27.10.2010, 11:21 Uhr

Dank Schweizer Forschern zum Null-Watt-PC

Die ETH Lausanne und das IBM-Forschungslabor in Rüschlikon bei Zürich arbeiten im Rahmen des EU-Projekts "Steeper" an neuartigen Transistoren für PC-Prozessoren, die kaum noch Strom verbrauchen.
Adrian Ionescu von der ETH Lausanne leitet das internationale Steeper-Projekt
Konkret soll mit den Transistoren der Bau von Geräten möglich werden, die bis zu zehn Mal weniger Strom im Betrieb verbrauchen und im Standby-Modus nahezu keinen Strom mehr benötigen.
,,Unsere Vision ist es, gemeinsam mit der Industrie an der Entwicklung eines Computers zu arbeiten, dessen Stromverbrauch im Ruhezustand vernachlässigbar gering ist. Wir nennen ihn den Null-Watt-PC. Gelingt dies, wäre ein Meilenstein der IT-Forschung erreicht", erklärt Adrian Ionescu, Professor am Nanolab der ETH Lausanne und Koordinator von Steeper.

Gegen den Leckstrom

Um dieses hochgesteckte Ziel umzusetzen, erforscht das Konsortium so genannte Tunnel-Feldeffekttransistoren (Tunnel-FETs), die aufgrund ihres speziellen Aufbaus die Energieeffizienz im Vergleich zu heutigen Transistoren signifikant verbessern können. Als Grundbausteine für Prozessoren - bieten Tunnel-FETs einen Ansatz, um das Problem der Verlustströme, die für den Standby-Verbrauch verantwortlich sind, in den Griff zu bekommen.
Durch die fortschreitende Miniaturisierung sind bestimmte Schichten in heutigen Transistoren bereits so dünn, dass stetig ein kleiner aber nicht zu vernachlässigender Leckstrom fliesst. Die in Steeper entwickelten Tunnel-FETs sollen nicht nur diesen unerwünschten Stromfluss "abdichten", sondern es auch ermöglichen, dass zum Schalten der Transistoren weniger Spannung benötigt wird.
"Die Energiedissipation entwickelt sich zur grössten Herausforderung für die heutige Elektronik, insbesondere in Computern", betont Heike Riel, Leiterin der Nanoscale Electronics Forschungsgruppe am IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon. "Mit Steeper wollen wir die Betriebsspannung der Transistoren
senken, was einen deutlich geringeren Energieverbrauch für das kleinste Elektronikgerät bis hin zum grossen Supercomputer bedeuten kann."

Quantenmechanische Effekte für energiearme Prozessoren

In Steeper werden drei verschiedene Arten von Tunnel-FETs untersucht: solche auf der Basis von Silizium (Si), Silizium-Germanium (SiGe) und Nanodrähten aus III-V-Halbleitern. Nanodrähte sind zylindrische Strukturen mit einem Durchmesser von nur wenigen Nanometern (nm), die eine optimale elektrostatische Kontrolle des Transistorkanals ermöglichen. Ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter. In Tunnel-FETs wird quantenmechanisches Band-zu-Band-Tunneln genutzt, um den Transistor zu schalten. Beim Übergang
vom "OFF"- in den "ON"-Zustand entsteht so eine steilere Schaltcharakteristik als bei konventionellen Transistoren, die bei 60 mV pro Dekade physikalisch limitiert ist. Dadurch benötigen diese neuartigen Transistoren effektiv weniger Spannung zum Schalten. Die steile Schaltcharakteristik ermöglicht gleichzeitig eine Reduktion des Leckstroms unterhalb der Schwellwertspannung und somit eine Verringerung des Energieverbrauchs im Standby.
Aufgrund dieser steileren, oder abrupteren, Charakteristik werden diese Tunnel-FETs auch als Steep-Slope-Transistoren bezeichnet, wovon sich der Projektname Steeper ableitet. Der kritische Faktor für den Erfolg des Projekts wird die Entwicklung eines energieeffizienten und steilen Tunnel-FETs sein, der in einem Spannungsbereich von unter 0,5 Volt arbeiten kann.
Ein weiterer Teil von Steeper ist die Untersuchung der physikalischen und praktischen Grenzen für eine Leistungssteigerung von Tunnel-FETs, die auf Nanodrähten aus III-V-Halbleitern und deren Heterostrukturen basieren, und der Vorteile, die sich daraus für künftige energieeffiziente elektronische
Schaltungen ergeben könnten.

Energieschleuder Standby-Betrieb

Gemäss der Internationalen Energie-Agentur (IEA) verursacht Elektronik heute rund 15 Prozent des Stromverbrauchs der Haushalte. Bis 2022 dürfte sich der Energieverbrauch verdoppeln und bis 2030 sogar auf rund 1700 Terawattstunden verdreifachen, was dem Gesamtenergieverbrauch der Haushalte in den USA und Japan im Jahr 2009 entspricht.
Besonders unwirtschaftlich ist der enorme Energieverbrauch im Standby. Die EU schätzt, dass dieser bereits zehn Prozent des Energieverbrauchs der Wohnungen und Büros ihrer Mitgliedstaaten ausmacht. Ohne spezifische Gegenmassnahmen wird der Energieverbrauch im Standby auf 49 Terawattstunden pro Jahr zunehmen, was beinahe dem aktuellen jährlichen Energieverbrauch von Portugal, Österreich und der Tschechischen Republik zusammen entspricht.
Redaktion



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