14.10.2015, 16:56 Uhr

Verschläft die Schweiz die digitale Revolution?

CSC hat eine Studie zum Stand der Digitalisierung in Unternehmen veröffentlicht. Viele haben zwar eine Digitale Agenda, hinken der Digitalität aber sonst einigermassen hinterher.
Verschläft die Schweiz die digitale Revolution? Diese Frage stellte IT-Dienstleister- und Berater CSC anlässlich einer Pressekonferenz in Zürich. Die Antwort gab das Unternehmen gleich selbst mit der Studie «Digitale Agenda 2020»: Jein. Erste Erkenntnis der Studie: Für 68 Prozent der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die digitale Transformation den Wettbewerb bereits verändert. Gut jede fünfte Firma rechnet als Folge bis 2020 mit einer neuen Marktlage. «Wenn man erfolgreich agieren will, ist es wichtig, dass man diesen Wandel erkennt», kommentiert Christian Klöppel, Head of Global Mobility Consulting bei CSC, das Ergebnis.

In der Planungsphase

So weit so gut. Damit hat es sich in Sachen Digitalisierung aber auch schon fast. Bei gerade einmal 39 Prozent der Teilnehmer steht bereits eine so genannte Digitale Agenda. Was das genau heisst, ist auch nicht ganz klar. Denn die Definition, was eine Digitale Agenda genau beinhaltet und welche Parameter dabei eine Rolle spielen, dürfte von Unternehmen zu Unternehmen und von Branche zu Branche verschieden sein. Seine Papierdokumente digitalisiert zu haben, ist damit jedenfalls nicht gemeint. Immerhin: Die Schweiz ist im Ländervergleich – für die Studie führte CSC 500 Interviews, 100 davon in der Schweiz, mit Entscheidungsträgern in Unternehmen der DACH-Region – mit der Planungsphase am weitesten fortgeschritten. Knapp jedes zweite Unternehmen hierzulande hat eine Digitale Agenda verabschiedet. In Österreich sind es 42 Prozent, in Deutschland nur 35 Prozent. Jeweils etwa ein Drittel plant allerdings innerhalb der nächsten 12 Monate eine solche aufzustellen. Der Rest dürfte den Anschluss verpassen.

Reifegrad noch nicht sehr weit

Aufgeschlüsselt nach dem schon erreichten Reifegrad digitaler Projekte im Wettbewerbsvergleich schätzen sich die deutschen Firmen (37%) am fortschrittlichsten ein. In der Schweiz und in Österreich hält nur rund jedes vierte Unternehmen den eigenen digitalen Reifegrad für hoch bis sehr hoch. Noch kein Grund zum Jubeln also, denn: Insgesamt halten 68 Prozent aller Firmen ihren Digitalisierungsgrad im Vergleich zu den Wettbewerbern im Markt für mittelmässig bis gering. Nächste Seite: Aufschlüsselung nach Branchen Nach Branchen aufgeschlüsselt liegen Telco- und IT-Dienstleister eindeutig vorn. Hier schätzt knapp die Hälfte den Grad der Digitalisierung für «eher hoch» oder «sehr hoch». Betrachtet man diese Branche als Vorreiter auf diesem Gebiet, sollte sie allerdings schon weiter sein. Hier spiele jedoch noch oft das klassische Geschäft eine Rolle, sagt Klöppel. Auch die Finanz- und Versicherungs-Dienstleister liegen mit 42 Prozent erwartungsgemäss relativ vorn. Erheblichen Handlungsdruck erkennt die Wirtschaft bei der Digitalisierung der öffentlichen Hand. Aus unternehmerischer Sicht gehen 41 Prozent davon aus, dass die Behörden den erforderlichen Handlungsbedarf bisher unterschätzen. Auch der Handel ist mit nur 26 Prozent eher abgeschlagen, ein Ergebnis, das CSC so nicht erwartet hatte. Allerdings spiele auch hier das klassische Geschäft noch eine entscheidende Rolle. Handelsunternehmen wüssten zum Teil online alles über ihre Kunden, erkennen ihn dann aber nicht, wenn er das Ladengeschäft betritt. Hier fehlt einfach die Vernetzung.

