11.02.2015, 15:02 Uhr

SAP und KMU - eine Leidensgeschichte

SAP ist als Softwareanbieter für die grossen Unternehmen dieser Welt gestartet. Seit Längerem bläst der ERP-Riese mit Business byDesign zur Jagd auf KMU. Doch Entwicklungs- und Strategieprobleme machten die hochfliegenden Pläne vorerst zunichte. Wo steht SAP heute im Mittelstand?
«Im Bereich des traditionellen Mittelstands und auch bei den 'Hidden Champions' mit 100 bis 300 Mitarbeitern ist SAP durchaus zu Hause», sagt Karsten Sontow, Vorstand des ERP-Beratungshauses Trovarit AG. «Wenn aber von Betrieben mit fünf bis 50 Mitarbeitern und wenigen ERP-Usern die Rede ist, darf man auch heute noch fragen, ob SAP da angekommen ist.» In diesem «Small»-Markt mit rund 76'000 Firmen in der Schweiz täten sich die Walldorfer schwer. Um hier auf massgebliche Marktanteile zu kommen, müsse das Angebot massentauglich sein. Auch aus Sicht der Deutschen SAP Anwender Gruppe (DSAG), welche auch Schweizer User vertritt, ist der Hersteller im Markt der kleineren mittelständischen Unternehmen nicht präsent genug. «SAP Business byDesign ist hinter den Erwartungen zurück geblieben», kommentiert Gerhard Göttert, DSAG-Vorstand Anwendungsportfolio: «Die Informationspolitik war in den letzten anderthalb Jahren nicht immer glücklich - bis hin zur Pressemeldung, dass SAP das Produkt selbst in Frage stellt.» Vor allem aber habe die Software mit Blick auf kleine Unternehmen Nachholbedarf. An vielen Stellen stosse man auf komplexe ERP-DNA wie beispielsweise eine stark arbeitsteilige Rollenausprägung. Hinzu komme, dass wichtige Standardfunktionen für Kleinunternehmen fehlten oder nur mit externer Unterstützung nutzbar gemacht werden könnten. Beispielsweise gibt es ein sehr flexibles Werkzeug zur Formularanpassung, das jedoch nur von wenigen Kleinunternehmen ohne zusätzlichen Support genutzt werden kann.
Als der ERP-Hersteller 2007 mit Business byDesign antrat, hiess es, die Software sei ausgelegt für Unternehmen mittlerer Grösse aller Branchen mit 100 bis 500 Mitarbeitern. Mittlerweile spricht SAP von Unternehmen ab 500 Mitarbeiter. Eigentlich war der Softwarekonzern mit dem ersten Cloud-ERP-System der Zeit voraus, der geplante Siegeszug jedoch blieb aus: Zu viele Probleme nach dem Start der Software und die Skepsis der Anwender standen im Weg. 2012 wurde dann auch Business One, das Angebot für die ganz kleinen Unternehmen, in der Cloud angeboten und ist über Amazon Web Services zu bestellen. Dass sich die Zielgruppen der Lösungen - Unternehmen, die bisher nicht über ein ganzheitliches ERP-System verfügen und Tochtergesellschaften von Grossunternehmen - überschneiden, nahm SAP in Kauf.

Nachdem die «Wirtschaftswoche» 2013 berichtete, der Hersteller wolle die Weiterentwicklung von Business byDesign einstellen, galt das Projekt endgültig als gescheitert, obwohl ein Dementi folgte. Doch wohl vor allem die Partner, die auf das Produkt gesetzt hatten, wollten die Cloud-Lösung am Leben erhalten. Der Verein SAP Cloud Partner (SCP), dem Softwarehäuser wie ABS Alpha Business Solutions oder All for One Steeb angehören, begrüsste im Herbst 2014, dass SAP die Roadmap eingehalten und die Lösung auf die Hana-Plattform migriert habe. Auch die Ernennung von Michael Schmitt zum neuen General Manager für Business ByDesign bei SAP zeigt, dass noch einmal Leben in das Cloud-ERP kommen könnte. Schmitt kündigte an, die Partner stärker einzubinden, um mehr Branchen-Know-how zu generieren. Bis dato hatte SAP die Lösung auch selbst vertrieben. Der neue Manager will darüber hinaus Bereiche wie FieldServices, Development, PreSales und Marketing stärker zusammenführen. Nächste Seite: Zu teuer? Nicht auf Kleine zugeschnitte?

Zu teuer? Nicht auf Kleine zugeschnitten?

Es gebe zwar für jede Unternehmensgrösse ein SAP-Angebot, einige ausschlaggebende Details blieben bei den Lösungen für kleinere Unternehmen jedoch auf der Strecke, kritisiert der DSAG-Vorstand. «SAP hat erheblichen Nachholbedarf bei den Lizenzmodellen, sie müssen idealer auf den Bedarf kleiner und mittlerer Unternehmen ausgelegt werden. Bei Business byDesign startet das Lizenzmodell bei 25 SAP-Usern. Diese Begrenzung ist zu hoch, es müsste ein anderes Einstiegszenario für KMUs geben», so Göttert. Ob die SAP-Lösungen überdimensioniert sind, lasse sich aber nur schwer an Mitarbeiterzahlen fest machen, erläutert der DSAG-Vorstand.

