verantwortlichen davon aus, dass bis 2016 im Schnitt nur noch neun Prozent der Nutzer die Blackberry-Plattform einsetzen wollten - verglichen mit 24 Prozent in 2013. In einem Statement gegenüber «Computerworld» bezeichnete Blackberry die Rückschlüsse von Gartner über die möglichen Folgen eines Verkaufs oder anderer strategischer Alternativen als rein spekulativ: Blackberry nehme die Restrukturierung und die Suche nach strategischen Alternativen gerade deswegen vor, um seinen Fokus auf der Kerngeschäft Enterprise zu verstärken. «Wie halten an der Mission fest, unseren Kunden die sichersten und wirkungsvollsten Mobile-Management-Lösungen und Smartphones zu liefern.» Quasi als Bestätigung schalteten die Kanadier in der vergangenen Woche weltweit ganzseitige Anzeigeseiten, um für Vertrauen in den Turnaround und die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu werben. «Weltweit vertrauen Regierungen, internationale Konzerne und alle Unternehmen, die beim Thema Sicherheit keine Kompromisse machen können, auf Blackberry»…, heisst es in dem Schreiben. «Sie können sich auch weiterhin darauf verlassen, dass Ihre gesamte Kommunikation mit uns jederzeit sicher und vertraulich bleibt.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Es gibt noch Hoffnungsschimmer

Es gibt noch Hoffnungsschimmer

Der Fairness halber muss man hinzufügen, dass Blackberry nicht ausschliesslich negative Schlagzeilen vorzuweisen hat - auch wenn sich die Dinge bei dem kanadischen Hersteller aktuell etwas zuspitzen. So hat die Nato etwa Anfang September Smartphones und Dienste von Blackberry für vertrauliche Kommunikation zugelassen. Mit der Freigabe könnten entsprechende Behörden in allen 28 Mitgliedstaaten des Militärbündnisses Geräte mit dem neuen Betriebssystem Blackberry 10 und die Service-Plattform des Unternehmens Blackberry Enterprise Service 10 (BES 10) einsetzen. Die genehmigte Geheimhaltungsstufe «Nato Restricted» entspricht in etwa dem hiesigen Niveau «VS - Nur für den Dienstgebrauch». Hierzulande verzeichnet Blackberry unter anderem mit einer gemeinsam mit Secusmart entwickelten Version des «Merkelphones» auf Basis der Modelle «Z10» und «Q10» gute Erfolge. Laut Secusmart nutzen bereits insgesamt 23 Behörden die SecuSuite for BlackBerry 10, das beinhaltet Bestellungen von mehr als 1200 abhörsicheren Smartphones. Und auch sonst kämen die schlechten Nachrichten zu einer Unzeit für Blackberry, befindet Sebastian Frechen, Leiter Marketing/Business Development bei der T-Systems-Tochter Orbit IT Solutions, berichtet. Es gebe viele Kunden, die kurz vor dem Schwenk auf Blackberry 10 standen und jetzt verharrten. Wie er aus Blackberry-Kreisen erfahren habe, sollen ansonsten die Absätze in Deutschland, auch im Business-Umfeld, noch nicht so stark zurückgehen wie anderswo.



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