Andreas König 09.01.2014, 16:25 Uhr

«die Wirtschaft digitalisieren»

Andreas König ist Chef der neuen Swisscom Grosskundensparte. Mit Computerworld spricht er unter anderem über Industrialisierungsstandards, falsche Strategien der Konkurrenz und die neue Swisscom Cloud.
Andreas König, Leiter Geschäftsbereich Grossunternehmen, spricht mit Computerworld über die Zukunft einer Abteilung und ihrer Kunden
Guten Tag Herr König. Swisscom IT Services (SITS) und die Swisscom Grosskundensparte werden zusammengelegt. Warum?
Dafür gibt es für mich drei gute Gründe. Einerseits haben wir gemerkt, dass wir bisher mit zwei parallelen Vertriebsdiensten zum Kunden gegangen sind. Das wollten wir vereinheitlichen. Seit ungefähr einem Jahr konvergieren zudem die Märkte IT und Kommunikation immer schneller, was man beispielsweise bei UCC-Lösungen gut beobachten kann. Diese Konvergenz wird sich noch verstärken, dafür wollen wir gerüstet sein. Und diese Konvergenz ist auch mein dritter Punkt: man kann dank des Zusammenwachsens von IT und Telekommunikation nun tolle Produkte bauen, die es so noch nicht gab.
Es gibt verschiedene Gebiete ? beispielsweise die von Ihnen angesprochene UCC ? bei denen es grosse Überlappungen in den Aufgabengebieten von Swisscom IT Services und der bisherigen Swisscom Grosskundensparte gibt?.
?also gerade bei UCC, aber auch bei Managed Services, gab es bisher tatsächlich zwei eigenständige Teams, die zwei verschiedene Produkte vorangetrieben haben. Wir haben vor dem Merger die Teams gefragt, warum sie sich nicht aufeinander abstimmen. Die Antwort: man wollte besser sein als der andere. Das Konkurrenzdenken war ja gut, aber nicht im Sinn der Firma.
Nun gibt es aber für gleiche Aufgaben doppelt so viele Leute?
?nein! Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, Überlappungen zu vermeiden.
Es werden also keine Stellen wegfallen?
Unser primärer Grund für die Zusammenlegung ist Wachstum, nicht Kosteneffizienz. Aus diesem Grund planen wir auch nicht, Leute zu entlassen, sondern zu wachsen und neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.
Mit der Zusammenlegung werden verschiedene Kulturen aufeinanderprallen. Einerseits die mit Swisscom verschweisste Grosskundenabteilung, andererseits Swisscom IT Services, das mehrheitlich durch Akquisitionen gewachsen ist. Wie werden die Kulturen angepasst?
Das habe ich bereits getan. In den letzten 13 Monaten habe ich einen Grossteil meiner Energie in die Kulturmigration von Swisscom IT Services gesteckt. Da musste intern und extern kommuniziert, vorgelebt und die Teams integriert werden. Das war ein extrem grosser Aufwand, aber heute kann ich sagen: Swisscom IT Services ist Swisscom.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Industrialisierungsstandards setzen
Sehen das auch die Banker so, die sie von Entris Banking bernommen haben?
Speziell die Banker. Wir haben es geschafft, uns im Bankenumfeld als der massgebliche Industrialisierungsstandard zu etablieren. Die dortigen Mitarbeiter dienen nun als Vorbilder, denn dieses Modell kann auf andere Bereiche umgesetzt werden.
Zum Beispiel?
Ich denke da an die Energiebranche und den Bereich eHealth. Die beiden Branchen werden in den nächsten vier Jahren das Problem haben, das die Banken heute haben: dass sie sich auf Kernkompetenzen konzentrieren müssen, also das Front-End. Wir können dann die Industrialisierungsstandards setzen.
Banken, HealthCare, konvergente B2B-Lösungen, das Portfolio scheint riesig. Als Mitarbeiter Ihrer neuen Enterprise-Customers-Abteilung muss man dadurch mehr wissen als jemals zuvor.