«Viele kleine Unternehmen würden bei ihrem Auswahlprozess im Traum nicht auf die Idee kommen, SAP als relevanten Anbieter zu sehen. Das ist ein Sichtbarkeits- und ein Imageproblem», konstatiert ERP-Experte Sontow. Selbst im gehobenen Mittelstand hafte SAP das Image an, teuer zu sein. So kritisierten Anwender zum Beispiel das Preis-Leistungsverhältnis von SAP ERP, obwohl sie der Software gleichzeitig absolut wettbewerbsfähige Preise bei Anschaffung und Betrieb attestierten und die Leistungsfähigkeit gut bewertet werde. «Wenn es inhaltlich also keinen Grund gibt, muss es mit dem Eindruck am Markt zu tun haben. Dass die SAP als Lieferant für DAX-Konzerne wahrgenommen wird, steht ihr bei kleineren Unternehmen eher im Weg», so Sontow. Aus seiner Sicht scheinen die Walldorfer bisher auch nicht die passenden Massnahmen gefunden zu haben, diese Wahrnehmung im «Small»-Segment zu ändern. Nächste Seite: SAP im Mittelstand - die Cloud als Schlüssel

SAP im Mittelstand: die Cloud als Schlüssel

Aus Götterts Sicht führt der Weg zu den KMUs über Cloud-Services. Deren Vorteile: Sie sind nicht an eine komplexe IT-Infrastruktur gebunden, zudem lässt sich der hohe administrative Aufwand von Release-Wechseln oder Softwareänderungen, der gerade für KMUs schwer zu leisten ist, reduzieren. Hinzu kommt die Möglichkeit, den Bedarf an Services je nach der eigenen Lage hinauf und herunter zu regeln. Göttert schränkt jedoch ein: «Es gibt in einigen Bereichen von SAP-Cloud-Lösungen noch eine Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und der tatsächlichen Verfügbarkeit.» Allerdings halten sich viele Unternehmen hinsichtlich Cloud-Services noch immer bedeckt. Vor allem wegen Sicherheitsbedenken sind derzeit nur wenige deutsche Unternehmen bereit, auf dieses Konzept zu setzen; die Snowden-Enthüllungen haben die Zurückhaltung noch verstärkt. «Hinzu kommt, dass viele Bestandskunden aktuell keinen Vorteil darin sehen, ihr ERP-System in die Cloud zu verlagern», erklärt Göttert. «Das hat unsere DSAG-Mitgliederumfrage aus dem Herbst 2014 ergeben.» In Zukunft könne sich das allerdings ändern, denn die Märkte veränderten sich. Aus den operativen Geschäftsbereichen komme immer mehr Druck in Richtung IT, agiler und flexibler zu reagieren. «Bei Veränderungen des Geschäftsmodells sind ein oder zwei Jahre Realisierungszeit der IT viel zu lange, es muss deutlich schneller gehen. Das lässt sich mit klassischen On-Premise-Lösungen heute kaum oder gar nicht realisieren», so der Anwendervertreter. Doch es seien noch viele Fragen offen: Beispielsweise, wie stabil Release-Wechsel in der Cloud wirklich sind oder wie Bestandslizenzen überführt und angerechnet werden. Nächste Seite: Im gehobenen Bereich klappt es besser

Im gehobenen Bereich klappt es besser

«Business All-in-One ist SAP ERP in vorkonfigurierter und durch Partner paketierter Form, dahinter steckt jedoch mit SAP ERP eigentlich eine grosse Lösung. Die Mittelständler, die das einsetzen, gehören eher dem gehobenen Segment an», kommentiert Karsten Sontow. In diesem Spektrum sei SAP unter den Top-5-Anbietern und habe einen Marktanteil in einer Grössenordnung von rund 10 Prozent. Die Einführung von Business All-in-One habe aber nach wie vor eine deutliche Projektcharakteristik und sei keine Installation 'out of the box': «In dieser Gewichtsklasse schneidet SAP bei den Anwendern ordentlich ab, diese Lösungen für anspruchsvollere Szenarien werden insgesamt als professionell und gut eingestuft», sagt der Experte mit Blick auf die ERP-Zufriedenheitsstudie.

