05.02.2016, 08:00 Uhr

Schweiz hat Defizite als FinTech-Standort

Das Beratungsunternehmen Ernst & Young identifiziert noch Mängel des Standortes Schweiz als globales Zentrum für FinTech-Start-ups: hohe Kosten und fehlende Geldgeber.
Die Schweiz möchte sich gerne als Innovationszentrum für digitale Finanzdienstleistungen positionieren. Diverse Gründerinitiativen, Hackathons und Inkubatoren sind Massnahmen, die das Streben der hiesigen Organisationen sowie Unternehmen dokumentieren. Auf den ersten Blick sind die Voraussetzungen auch gut: Bestens ausgebildetes Personal, diverse Hochschulen von Weltruf und hervorragendes Know-how in der Finanzsparte sprechen für den Standort. Im «Swiss FinTech Report» zeigt das Beratungsunternehmen Ernst & Young allerdings auch Defizite des Finanzplatzes Schweiz auf. Gründer in der Finanzsparte müssten hierzulande mit drei Herausforderungen umgehen: hohe Kosten, kaum Förderung durch Staat und Wirtschaft sowie vergleichsweise wenig Risikokapital. 

Lohn, Gründerförderung, Kapital

Ernst & Young führt in dem Report an, dass hohen Mieten, Löhne und Lebenskosten gegen den Standort sprechen. Gemäss dem letztjährigen «Cost of Living Index» liegen in der Schweiz sieben der zehn teuersten Städte der Welt. Die zwei Finanzmetropolen London und New York sind in diesem Index auf den Plätzen 15 und 22 geführt. Singapur (Platz 47) bietet ein freundlicheres Umfeld für Start-ups.
Als zweite Schwäche des Standortes nennt das Beratungsunternehmen die fehlende spezifische Unterstützung für Start-ups. Die Regierung und die Finanzinstitutionen würden sich hauptsächlich mit Regulierungsfragen statt mit Innovation befassen. Hier widerspricht Ernst & Young sich teilweise selbst: Laut dem jüngsten «Bankenbarometer» aus dem gleichen Haus stehen bei den Schweizer Banken erstmals überhaupt Wachstumsprojekte ganz oben auf der Agenda: So sollen Partnerschaften mit Nicht-Banken, das Erschliessen neuer Märkte sowie Aufbau neuer Geschäftsfelder im laufenden Jahr angegangen werden. Hier könnten Start-ups durchaus eine wichtige Rolle spielen. Drittens, so Ernst & Young, fehlen den FinTechs die Finanzierungsmöglichkeiten. Zwar verfüge die Schweiz über hohe Bargeldbestände, die für Investitionen verwendet werden könnten. Jedoch befinde sich der Markt für Risikokapital noch in den Kinderschuhen. Das Land habe für Start-ups insgesamt nur gerade rund ein Drittel des Risikokapitals von London aufgebracht. Weder die Schweizer Regierung noch die etablierten Finanzinstitute hätten bisher Interesse an einer finanziellen Unterstützung von Gründern angemeldet. Nächste Seite: London, New York, Singapur Zu den weltweiten Zentren für FinTechs zählt Ernst & Young die Metropolen London, New York und Singapur. Alle drei Städte böten ein attraktives Umfeld für Start-ups mit staatlicher Unterstützung, Initiativen der Privatwirtschaft und viel verfügbarem Investitionskapital, obwohl Gründer zumindest London und New York ebenfalls mit hohen Lebenshaltungskosten zu kalkulieren hätten. Jedoch böten beide Weltstädte leichten Zugang zu qualifizierten Fachkräften, da dort viele etablierte Finanzinstitute mit entsprechendem Know-how ansässig seien.

Positiver Ausblick für die Schweiz 

Die für den «Swiss FinTech Report» befragten Mitarbeiter von hiesigen Finanzinstitutionen resümieren, dass die Schweiz von ihrer Position als Finanzzentrum in Europa noch nicht in vollem Umfang profitiert habe. Um die aktuellen Stärken des Standorts hervorzuheben und die neuen Herausforderungen anzugehen, müssen Marktbedingungen geschaffen werden, die Start-ups, Unternehmen und Investoren motivieren. Zudem gelte es, Wettbewerbsvorteile gegenüber Finanzzentren wie London, Singapur und New York hervorzuheben. John Hucker, Präsident der Swiss Finance and Technology Association, empfiehlt den einheimischen FinTechs, das grosse Potenzial der Schweiz, die finanziellen Mittel, die Möglichkeiten zur Vernetzung an Konferenzen sowie zusätzliche Initiativen für ihre Geschäftsideen zu nutzen. So könnten die Gründer an die langjährige Tradition der Schweiz als Innovationsführer der weltweiten Finanzdienstleistungsbranche anknüpfen. «Der Finanzplatz Schweiz muss sich dringend neu erfinden. FinTech wird hier eine führende Rolle spielen», meint Bernhard Schneider, Senior Manager bei EY Financial Services Schweiz. 



Das könnte Sie auch interessieren