Das ist in der Tat so. Jeder Einzelne muss mehr wissen, angefangen beim Verkauf. Ich bin Realist genug um zu sagen, dass das nicht über Nacht geschehen kann.
Wie soll der Kunde vom neuen Modell profitieren?
Indem wir sogenannte Solution Center aufbauen. Diese bestehen aus einem Account-Team, das beispielsweise 10 Banken betreut. Wenn einer der Kunden vertieftes Wissen benötigt, wird ein Fachspezialist hinzugezogen. So sind eigentlich alle erfolgreichen Firmen aufgestellt, wir gehen auch in die Richtung
Bis wann wollen Sie so aufgestellt sein?
Mit dem Vertrieb sind wir am 1.1.2014 gestartet. Ausserdem haben wir im Dezember noch die Zuständigen für unsere Solution Center bestimmt. Diese werden in den nächsten Wochen und Monaten ihre Teams formieren. Mitte des Jahres sollen die Center so stehen, wie wir sie wollen.
Die Veränderung im Unternehmen trifft auch Sie. Vor einem Jahr führten Sie bei Netapp knapp 2000 Mitarbeiter, nun doppelt so viele.
Bei meinem Führungsstil macht es keinen Unterschied, ob ich 2000, 4000 oder 6000 Mitarbeiter habe. Würde ich alle Fäden in der Hand haben wollen, wäre das anders. Ich will aber lediglich die strategische Richtung vorgeben. Probleme im Tagesgeschäft sollen die Teams selber lösen.
Bei SITS hat diese Strategie hervorragend geklappt, in Ihrem ersten Jahr fuhr man ein Rekordergebnis ein. Was haben Sie sonst noch geändert?
Bevor ich bei Swisscom IT Services war, konnte tatsächlich niemand behaupten, dass die Zahlen wahnsinnig toll gewesen sind. SITS hat eine schwarze Null geschrieben, der Auftragseingang war unterhalb des Umsatzes. Nie hat jemand das Wort Wachstum benutzt, ich habe immer nur gehört, dass man Kosten sparten möchte. Diese Philosophie habe ich geändert.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie die Grosskundenabteilung wieder erfolgreich werden soll
Der Erfolg bei IT Services weckt aber auch Erwartungen. Swisscom Grosskunden hat Umsatzverluste erlitten. Wie führen Sie diese Abteilung zurück in die Gewinnerspur?
Der Grosskundenbereich von Swisscom war sehr wohl erfolgreich. Ein Blick auf das Marktumfeld zeigt, dass unsere Konkurrenz vor allem beim Preis Vorteile herausschlagen möchte. Sie hat ja nichts zu verlieren, weil ihr Anteil so gering ist. Das kostet uns vielleicht kurzfristig Marktanteile, aber auf Dauer geht diese Taktik nicht auf. Irgendwann holt der Kostendruck die Konkurrenz ein.
Was macht Sie da so sicher?
Ich habe früher schon in der IT und auch sonst oft bei Firmen gesehen, dass ihr Businessmodell auf einem niedrigen Preis beruht. Aber irgendwann fehlt es an der Qualität, entweder beim Service oder beim Produkt.
Nur mit hohen Preisen werden Sie aber die Kunden nicht zurückgewinnen. Was ist Ihre Strategie für die neue Abteilung?
Unser Anspruch muss es sein, die Schweizer Wirtschaft zu digitalisieren. Wir wollen die Konvergenz nach vorne bringen und setzen dabei ganz stark auf die Cloud. Ich möchte den Leuten ermöglichen, diese Plattform auch richtig benutzen zu können.
Die Cloud für die Schweiz ist Ihr grosses Thema, seit über einem Jahr reden Sie darüber. Was können wir darunter verstehen?
