25.07.2011, 11:24 Uhr

Apple im Laufe der Zeit

Einen tiefen und äusserst kompetenten Blick in die Geschichte von Apple von 1976 bis Ende 2010 wirft Autorin Charlotte Erdmann in ihrem Buch «One more thing». Unser Kollege von der deutschen Schwesterpublikation Macwelt, Thomas Hartmann, hat das Werk gelesen.
Schon das Cover des Buchs macht Freude. Unter dem berühmten Steve Jobs-Zitat "One more thing", mit dem der Apple-Chef gern eine interessante Enthüllung zum Ende einer Keynote einleitet, und dem Untertitel: "Apples Erfolgsgeschichte vom Apple I bis zum iPad", findet sich eine bildliche Anspielung auf die Menschheitsgeschichte in Anlehnung an Charles Darwin. Hier sieht man von links nach rechts und in typischen iPod-Farben, wie der Mensch sich vom gebückten Affen zum Homo Sapiens entwickelt. Nur dass sich die Evolution auf dem Buch von 1976 bis 2010 vollzieht und mit einem Apple I beginnt, um (vorläufig) mit dem iPad zu enden. Im Hintergrund sieht man in Grau, sozusagen als Blaupause, das typische angebissene Apple-Logo.

Optisch ansprechend, inhaltlich virtuos

Auch innerhalb des fast quadratisch aufgemachten Buchs hat man sich um ansprechendes Layout und Design bemüht. Nicht nur die übersichtliche Mischung aus klaren Überschriften und informativen Bildern, sondern auch die Zeitleiste mit grösstenteils Fotos von Apple-Produkten am unteren Rand des Bandes, die sich durch das komplette Buch zieht und jeweils das gerade vorgestellte Jahr hervorhebt, ist sehr attraktiv gemacht.
Doch nicht nur das Optische stimmt. Charlotte Erdmann beginnt bei der «Garage im Schlafzimmer», denn dort nahm Apple im Haus von Steve Jobs zusammen mit Steve Wozniak in Wahrheit seinen Anfang. Natürlich beschreibt sie die abenteuerliche Entstehungsweise des Apple I ebenso wie die Probleme, die Jobs mit seiner eigenen Firma bekam, bis er kurz nach der Vorstellung des Ur-Macintosh 1986 Apple verliess und das zukunftsweisende, aber kommerziell wenig erfolgreiche Next gründete.

Das Inhaltsverzeichnis ist ebenfalls so angelegt, dass es jeweils ein Jahr im Apple-Leben auf ein paar Seiten und mit farbigen Abbildungen beschreibt. Die Illustrationen können Produktfotos sein, wichtige Personen rund um Apple, auch das Logo in seinen verschiedenen Varianten oder auch Werbung und Screenshots von Apple- und Mac-Betriebssystemen. Erdmann geht dabei äusserst präzise und detailreich vor, notiert auch wichtige Behauptungen und Zitate mit der entsprechenden Fundstelle aus Büchern oder im Internet. So ist immer nachvollziehbar, auf wen oder was sie sich konkret bezieht.

Wenn es eine Kritik an dem Buch mit weit über 300 Seiten Fliesstext gibt, dann, dass die Autorin sich gern wiederholt und man manche Wendungen und Sätze so oder ähnlich doch gerade schon einmal gelesen hatte. Selbst bei den Beschriftungen der Abbildungen fällt das auf, diese bieten selten wirklich Neues, was nicht schon im Text gesagt worden wäre. Freilich, als überzeugter Apple- und Mac-Enthusiast kann man das ohnehin nicht oft genug hören oder lesen. Insofern geht das gerade noch in Ordnung.

Apple-Geschichte, ganz persönlich

Spannend wird es als Leser ganz besonders, wenn man ab den Jahren liest, die man selbst bereits als Apple- respektive Mac-User aktiv miterlebt hat. Dies war im Fall des Rezensenten ab Ende 1995/96 mit einem Performa 5200 CD (was in jenen Jahren noch eigens erwähnt wurde!) der Fall. Und sein grosser Traum war damals der Midi-Tower Performa 6400 mit externem Monitor. Damals aber noch zu teuer für ihn! Und zu Recht erinnert die Autorin daran, dass bei diesem Modell entweder nur der Drucker oder das Modem anzusteuern war, aber nicht beides gleichzeitig, weil dieser Mac lediglich eine serielle Schnittstelle besass. Da für den Rezensenten das Internet erst 1997 begann, wäre ihm das damals noch relativ egal gewesen. Dennoch aufregend, auch über ein solch konkretes Modell viele Details in Erinnerung gerufen zu bekommen.

Interessant sind ferner ausführlichere Vorstellungen von eher abgelegenen Themen wie dem Fiasko mit der Spielekonsole Pippin. Oder natürlich das vor allem an den übergrossen Gebühren gescheiterte Online-Abenteuer eWorld. Wie verzweifelt Apple darum rang, endlich das neue Betriebssystem Copland auf den Markt zu bringen, aber es nicht wirklich fertig brachte. Und dann Steve Jobs als Retter mit Next und Openstep zurückkam und Apple wieder bis zum heutigen Tag auf die Erfolgsspur brachte.
Doch auch Verstrickungen in Zurückdatierungen von Aktienoptionen werden nicht verschwiegen. «One more thing» ist kein unkritisches Jubelbuch, sondern legt den Finger immer wieder auch in die Wunden technischer und menschlicher Unzulänglichkeiten. Auch bei Apple. Keine Frage, das tut der Erinnerung nur gut, wenn sie nicht allzu verklärt in der Vergangenheit schwelgt.

Empfehlung

Empfehlung? Auf jeden Fall. Wie gesagt, die überflüssige Redundanz gerade in der ersten Hälfte des Buchs sei verziehen. Sachliche Fehler sind uns nicht aufgefallen, ohne dass wir uns bei der Vielzahl an Informationen für jedes Detail verbürgen könnten. Aber eben: Alles ist mit Anmerkungen und Fundstellen durch die Autorin belegt. Man könnte es also exakt nachprüfen. Aber so wissenschaftlich sollte man an diesen Band gar nicht herangehen. Es macht einfach einen Riesenspass, die gut 400 Seiten einschliesslich Epilog, Quellenangaben und ausführlichem Stichwortregister durchzublättern und zu lesen. Also ganz klar: Empfehlung für jeden, der sich für die revolutionäre und bisweilen auch nur evolutionäre Geschichte von Apple im Detail interessiert. Toll wäre es, wenn die Autorin die Jahre ab 2011 im Internet jeweils ergänzen würde. Im übertragenen Sinne von: «One more thing ...».

Info: Charlotte Erdmann: "One more thing". Apples Erfolgsgeschichte vom Apple I bis zum iPad. 416 Seiten- 4-farbig, Bilderdruck, ISBN: 978-3-8273-3057-4. Printausgabe 30 Euro, als eBook 24 Euro. Verlag: Addison-Wesley. Auf der Homepage Inhaltsverzeichnis und Leseprobe (PDF)



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