19.09.2012, 18:22 Uhr

Ärzte sehen keinen Nutzen in eHealth

Die eHealth Strategie Schweiz gerät offenbar ins stocken. Ein ePatientendossier für jedermann bis 2015 scheint unrealistisch – auch, weil die Anreize fehlen.
Salome von Greyerz vom BAG sieht die eHealth-Entwicklung entschleunigt
Die Schweizer Gesundheitsversorgung steht im internationalen Vergleich gut da: Auf eine Million Einwohner kommen zum Beispiel 33 Computertomografen und18 fMRT-Geräte. Die Verbreitung der jeweils mehrere Millionen Franken teuren Diagnoseapparate liegt weit über dem internationalen Durchschnitt. In den Ländern der OECD(Organisation for Economic Co-operation and Development) sind 23 Computer- und 13 funktionale Magnetresonanztomografen (fMRT) die Regel. Die exzellente Ausstattung verursacht natürlich Kosten. Die Schweiz gibt jährlich 5270 US-Dollar pro Kopf für die Gesundheitsversorgung aus, das OECD-Mittel ist 3268 US-Dollar. Nur Norwegen (5388 US-Dollar) und die USA (8233 US-Dollar) haben höhere Pro-Kopf-Kosten.

Gesetz entschleunigt eHealth

In der eHealth Strategie versprach der Bundesrat im Jahr 2007, dass Prozesse im Gesundheitswesen gestrafft und vereinfacht, Qualität gesteigert und Kosten gesenkt werden. Ein Mittel dazu: das elektronische Patientendossier für jeden Einwohner. Diese virtuelle Krankenakte sollte bis im Jahr 2015 Realität werden – so der Plan. Am eHealthCare-Kongress in Nottwil dämpften am Mittwoch Vertreter von Behörden, den Leistungserbringern und der Wirtschaft die Erwartungen an eine baldige Lancierung des eDossiers. Als einen Grund nannten Salome von Greyerz vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), dass das Bundesgesetz zum elektronischen Patientendossier voraussichtlich nicht innert eines Jahres verabschiedet wird. Streitpunkte bei der Vorlage seien die eindeutige Identifikationsmöglichkeit für Patienten und die Anreize für die Leistungserbringer. «In der aktuellen Phase täuscht der Eindruck nicht, dass die eHealth-Umsetzungen vorübergehend entschleunigt werden», sagte von Greyerz. Nach Verabschiedung des Gesetzes erwarte sie einen erneuten Schub für eHealth. Nächste Seite: Ärzte auf der Bremse In der Ärzteschaft spricht augenscheinlich niemand von «Entschleunigung», sondern eher von Stagnation. Wusste FMH-Präsident Jacques de Haller vor einem Jahr zu berichten, dass rund 15 Prozent der niedergelassenen Mediziner ein elektronisches Patientendossier besitzen, bezifferte er den Anteil in diesem Jahr abermals mit weniger als 20 Prozent. Seine Bekräftigungen, eHealth sei für die Ärztevereinigung FMH eine «gute Sache» und die Mediziner machten «gerne» mit, wurden durch die Wiederholung nicht glaubwürdiger. Der FMH-Präsident warb um Verständnis für die Situation von niedergelassenen Ärzten: Wenn die Mediziner tausende Franken investieren müssten, um Patientendaten elektronisch zu erfassen, hätten sie davon zunächst keinen grossen Nutzen. So sprächen FMH-Mitglieder der IT das Potential ab, Kosten zu senken, sagte de Haller. Nutzen bringen die Computer erst, wenn sie mit anderen Leistungserbringern vernetzt sind und dem Arzt zum Beispiel das Versenden von Befunden vereinfachen. Das sei aktuell aber nicht flächendeckend möglich. Um die Medizinern für eHealth zu gewinnen, seien Anreize notwendig. In der Diskussion sei eine Anschubfinanzierung für Computerausstattung von zum Beispiel 30'000 Franken pro Praxis.

30'000 Franken für Praxis-IT

Teilweise Verständnis für die Ärzte äusserte Regierungsrat Carlo Conti, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK): Mit den Patientendaten laufe der Mediziner auch Gefahr, sein Alleinstellungsmerkmal zu verlieren, da niemand seine handschriftlichen Aufzeichnungen lesen kann. Das Festhalten an den althergebrachten Prozessen werde im geplanten Gesetz allerdings auch nicht sanktioniert. Für sowohl die Patienten als auch die Leistungserbringer ist die Nutzung des elektronischen Dossiers freiwillig. Die doppelte Freiwilligkeit ist für Conti ein Zugeständnis an die föderale Organisation des Schweizer Gesundheitswesen. «Würde ich in Deutschland ein Gesetz einführen, gäbe es eine Verpflichtung zur Teilnahme», sagte Conti. Über die Anreize werde nun versucht, die Leistungserbringer trotz Freiwilligkeit zum Mitmachen zu bewegen. Denn auch in der Schweiz ist das Ziel, dass nicht wie aktuell 20 sondern 100 Prozent der Ärzte eHealth unterstützten.



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