24.10.2014, 14:55 Uhr

Wie leben wir im Jahr 2030?

Eine neue Studie zeigt, was für eine Zukunft die vernetzte Gesellschaft erwartet. Bei der Vorstellung der Studie, fiel das Wort «Vertrauen» am häufigsten. Das ist die Voraussetzung, um als Gewinner der neuen Herausforderungen dazustehen
Das GDI Gottlieb Duttweiler Institut präsentierte heute eine Studie zur digitalen Vernetzung der Gesellschaft im Jahr 2030. Das Thema brennt anscheinend unter den Nägeln, der bis auf den letzten Platz besetzte Saal am Institut ist ein weiterer Beweis, dass die vernetzte Gesellschaft und die daraus resultierenden neuen Spielregeln und neue Spielmacher niemanden kalt lässt. Swisscom CEO Urs Schäppi, Auftraggeber der Studie, nahem bei seiner Einführungsrede auch das Wort «Angst» in den Mund. In der Tat, die aufgezeigten möglichen vier Szenarien der Welt von 2030 wurde von der Studienautorin Karin Frick nicht nur positivistisch gezeichnet. Von Aufspaltung in eine technokratische Elite die die grosse Masse mit mehrheitlich unqualifizierten Jobs über Wasser halten und mit billiger Unterhaltungselektronik ruhig stellen, steht auf der anderen Seite die Vision eines Dynamic Freedom gegenüber. Ein neu erfundenes Internet, welches radikal dezentral, ohne Server, offen, demokratisch und flexibel ausgestaltet ist und so Innovation und Kreativität fördert. Menschen und Maschinen kooperieren und die Technik reguliert sich selber. Schäppi betonte, dass die Schweiz im internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt ist, was die Vernetzung angeht. Doch die Infrastruktur alleine macht noch keine wettbewerbsfähige Gesellschaft, diese muss Vertrauen in die Technologie haben und das sei dir grosse Herausforderung der Zukunft.

Die vier Zukunftsszenarien

Konzerne, Staaten und Nutzer kämpfen um die Durchsetzung ihrer Interessen. Wie verändern diese Konflikte die digitale Gesellschaft von übermorgen? Die GDI-Studie zeichnet vier Szenarien:
  1. «Digital 99 Percent»: Hier eine technokratische Elite, da eine grosse Masse, die sich über Wasser hält und mit Unterhaltung ruhig gestellt wird.
  2. «Low Horizon»: Die Menschen lehnen neue Technologien ab und koppeln sich von den digitalen Informationsströmen ab.
  3. «Holistic Service Communities»: Wir überlassen unsere Daten einer «Big Mother», die für Wohl und Sicherheit sorgt ? solange man sie nicht verlässt.
  4. «Dynamic Freedom»: Das Internet wird dezentral, offen und demokratisch. Kreativität und Unternehmergeist blühen, Menschen und Maschinen kooperieren.
Die Szenarien verstehen sich als Gedankenexperiment, nicht als Prognose. Entscheidend ist, dass die Weichen für die Gesellschaft der Zukunft heute gestellt werden.

Vertrauen schafft Fortschritt

Stefan Bosshart, Leiter des GDI, nahm Schäppis Ball auf. Auch er sieht das Vertrauen der Gesellschaft in die Institutionen und Wirtschaft als äusserst wichtig an, um die Vernetzung als Chance und nicht als Fluch zu sehen. Hier sei die Schweiz mit ihrem nach wie vor existierenden und intaktem Vertrauen in die demokratischen Institutionen besser aufgestellt wie viele andere (auch) europäische Länder. Und Bosshart betonte, wie wichtig die positive Einstellung zum Wandel sei. Wenn eine Gesellschaft negativ gegenüber Veränderungen eingestellt ist, wird sie nichts lernen und am Schluss verlieren. Als Beispiel nannte er Deutschland, in dem technikfeindliche Bücher die Auslagen zum Thema Internet beherrschen. Dabei wird die Technologie immer viel schneller, günstiger und besser, aber der Mensch bleibt ein behäbiges Wesen, dass sich nur langsam anpasst. Dieser «Reality Gap» ist eine Tatsache, welche sich nicht wegdiskutieren lässt aber gleichzeitig auch seltsame Verhaltensmuster des irrationalen Wesens Mensch aufzeigt. So geben wir die Kontrolle unserer Daten durch anklicken der AGBs an grosse Konzerne ab - dafür bekommen wir «Convenience» - tolle Dienste und noch bessere Geräte. Doch man stelle sich den Aufschrei vor, wenn eine Migros oder Coop ein noch extensiveres Tracking-System der Kaufgewohnheiten der Kunden einführen möchte.

Podium-Teilnehmer fordern Daten-Opt-Out

An der anschliessenden Podium-Diskussion war es denn auch ComCom-Präsident Marc Furrer, der ein Daten-Opt-Out forderte. Auch Peter Delfosse von der Axon Active Gruppe plädierte für ein Opt-Out, aber gleichzeitig auch dafür, dass Datenhaltung keine Einbahnstrasse sein dürfe. Der Bürger soll Zugriff auf seine Daten haben. Hier braucht es ein Umdenken der Unternehmen. Auch so könne die nötige Aktzeptanz hergestellt werden. «Wenn Unternehmen glauben, dass sie weiterhin klandestin Daten von Personen sammeln und weiterverkaufen, dann wird kein Vertrauen hergestellt». Für Karin Frick, die Verfasserin der Studie, steht die Vernetzung erst am Anfang. «Das Potenzial von vernetzter Big-Data ist riesig». Und diese Vernetzung kommt erst. Was man mit diesen Daten im Zusammenspiel mit Technik machen kann, das übersteigt oft die Vorstellungskraft der Menschen. Und das sei im übrigen der Hauptfeind des technologischen Fortschrittes; die mangelnde Vorstellungskraft. Das Podiumsgespräch war für den Geschmack des Schreibenden zu wirtschaftsfreundlich ausgelegt. Schön und gut, wenn ich mit der Offenlegung meiner Daten eine bessere Versicherungsprämie herausholen kann, aber das Gegenteil könnte ja auch der Fall sein. Und was ist mit den Menschen, die nichts von einem Daten-Opt-Out wissen? Alles Fragen, die nur am Rande oder gar nicht diskutiert wurden. Karin Frick (GDI): Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft from Gottlieb Duttweiler Institute on Vimeo.



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