Ich erkläre es gerne mit dem Begriff der «360 Grad Cloud». Die Infrastruktur und das Betriebssystem ist für alle darin befindlichen Dienste - egal ob B2B oder B2C ? die gleiche. Nur die Go-2-Market-Strategie ist eine andere.
Könnten Sie etwas konkreter werden?
Stellen Sie sich die Cloud wie eine Zwiebel vor. Die innerste Schale ist die Plattform. Aussen gibt es den Bereich «my digital Life», in dem all Ihre Daten abgespeichert sind. Firmen erhalten nun die Möglichkeit, Applikationen draufzulegen. Beispielsweise Steuersoftware, die für die Steuererklärung Daten rauszieht. Sie können auch bestimmen, dass Ihr Hausarzt Ihr Patientendossier einsehen darf, welches Sie von der Klinik erhalten haben. Und Sie können bestimmen, dass nur er und nur für bestimmte Zeit darauf Zugriff hat. Die Möglichkeiten sind unendlich.
Klingt ambitioniert. Wann soll diese Cloud markttauglich sein?
Ab Frühjahr 2014 können Sie alle Daten, die Ihnen digital wichtig sind in die Cloud stellen. Diese wird sicher wie ein Banktresor und Live-Time sein.
Was bedeutet Live-Time?
Wenn die Daten heute beispielsweise bei Dropbox abgelegt werden, weiss niemand, wem die Daten gehören. Sie sind also lediglich durch Name und Passwort geschützt und wenn der Nutzer stirbt, gehören sie niemandem mehr. Wir wollen das klar regeln.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was CIOs über die Swisscom Cloud denken

Für mich klingt dies vielversprechend. Aber ich bin Privatkunde, die haben traditionell weniger Bedenken. Von CIOs hingegen ist immer wieder zu hören, dass sie sich mit dem Schritt in die Cloud schwer tun.
Also das eben angesprochene «my digital Life» hab ich bereits mit so vielen CEOs und CIOs besprochen, dass ich nicht einmal mehr weiss, wie viele es waren. Und das Feedback war zu 100 Prozent positiv. Das hat auch mich extrem überrascht, ich habe mit mehr Nachfragen gerechnet. Die Unternehmen scheinen aber die Vorteile zu sehen.
Nennen Sie bitte einen.
Stellen sie sich eine Klinik vor, die ihre Daten nicht mehr selber archivieren muss. Sie kann sie stattdessen in die Patientencloud «my digital Life» legen. Wir garantieren der Klinik 10 Jahre Aufbewahrungsfrist und dass der Arzt darauf Zugriff hat. Und das ganze kostet die Klinik nur einen Bruchteil der lokalen Speicherung.
Sie erwähnten einige Male das Projekt «my digital Life». Wann ist die Cloud markttauglich?
Wir lancieren fünf Pilotprojekte. Vier werden intern sein, eines für den KMU-Markt. Mitte des Jahres soll die Testphase mit externen Softwarepartnern abgeschlossen sein und im 2. Quartal 2014 die Plattform freigeschaltet werden. «My digital Life» wird wohl noch 1-2 Quartale länger dauern.
Und nach all Ihren Gesprächen mit CEOs und CIOs gehen Sie wohl davon aus, dass der Ansturm riesig sein wird.
Ich gehe davon aus, dass wir damit sehr schnell sehr erfolgreich sein werden. Das Angebot trifft genau den Wunsch der Unternehmen, die agiler und flexibler sein wollen.
Die Digitalisierung ist also das grosse Problem, das die Swisscom Grosskunden in den nächsten Jahren beschäftigt?
Ja. Um Quantensprünge zu erreichen in der Art, wie man intern arbeitet, muss alles in die Cloud. In drei Jahren werden Sie nicht mehr wissen, wie Sie ohne Cloud-Dienste arbeiten konnten, es wird das gleiche Phänomen wie bei Emails oder Smartphones zu beobachten sein. Und wir wollen der Treiber dafür sein. Das ist zwar mehr Aufwand, dafür können wir bestimmen, wohin die Richtung geht.

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