Chancen und Risiken

Hier liegen auch die Chancen der Digitalisierung. In allen drei Ländern steht eine verbesserte Kundenkenntnis- und Kundenbeziehung (47%) auf Platz eins. Der Blick in die Branchen zeigt, dass Industrieunternehmen künftig mit individualisierten Produkten flexibler auf Kundenwünsche reagieren wollen (41%). Finanz- und Versicherungsdienstleister (53%) setzen, ebenso wie der Handel (45%) auf digitale Vertriebskanäle. Telko- und IT-Dienstleister sehen die grössten Chancen bei der Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen (53%).

Wo es Chancen gibt, lauern auch Risiken. An oberster Stelle steht die Angst um die Datensicherheit sowie vor hohen Investitionskosten. Auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern wird kritisch betrachtet. Nach Stolpersteinen bei der Umsetzung der Digitalen Agenda befragt, steht wie immer der Fachkräftemangel ganz oben auf der Problemliste, gefolgt von Finanzierungs- sowie Aus- und Weiterbildungslücken. Sowohl bei der Frage nach den Risiken, als auch nach den Stolpersteinen wurden kulturelle Vorbehalte von den Wenigsten genannt. Laut CSC werde dieser Punkt dramatisch unterschätzt. «Aus Erfahrung wissen wir, dass in Ländern wie den USA oder auch in Asien, viel offener an IT-Innovationen herangegangen wird», erklärt Klöppel. Das habe Vor- und Nachteile. Zum einen gäbe es in Europe striktere Datenschutzregeln, was auch gut sei. Zum anderen werden aber durch ablehnende oder abwartende Haltung auch Chancen verpasst und Innovationen und Kreativität gehemmt. In der Schweiz beispielsweise scheitern Projekt gerne einmal am alten Credo «Das haben wir schon immer so gemacht». Klöppel empfiehlt bewusst einmal anders zu sein, als der Mainstream und ruhig etwas zu riskieren, um sich vom Wettbewerb abzusetzen.

Banken sind gerade auf gutem Wege, kreativer zu werden. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten. Auch wenn es gerade modern ist, sich ein Start-up und damit Innovation zu kaufen, Stichwort FinTech, die eigentliche Herausforderung bestehe darin, diese Innovationen und Kreativität ins Tagesgeschäft zu integrieren. Nächste Seite: Projekte hinterfragen und korrigieren

Projekte auf den Prüfstand!

Wer sich fit machen will für die digitale Zukunft muss experimentierfreudig und mutig sein. Einen Digital Officer ins Boot zu holen ist dafür unablässig. Das haben die meisten Umfrageteilnehmer noch nicht erkannt. Nur 10 Prozent planen die Rolle des Digital Officers, der Führungsverantwortung trägt und die Transformation vorantreibt, zu implementieren. «Tun Sie Dinge sehr schnell und in kleinen Schritten», empfiehlt Peter Ronchetti, General Manager CSC Schweiz. Dann falle man auch nicht zu weit zurück, wenn mal etwas schief läuft. Ausprobieren, der Mut Fehler zu begehen und immer dabei bleiben und Erfahrungen sammeln seien das A und O.


Und: Sich immer hinterfragen. Investitionen für Digitalisierungsprojekte müssen immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. «Fragen Sie sich, was Sie in den letzten 5 Jahren gemacht haben und prüfen Sie, ob der Weg, den Sie eingeschlagen haben noch der richtige ist oder gegebenenfalls korrigiert werden muss», so Klöppel.

Bei der Weiterentwicklung von Mitarbeitern auf dem Weg zu Digitalisierung wollen die Unternehmen vor allem in fachliche, IT-relevante sowie Kommunikations- und Kollaborations-Skills investieren. Leadership- und methodische Skills bleiben bis dato fast gänzlich unbeachtet. Hier müsse dringend nachgebessert werden, so CSC.



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