Schweizer FinTechs 16.03.2016, 12:07 Uhr

Schritt ins Ausland wagen

Der Schweizer FinTech-Markt ist, wenn auch klein, international kompetitiv und hat sich für weiteres Wachstum gut positioniert, sagt eine Studie der Hochschule Luzern. Allerdings stehen ihm regulatorische Hürden im Weg.
Die Schweizer FinTech-Szene ist grösser und lebendiger als sie wahrgenommen wird und entwickelt sich rasant. So existierten 2010 in Helvetien erst 24 FinTech-Unternehmen, Ende 2015 waren es bereits 162 Firmen mit Geschäftssitz in der Schweiz. Trotz hoher Relevanz des Finanzplatzes Schweiz, ist der Markt natürlich vergleichsweise klein und die Zahl möglicher Nutzer und Abnehmer von FinTech-Produkten überschaubar. Das zeigt die heute erschienene Studie «IFZ FinTech Study 2016» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern ? Wirtschaft.
In besagter Studie wurde zum ersten Mal eine umfassende Bestandsaufnahme des Schweizer FinTech-Markts vorgenommen, heisst es. Neben Start-ups wurden auch Banken und Technologie/IT-Unternehmen einbezogen, die überwiegend im FinTech-Bereich tätig sind. Die Hochschule hat sowohl das soziodemografische, rechtliche und ökonomische Umfeld besagter Firmen unter die Lupe genommen, als auch 67 FinTechs hinsichtlich Geschäftsmodellen, Zielmärkten, Finanzierungsstrukturen und Vertriebskanälen genauer untersucht.

Gleichmässige Abdeckung

Die Auswertung der Daten zeigt, dass alle FinTech-Bereiche etwa gleichmässig abgedeckt werden (siehe Grafik 1): Analytics, Banking Infrastructure, Blockchain, Deposit & Lending (Crowdfunding), Investment Management sowie Payment. Geografisches Zentrum, in dem sich FinTech-Unternehmen ansiedeln, ist erwartungsgemäss Zürich. Hier befinden sich derzeit 72 Firmen, gefolgt von Zug mit 21. «Aber es sind nicht nur die Unternehmen, die zu einer lebendigen FinTech-Community in der Schweiz beitragen», sagt Studien-Projektleiter Thomas Ankenbrand. Start-ups stehen diverse Inkubatoren und Akzeleratoren zur Verfügung, die sie bei der Gründung und Entwicklung unterstützen (Computerworld berichtete regelmässig). Auch Verbände tun das Ihrige dazu, um FinTechs zu unterstützen, sagt Ankenbrand. Rund zwei Drittel der FinTechs beschäftigen weniger als 15 Mitarbeitende und unterscheiden sich damit von traditionellen Finanzdienstleistern (siehe Grafik 2) Eine kleine Belegschaft reduziert die Komplexität und ermöglicht eine schnelle und dynamische Steuerung. Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden gehören im Wesentlichen zur Kategorie Banking Infrastructure.
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Internationalisierung erforderlich

Wie erwähnt ist der Markt für FinTech hierzulande eher klein. Sowohl im B2C als auch im B2B-Bereich. «Sollen langfristig FinTech-Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten und neue geschaffen werden, müssen sich die Unternehmen international positionieren und Markteintritte im Ausland wagen», fordert Ankenbrand. Dafür wiederum sei allerdings ein möglichst einfacher Zutritt in den internationalen Markt nötig. Auch im Bereich Ausbildung verfügt die Schweiz theoretisch über eine gute Ausgangslage. Die besten Spezialisten sind jedoch nicht immer national verfügbar.

Genug Geld, zu viele Regeln

Risikokapital ist laut Studie vorhanden und stelle keinen generellen Engpass dar. Diese Aussage beisst sich allerdings ein wenig mit dem Swiss FinTech Report des Beratungsunternehmens Ernst & Young (E&Y) vom Februar. Laut E&Y müssten Gründer in der Finanzsparte hierzulande vor allem mit drei Herausforderungen umgehen: hohe Kosten, kaum Förderung durch Staat und Wirtschaft sowie vergleichsweise wenig Risikokapital. So war denn hierzulande das Venture-Capital-Volumen 2015 mit rund 27 Millionen Franken auch eher klein.
Da der Venture-Capital-Markt global sei und sich die besten Unternehmen weltweit aussuche, seien auch viele grenzüberschreitende Transaktionen zu beobachten, erklärt Ankenbrand. In der Schweiz fänden vor allem Jungunternehmen Investoren für das benötigte Kapital. Neben Banken nutzen mehrheitlich Start-ups digitale Technologien, um innovative Finanzdienstleistungen anzubieten. Nichts Neues. Ernst & Young nannte als Schwäche des Standortes Schweiz aber auch die fehlende spezifische Unterstützung für Start-ups. So würden sich Regierung und Finanzinstitutionen hauptsächlich mit Regulierungsfragen statt mit Innovation befassen. Generell gilt es aber in der Tat, regulatorische Hürden zu verringern. In der Schweiz sei erkannt worden, wie wichtig eine FinTech-adäquate Regulierung ist, so der Schluss der Luzerner Studienautoren. Unter anderem wolle die FINMA eine neue Bewilligungskategorie für einfache Geldinstitute schaffen. Die Schweiz steht hinsichtlich Regulierung in Konkurrenz mit Finanzplätzen wie London oder Singapur. Beide Städte sind derzeit dabei, regulatorische Barrieren zu verringern, um FinTechs anzulocken. Als Beispiele wären Projekte wie «Regulatory Sandbox» oder «Project Innovate» der Britischen Finanzaufsichtsbehörde FCA zu nennen. In der Schweiz werden somit weiterhin grosse Anstrengungen nötig sein, um attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen und im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Denn auch hohe Mieten und Lebenskosten sprechen eher gegen den Standort Schweiz und für London, New York oder Singapur.  Die rund 100-seitige Studie (auf Englisch) kann für 290 Franken unter ifz@hslu.ch bestellt werden.



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