Bei einzelnen Aspekten wie der Usability und dem Reporting gäbe es jedoch auch deutliche Kritik. Mit Templates und Rapid-Deployment-Ansätzen habe SAP deutlich mehr für die effiziente ERP-Einführung getan, so dass sie im gehobenen Mittelstand seit dem Jahrtausendwechsel durchaus deutliche Fortschritte erzielt habe. «Man hat da seinerzeit reagieren müssen, denn bei der Zielgruppe der Hidden Champions und dem gehobenen Mittelstand sind die Anforderungen zwar fachlich anspruchsvoll, zugleich sind diese Unternehmen aber Budget-sensibel und es gibt eine Reihe von mittelständischen ERP-Wettbewerbern auf Augenhöhe», so Sontow.

Doch braucht SAP die KMUs überhaupt? «Nach meiner Einschätzung ist es ein relevanter Markt, schliesslich stellen sie einen grossen Teil der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und damit quantitativ ein erhebliches Potential dar», sagt Göttert. «Allerdings ist auch genau das die Herausforderung für die SAP. Wir sprechen über ein Massenmarktgeschäft mit all seinen Anforderungen wie beispielsweise individuelle Lösungsansätze, Pragmatismus und grosse Flexibilität. Diese Eigenschaften werden von KMUs nicht auf Anhieb SAP zugeschrieben.» Fazit: Die Mission Mittelstand hat SAP zwar vor allem bei den gehobenen Unternehmen gemeistert, in kleineren mittelständischen Betrieben gibt es aber durchaus noch Luft nach oben. Nächste Seite: SAP-Lösungen für den Mittelstand im Überblick

SAP-Lösungen für den Mittelstand im Überblick

SAP Business ByDesign
Die Lösung ist jetzt offiziell für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern mit etwa 50 bis 500 Usern gedacht. Sie wird im SAP Rechenzentrum in Deutschland betrieben, überwacht und gewartet, ist in acht Sprachen erhältlich und live in gut 50 Ländern. SAP veranschlagt einen Implementierungszeitraum von vier bis acht Wochen, für CRM-Starterpakete 1,5 Tage. Seit Anfang 2014 wird das System an Neukunden inklusive der In-Memory Datenbank SAP Hana ausgeliefert.


Business byDesign bietet Funktionalität in den Bereichen Compliance Management, Financial Management, Executive Management Support, Supplier Relationship Management, CRM, Human Resources Management, SCM, Projektmanagement und die Anbindung mobiler Endgeräte. Als Zielgruppen nennt SAP Fertigungs- und Grosshandelsunternehmen, sowie Anbieter von Professional Services. Der Grundpreis liegt bei 1500 Euro; damit sind Support, Backup und Recovery abgedeckt. Der monatliche Preis für einen Self-Service Benutzer beginnt bei 15 Euro, für einen Team Benutzer bei 79 Euro und für einen Enterprise-Benutzer bei 133 Euro.
SAP Business One
Die Lösung richtet sich an Unternehmen mit 10 bis 100 Mitarbeitern. Die aktuell 45'000 Anwenderunternehmen haben durchschnittlich 5 bis 10 User, darunter rund 2100 Grossunternehmen, die Business One für Integrationsszenarien nutzen. Die Lösung ist in rund 150 Ländern und 27 Sprachen mit 41 Länderversionen erhältlich.


Als Implementierungszeit setzt SAP zwei bis acht Wochen an, verfügbar sind über 500 Add-ons von Partnern, die auch fast ausschliesslich für den Vertrieb zuständig sind. Business One auf der Basis von SAP HANA ist mit eingebetteten Analysefunktionen auf der Basis von Crystal Reports ausgestattet, um auch kleinen Unternehmen ein hohes Mass an Analysemöglichkeiten zu geben. Seit 2012 offerieren Partner SAP Business One Cloud, das zunächst Business One OnDemand hiess, auch in der Mietvariante. Die Lösung ist für kleine Unternehmen gedacht, die eine zentrale Anwendung für alle wichtigen Unternehmensbereiche wie Vertrieb, Einkauf, Lager und Finanzwesen benötigen.
SAP Business All-in-One
Rund 25'000 Kunden verzeichnet SAP weltweit für Business All-in-One. Zielgruppe sind Unternehmen mit 100 bis 2500 Mitarbeitern. Erhältlich ist die Lösung in mehr als 55 Ländern, es existieren gut 500 Add-ons von Partnern für spezifische Branchen. Auch Libraries mit vorkonfigurierten Geschäftsprozessen in 24 Branchen und über 50 Ländern sollen bei der schnellen Einführung helfen. Als Implementierungszeit veranschlagt der Hersteller acht bis 16 Wochen.


Zu den Bestandteilen der Lösung gehören sogenannte Best-Practices-Szenarien, die zwischen 70 und 80 Prozent der Prozessanforderungen der jeweiligen Branche abdecken sollen. Die Module für Fibu, Einkauf, Vertrieb und Controlling kommen aus SAP ERP. Angeboten werden auch Module für die Materialbedarfsplanung in der Produktion, die Auftragsabwicklung und Beschaffung mit End-to-End-Prozessen für Order-to-Cash und Procure-to-Pay sowie SCM, Vertriebsautomatisierung und Analytics.



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