25.03.2015, 14:33 Uhr

HTC One M9 im Test

HTC findet ein gutes Mass an Altbewährtem und neuen Funktionen.
Design. Design. Design. Bei der HTC-Präsentation des One M9 hätte man denken können, man kaufe sich mit dem M9 etwas für die Vitrine, das nebenher noch telefonieren kann. Dabei legte HTC doch nur so viel Gewicht auf das Äussere, weil sonst nicht viel passiert ist. Dazu war das One M8 in Sachen Design beliebt und HTC somit wahrscheinlich auf dem richtigen Weg. Daher gleich zum ersten Punkt:

Gehäuse und Design

Mit der Front- und Rückseite des One M9 und des One M8 kann man getrost «Finde den Unterschied» spielen. Als erstes fällt die neue Kamera auf. Diese ist neu nicht mehr rund, sondern quadratisch mit abgerundeten Ecken. Ein kleiner Rahmen um das Objektiv schützt die Linse, wenn das Smartphone auf dem Rücken liegt. Dafür fehlt die zweite Kamera für die Tiefenmessung. Die Funktion, die lediglich für einen mittelmässigen Unschärfefilter verwendet wurde, war schlicht zu wenig nützlich, um wertvollen Platz dafür zu verschwenden. Eine weitere Änderung fällt erst bei genauerem Hinsehen auf: Die Rückseite des One M9 ist etwas weniger stark gebogen. Das führt dazu, dass die Seite des Smartphones etwas abrupter kommt und daher eine leichte Kante erhält. Das Material bleibt identisch und das ist auch gut so. Edles gebürstetes Aluminium liegt gut in den Händen und sieht in allen verfügbaren Farben spektakulär aus. Auf der Vorderseite sind die Unterschiede fast noch schwieriger zu finden. Lautsprecher, Frontkamera, HTC-Logo. Alles am gleichen Platz im gleichen Look. Erst bei den Rändern sind Abweichungen vom M8 zu sehen. So ist die Frontplatte etwas kleiner als die Rückenplatte des M9. Dadurch entsteht auf der Seite eine kleine Stufe. Als wäre die Rückseite des One M9 eine aufgesetzte Hülle. Das ist sowohl optisch als auch haptisch erst einmal gewöhnungsbedürftig, fällt aber schnell nicht mehr gross auf. Die oberen und unteren Kanten wurden ebenfalls überarbeitet. Oben macht der Power-Knopf einem breiten Plastikbalken (für Funksignale) Platz und wandert auf die rechte Seite unter die Lautstärke-Buttons. Auch für den Kopfhörer-Anschluss gibt es oben keinen Platz mehr. Die 3,5-mm-Klinke ist neu am unteren Rand neben dem micro-USB-Anschluss zu finden. Farblich geht HTC mit dem Trend und bringt eine iPhone-ähnliche Gold-Version mit weissen Akzenten heraus. Dazu gibt es das klassische grau, das bereits beim M8 beliebt war und eine zweifarbige Variante mit silberner Front- und Rückseite mit goldenem Rahmen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Display, Interface, Leistung

Display und Interface

Dass Design beim Statussymbol Smartphone wichtig ist, hat HTC richtig erkannt. Allerdings machen auch andere Faktoren ein gutes Gerät aus. Beispielsweise ein wertiges Display. Anders als Samsung setzt HTC noch nicht auf höhere Auflösungen und bleibt beim bewährten 1080p. Ein guter Schritt, schliesslich bringen Displays mit höherer Auflösung bisher eher wenig Vorteile, brauchen dafür aber deutlich mehr Strom und Rechenleistung. Gleich geblieben ist auch die 5 Zoll Bildschirmdiagonale des Vorgängers, die für die meisten Hände mehr oder weniger passt. Wie beim Design hat HTC hier kaum Verbesserungsbedarf, da der Vorgänger bereits ausgezeichnet war. Dafür streckte HTC mehr Zeit in das Interface Sense 7. Die Benutzeroberfläche bleibt sich optisch treu, bringt aber einiges an neuen Funktionen mit sich. Smarte Software ist dabei das Kernthema des neuen Sense. Ein neues Home-Widget passt sich dynamisch am Standort des Nutzers an. Dabei können drei Orte festgelegt werden: Zuhause, Arbeit und Unterwegs. Das Smartphone erkennt, wo Sie sich gerade befinden und passt die acht Verknüpfungen auf Ihrem Startbildschirm entsprechend an. In den meisten Fällen funktioniert das ganz gut, solange Sie Ihr Smartphone von Google Location orten lassen. Falls Sie das nicht möchten, können Sie auch manuell zwischen den drei Orten wechseln und diese als virtuelle Desktops verwenden. So oder so ist das neue Widget eine Bereicherung für das Sense-Interface. Wer den smarten Startbildschirm nicht verwenden will, kann das Widget auch einfach entfernen. Entfernt haben auch viele HTC-Nutzer den BlinkFeed. HTCs eigener Flipchart-Verschnitt soll mit Sense 7 mehr bieten und somit auf mehr Geräten aktiviert bleiben. Ganz im Stile von Google zeigt der neue BlinkFeed neu ortsbezogene Daten wie Restaurants in der Nähe oder ÖV-Fahrpläne an. Die neuen Funktionen sind zweifelsohne ambitioniert, aber auch ein wenig fragwürdig. Das nicht zuletzt weil die Technologie schon bei Google nur mässig funktioniert. HTCs eigene Version muss mit deutlich kleineren finanziellen Mitteln und weniger Know-How auskommen. Damit eine komplexe Software auf die Reihe zu kriegen, an der sich sogar Google die Zähne ausbeisst ist eine besondere Herausforderung. Im Test liefert BlinkFeed etwas weniger genaue Daten wie Google Now. Das liegt aber nicht zuletzt daran, dass HTC weniger über mich weiss. Der Nutzen hängt stark von der Situation ab. Meistens sind die Infos nicht wirklich nützlich, der vereinzelte Volltreffer hilft jedoch. Besonders nützlich sind Kalenderinformationen, die einen doch ab un an auf BlinkFeed ziehen. Insofern ist HTC doch ein Fortschritt gegenüber der vorherigen Version gelungen. Das Hauptproblem der Vorschlagstechnologie bleiben aber auch hier erhalten: Die Infos kommen nur, wenn die Software glaubt ich könne Sie brauchen. Gerade für Sachen wie ÖV wäre es dabei sehr einfach, BlinkFeed (oder Google Now) unerlässlich zu machen: Am oberen Rand ein paar Buttons platzieren wie «Nach Hause per ÖV» oder «Fahrplan ab hier». Man öffnet Blinkfeed, tippt auf den Fahplanknopf und die Software liefert den Plan der nächstgelegenen Haltestelle mitsamt Karte.

