05.01.2017, 16:07 Uhr

Schweizer Banken unsicher bei Digitalisierung

Der Bankenplatz Schweiz steht vor einem fundamentalen Strukturwandel. Die Banken wissen offenbar nicht, wie damit umzugehen. Digitalisierung fängt für sie bei den Kunden an.
Die Schweizer Bankenbranche wird von einem fundamentalen Strukturwandel erfasst: 87 Prozent der Banken erwarten bis 2020 weitreichende Veränderungen in ihrer Wertschöpfungskette. Gleichzeitig glauben heute immer noch 64 Prozent (im Vorjahr 67 Prozent), dass die Digitalisierung hauptsächlich darin besteht, zusätzliche (elektronische) Vertriebskanäle zu öffnen. Im «Bankenbarometer» des Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) wird dieser Widerspruch nicht aufgelöst.  An einer Präsentation des «Bankenbarometers» äusserte EYs Olaf Toepfer jedoch die Meinung, dass heute nur die Spitze des Eisbergs zu sehen ist. Seiner Meinung nach werde die Digitalisierung fundamentale Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und -prozesse sowie Unternehmensstrategien haben. Dabei gehe es nicht nur um zusätzliche Distributionskanäle, sagte der Leiter Banking bei EY Schweiz.
Für die in der Studie befragten 120 Geschäftsleitungsmitglieder von Schweizer Banken sind die digitalen Kundenkanäle offenbar ein guter Start. Sie müssen ihren Aktionären, Kollegen und Verwaltungsräten weithin sichtbare Resultate der Digitalisierungsinitiativen präsentieren. Das gelingt mit Apps, Online-Services und Websites rasch. Die Bankenmanager wissen aber auch, dass sie ihre Hausaufgaben noch zu erledigen haben. Denn bei den Prioritäten neu an erster Stelle stehen Industrialisierung und Prozessoptimierung. Mit selbst gebauten Applikationen und Systemen aus dem letzten Jahrhundert kann keine Schweizer Bank mit einem Anbieter konkurrieren, der seine Firma auf der «grünen Wiese» mit optimaler Infrastruktur starten konnte. «Die Schweizer Institute würden ihre Systeme heute nicht wieder so aufbauen, wie sie jetzt installiert sind», sagte Toepfer. Die Regulierung tue ihr Übriges, Ressourcen zu binden, die sonst für Digitalisierungsprojekte frei wären. Nächste Seite: Apple Pay keine Konkurrenz Anders als in früheren Ausgaben des «Bankenbarometers» werden die Regulierungsanforderungen aber nicht mehr als die Aufgabe mit der höchsten Priorität angesehen. Von der Finma fokussierte Massnahmen zur Cyber Security und das Risikomanagement stehen zwar auf den Agenden der Banker. Aber zum Beispiel die Digitalisierung hat einen höheren Stellenwert. Die Umfrageteilnehmer haben offenbar Routine darin erworben, ihre Systeme an die Vorschriften anpassen zu müssen. Besserung ist für sie nicht in Sicht: Nur 11 Prozent (im Vorjahr 3 Prozent) rechnet mit weniger Regulierung bis 2020. 
Beim Konkurrenzdruck erwarten die Banken allerdings sehr wohl eine Veränderung. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen die Marktstellung der Banken durch branchenfremde Anbieter bedroht. Geht es nach den Umfrageresultaten, wird die Gefahr immer grösser: Nach 56 Prozent Zustimmung im Vorjahr glauben jetzt sogar 67 Prozent, dass 2020 – notabene in drei Jahren – ein Player wie Apple oder Google die Schweizer Banken konkurrenziert.  Wie EYs Toepfer sagte, sind damit weniger Zahlungslösungen wie Apple Pay & Co. gemeint, sondern vielmehr ausgewählte (margenträchtige) Teile des Anlagegeschäfts oder der Vermögensverwaltung. «Die Digitalisierung erleichtert branchenfremden Konkurrenten den Markteintritt und kann die bereits seit Jahren sinkende Loyalität der Kunden weiter schwächen», sagte er.



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