Bern 11.09.2012, 13:06 Uhr

IT-Beschaffung und WTO viel diskutiert

An der IT-Beschaffungskonferenz diskutierten 220 Teilnehmer die Herausforderungen von Ausschreibungen von Informatik. Es gibt Wege, innerhalb der WTO auch komplexe Projekte zu realisieren.
Peter Fischer vom Bund sieht die Industrialisierung der IT erst am Anfang
Der Insieme-Fall hatte vor der Sommerpause für einige Schlagzeilen gesorgt. Aufträge für komplexe Software-Projekte waren freihändig vergeben worden, obwohl sie aufgrund der hohen Kosten hätten nach den Regeln der WTO (World Trade Organization) ausgeschrieben werden müssen. Dieser Fall war womöglich einer der Gründe, warum die erste nationale Konferenz fr IT-Beschaffung am Dienstag so regen Zuspruch erhielt. Über 220 Vertreter aus Behörden, der Wirtschaft sowie der Wissenschaft folgten dem Einladung der Organisatoren Matthias Stürmer sowie Professor Thomas Myrach an die Universität Bern. Peter Fischer, Delegierter für die Informatiksteuerung des Bundes, widersprach jedoch, dass der Anlass mit dem Insieme-Projekt im Zusammenhang steht. «Wir haben vor der Sommerpause lediglich eine Sonderwerbekampagne gestartet», scherzte Fischer einleitend. Die Planungen für den Kongress, an denen auch er beteiligt war, gingen vielmehr schon auf den Sommer des vergangenen Jahres zurück. Das Thema IT-Ausschreibung sei ein Dauerbrenner. «Der Bund führt im Jahr zig, wenn nicht hunderte Informatikprojekte durch. Dabei geht schon mal etwas schief», gestand der Bundesdelegierte. Als einen Grund für Schwierigkeiten bei IT-Vorhaben führte Fischer an, dass Informatik noch nicht den Standardisierungs- und Industrialisierungsgrad anderer Branchen erreicht habe. «Wenn die öffentliche Hand 100 Laptops kaufen will, lässt sich die Beschaffung mit dem Erwerb einer Autoflotte vergleichen», sagte er. Die Ausschreibung für ein komplexes Software-System sei dagegen nicht vergleichbar. «Wir starten heute nur noch selten auf der grünen Wiese. Die Legacy-Infrastruktur sei immer zusätzlich einzubeziehen», erinnerte Fischer. Solche Faktoren müssten sich in Ausschreibungen der Behörden berücksichtigen lassen, was bei WTO-Verfahren grossen zusätzlichen Aufwand bedeute. Fischer weiss von Vertragsverhandlungen nach dem Zuschlag in einem WTO-Projekt, die sich noch rund ein Jahr hinzogen. Nächste Seite: komplexe Projekte mit WTO
Eine Lösung für den Spezialfall IT skizzierte Dominik Kuonen, Jurist am Kompetenzzentrum Beschaffungswesen Bund beim Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL): Die Ausschreibung wird auf Funktionen fokussiert und eine beschränkte Anzahl Anbieter werden für den Dialog zugelassen. «Ein solches Vorgehen scheint mir für komplexe IT-Projekte sinnvoll», urteilte Kuonen. WTO-Ausschreibung sei dann in einem selektiven Verfahren mit einer Auswahl von Lieferanten möglich, aber auch in einem offenen Verfahren ohne Begrenzungen. Das BBL prüfe die Praxis aktuell mit einem selektiven Verfahren, erklärte der Jurist. Beim Informatik-Verantwortliche des Bundes, Peter Fischer, traf der Vorschlag von Kuonen auf Zustimmung. Schon in einem Beschaffungsprozess, der sich manchmal über Monate hinzieht, änderten sich die Bedürfnisse der Anwender und teils auch die Technologie. Ein komplexes IT-Projekt wie eine ERP-Ablösung benötige ebenfalls nicht ein oder zwei, sondern eher fünf Jahre. Solche Parameter müssten in einem Ausschreibungsverfahren berücksichtigt werden können, meint Fischer.



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