Schweizer ERP-Anwender 12.09.2016, 14:07 Uhr

74 Prozent haben Probleme - mit Performance, Upgrades und Kosten

Trovarit hat 391 Schweizer ERP-Kunden gefragt. Mit dem erschreckenden Ergebnis: 74 Prozent haben Probleme mit ihrem ERP. Vor dem Albtraum, einfach den Anbieter zu wechseln, scheuen trotzdem die meisten zurück.
Nur 26 Prozent der Schweizer ERP-Anwender bescheinigen ihrer ERP-Lösung einen "weitgehend problemlosen Betrieb". Problemspitzenreiter in der Schweiz  sind vor allem die Performance der Systeme, dann folgen die laufenden Kosten und der Aufwand für neue Releases und Upgrades (siehe Grafik). Hier runterscheiden sich die Schweizer ERP-Anwender von ihren Kollegen in Österreich und in Deutschland. Schweizer müssen sich öfter mit zu langsamer, wenig performanter ERP-Software herumquälen.
Das Beratungshaus Trovarit hat für seine Anwenderstudie «ERP in der Praxis 2016/2017» zwischen März und Juli 2016 insgesamt 2'545 Antwortbögen ausgewertet. Darauf konnten Anwenderunternehmen ihr ERP-System auf einer Notenskala von «sehr gut» bis «mangelhaft» bewerten. 15 Prozent der Antworten kamen aus der Schweiz (391 Teilnehmer), 14 Prozent aus Österreich, drei Prozent aus der Türkei, der Rest aus Deutschland. Computerworld liegt exklusiv die Auswertung der Schweizer Antworten vor. Sehr zufrieden sind Schweizer ERP-Anwender mit der Stabilität der Systeme. Dort gibt es keine unliebsamen Überraschungen. Gute Noten haben auch die Wartungspartner und ihre Hotline erhalten. Die Wartungspartner sind kompetent, die Account-Manager verstehen ihr Geschäft. Stark in der Kritik steht aber der mobile Einsatz der ERPs.  Mit der Parole der Anbieter 'Jederzeit, überall, mit jedem Device von jedem Ort' scheint es noch nicht so weit her zu sein. Auch die Anwenderhandbücher der in der Regel doch sehr komplexen ERP-Software könnten besser sein. Die Dokumentation scheinen die Anbieter sehr zu vernachlässigen. Jedenfalls ist sie für die Anwender, die mit den Systemen arbeiten müssen, keine allzu grosse Hilfe.
Nächste Seite: So bewerten Schweizer Kunden die ERP-Anbieter In der Bewertung der einzelnen Anbieter unterscheidet sich die Schweiz kaum von Deutschland oder Österreich. Qualität setzt sich eben (länderübergreifend) durch, oder eben auch nicht. Auffallend ist: Branchenanbieter wie Vertec (Projektdienstleister) oder kleinere Installationen wie Issos Pro erzielen ausgezeichnete Noten. In der mittleren Gewichtsklasse (25 bis 99 User, in der Grafik: grau) haben deutlich überdurchschnittlich abgeschnitten: OpaccERP, Tosca und APplus. In der Kategorie der Lösungen für grössere Installationen (ab 100 User, in der Grafik: orange) schneiden IFS Applications und Microsoft Dynamics AX überdurchschnittlich ab. Mit deutlichem Anstand folgen in dieser obersten Gewichtsklasse SAP ERP und Infor ERP M3.
Nächste Seite: Die Top-Prioritäten der Schweizer Kunden Bei der Auswahl für ein bestimmtes ERP-System ist Schweizer Kunden die Funktionalität und - mit grossem Abstand das Kriterium Nummer 2 - die KMU-Eignung am wichtigsten. Die Software soll also bereits in der Standard-Version möglichst viele der erforderlichen Aufgaben erledigen können, sodass sich aufwendige Software-Anpassungen erübrigen. Schweizer Kunden achten jedoch stärker als ihre Kollegen in Deutschland und Österreich auf das Auftreten und die Fachkompetenz des Anbieters. 36 Prozent der Schweizer ist das wichtig, aber nur 28 Prozent in den übrigen Regionen/Ländern.
Trotzdem, und das ist ein erschreckend hoher Wert, gibt es massive Probleme bei der Einführung einer neuen ERP-Software. Nur 13 Prozent der Einführungsprojekte in der Schweiz laufen "weitgehend problemlos" ab. In Österreich und in Deutschland liegt die Erfolgsquote mit 17 Prozent zwar deutlich höher. Sie bewegt sich aber auch in diesen Ländern immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Nächste Seite: Die Hauptprobleme der Kunden Hauptproblem Nummer eins ist die Migration der Daten ins neue System (36 Prozent). Ausserdem wird der Projektzeitplan zu knapp ausgelegt und die Anzahl der erforderlichen Systemanpassungen, die man eigentlich vermeiden will, ist grösser als erwartet.
Wohl auch deshalb bleiben Kunden gerne bei ihrem alten, gewohnten ERP-System, auch wenn sie nicht hundertprozentig zufrieden mit ihm sind. Kunden scheuen den Horror des Systemwechsels. Das durchschnittliche Alter der ERPs hat sich (länderübergreifend) signifikant von 8,2 Jahren (2014) auf 10,2 Jahre (2016) erhöht. Schweizer ERP-Lösungen haben im Durchschnitt 2016 sogar etwas 11 Jahre auf dem Buckel. Die Modernisierung auf den aktuellen Release-Stand liegt in der Schweiz im Mittel etwa 2,3 Jahre zurück - zu lang. Hier sind allerdings die Anbieter gefragt, die ihren Kunden das Upgrade auf eine neue Version so problemlos und angenehm wie möglich gestalten müssen.



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