Leistung und Batterie

Hinter dem Alugehäuse und Sense 7 schlummert im HTC One M9 einiges an Power. Das Chipset stammt wie in der Vergangenheit von Qualcomm. Es handelt sich dabei um das neue Set Snapdragon 810, bestehend aus zwei Vierkernprozessoren mit 2 GHz und 1,5 GHz, dem Grafikchip Adreno 430 und 3 GB RAM. In Benchmarks schneidet das One M9 nur knapp hinter dem Samsung Galaxy S6 ab. Kaum verwunderlich, laufen doch beide Geräte auf praktisch identischer Hardware. Die Hardware in Samsungs Exynos-Chipset ist fast die Gleiche und nur leicht besser an die restliche Hardware angepasst. In der Praxis merkt man von diesen Benchmark-Unterschieden sowieso nichts. Wie bei den meisten anderen Flaggschiffen segelt es sich auch mit dem HTC One M9 absolut flott durch sämtliche Gewässer. Dank dem Slot für eine microSD-Karte mit bis zu 200 GB Speicherplatz. Der Saft dazu hält ebenfalls lange. Bei normaler Alltagsnutzung reicht eine Akkuladung für etwa zwei Tage, mit Power-Saver-Modus gerne noch einen Tag länger. Wie bei anderen Smartphones dürfte sich dieser Wert nach einem Jahr aber fast halbiert haben. Braucht man das Gerät nur selten, hält es auch mal ein fünftägiges Festival durch. Telefonieren kann man laut Herstellerangaben etwas über 20 Stunden am Stück. Sollte reichen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Kamera, Audio, Fazit

Kamera und Audio

Innovation kam von HTC in den vergangenen Jahren vor allem bei der Kamera. Mit ihrer Ultrapixel-Kamera sorgten die Taiwanesen beim HTC One M7 für Aufsehen und das One M8 fiel mit der zweiten Heckkamera auf. Beim M9 ist beides wieder weg. Zumindest auf der Rückseite. Die Hauptkamera löst mit 16 ganz normalen Megapixeln auf und liefert somit deutlich schärfere Bilder. Im Gegenzug verliert das M9 ein wenig an Bildqualität bei schlechten Lichtverhältnissen. Weg ist zudem die zweite Kamera auf der Rückseite, die beim M8 eine Tiefenmessung durchführte, um später nachzuschärfen. Die Funktion war weder besonders gut, noch rege genutzt und fliegt beim M9 zu Recht wieder raus. Ultrapixel scheint dafür endlich seinen Platz gefunden zu haben. Nämlich in der Frontkamera, dort wo sich niemand um eine hohe Auflösung schert, weil die Bilder sowieso höchstens auf Instagram landen. Dort wo gute Bildqualität bei schlechtem Licht etwas bringt. Eine gute Entscheidung von HTC und möglicherweise ein Modell für die Zukunft. Audio ist seit Jahren eine Stärke von HTC. Seit der Zusammenarbeit mit Beats Music konnten die Lautsprecher des HTC One stetig verbessert werden. Das M9 ist dabei keine Ausnahme. So satt klingt der Bass bei keinem anderen Smartphone, nicht einmal bei vielen Laptops. Für Musikfans ist das One auch in der Ausführung M9 erste Wahl. Das gilt im Übrigen auch über Kopfhörer. Der BoomSound-Treiber verbessert auch dort den Klang, besonders für schwache In-Ear-Kopfhörer.

Fazit

Das HTC One M9 ist grösstenteils eine Überarbeitung des Vorgängers. Es korrigiert Fehltritte des M8, verbessert bestehende Funktionen und lässt das Gute bestehen. Dieses Jahr reicht das aber für 2016 muss sich HTC etwas neues Einfallen lassen, wenn Sie die Käufer bei Laune halten wollen. Wenn möglich etwas eigenes, nicht einfach ein gebogenes Display oder einen Fingerabdrucksensor. Für heute ist das One M9 aber ein ausgezeichnetes Smartphone das mit allem Recht in der höchsten Liga um den Titel kämpft.



Das könnte Sie auch interessieren